Tückische Süße: Fruktose in Diätprodukten fördert Übergewicht und Diabetes
Ausgerechnet Diät-Drinks und Diabetikerprodukte enthalten häufig einen
Zusatz, der nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Übergewicht und die Zuckerkrankheit Diabetes fördert: Fruktose. Die Bundesregierung prüft jetzt, ob die Zulassungsvorschriften geändert werden müssen. Empfehlen will sie Fruktose für Diabetiker jedenfalls nicht mehr.
Der industrielle Fruchtzucker kann nach neuen Untersuchungen verschiedener amerikanischer Universitäten die hormonellen Steuerungsabläufe im Körper so stören, dass man nach dem Essen nicht satt wird - und mehr isst als nötig. Zugleich können sich die Blutwerte verschlechtern. Das Risiko für die Zuckerkrankheit Diabetes kann dadurch steigen, die Leber kann verfetten und die Produktion von Körperfett angeregt werden.
Viele Diätprodukte und vor allem Diabetikerlebensmittel enthalten diese Süßungs-Zusätze: Die Diabetiker-Waffeln „Milch-Vanille“ etwa oder die „Pralinen-Auslese Confiserie-Qualität“ von Schneekoppe, auch Joghurts wie „Der Große Bauer Diät Pfirsich Maracuja“. Fruktosesüß sind Diät-Drinks und Wellness-Wasser wie „Active O2 Pfirsich-Weisser Tee“ von Adelholzener. Und Aldis „Be light Eistee Pfirsich light“ und „Schoko Pudding cremig leicht“.
Bei „Milram Frucht Buttermilch Erdbeere Diät“ steht auf dem Etikett ausdrücklich: „Geeignet zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus im Rahmen eines Diätplanes“, auch die Schneekoppe-Produkte enthalten solche Hinweise - was im Lichte der neuen Erkenntnisse besonders fragwürdig ist.
Die deutsche Bundesregierung hat das Problem offenbar erkannt. Auf Anfrage von DR. WATSON teilte das Verbraucherministerium mit „dass eine erhöhte Fruktoseaufnahme ungünstige Wirkungen auf den Stoffwechsel entfalten und sich im Rahmen der Pathogenese des metabolischen Syndroms nachteilig auswirken kann.”
Das Ministerium und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) prüfen derzeit, ob die geltenden Vorschriften für Diätprodukte aufgrund der neuen Datenlage geändert werden müssen. Schließlich nehmen gerade Zuckerkranke und Übergewichtige diese Produkte - und schaden sich damit eher noch, nach den neuesten Erkenntnissen. “Aus diesem Grund”, so das Ministerium gegenüber DR. WATSON, “wird nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Verzehr von Fruktose als Zuckeraustauschstoff für Diabetiker nicht mehr empfohlen.”
Bei den Herstellerfirmen ist das Problembewusstsein offenbar weniger ausgeprägt: Die Molkerei Milram etwa sieht derzeit "keinen akuten Handlungsbedarf". Der Diät-Riese Schneekoppe mochte auf Anfrage "keine Stellung nehmen“, weil das Unternehmen nach eigenen Angaben von der wissenschaftlichen Datenlage keine Kenntnis hat. Joghurtproduzent Bauer blieb eine Antwort schuldig.
Bislang galt Fruktose als harmloser Zuckeraustauschstoff, der zu geringerer Insulinausschüttung führt und daher als für Diabetiker geeignet galt. Nun vermuten aber die Forscher schädliche Auswirkungen auf die körpereigenen Hormonsysteme, die Nahrungsaufnahme und Zuckerkaushalt regeln.
Die Forscher um den Mediziner Gerald Shulman von der Universität
Yale im amerikanischen Bundesstaat New Haven sehen nach ihrer im März 2009 veröffentlichten Untersuchung gar einen klaren Zusammenhang zwischen der weltweiten Zunahme des Fruktosekonsums und der Ausbreitung der Zuckerkrankheit sowie dem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Dass Fruktose ein heimlicher hormoneller Dickmacher ist, bestätigte
eine Gemeinschaftsarbeit verschiedener amerikanischer Forschungseinrichtungen, welche jetzt im Fachblatt Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism veröffentlicht wurde. Fruktose drosselte demnach den Ausstoß des Sättigungshormons Leptin. Dieses informiert das Gehirn über die Vorratslage im Körper. Wenn es manipuliert wird, bekommt die Steuerungszentrale falsche Nachrichten - und der Mensch isst mehr, als er braucht.
Studienleiterin Karen Teff beobachtete mit ihrem Team die Wirkung eines mit Fruktose gesüssten Getränkes, zur Mahlzeit getrunken, auf 17 übergewichtige Frauen und Männer. Sie bekamen, zu einer jeweils exakt gleichen Mahlzeit, einmal einen Fruktosedrink, ein anderes Mal ein mit Glukose, also Traubenzucker, gesüsstes Getränk. Wenn die Testpersonen zur Mahlzeit Fruchtzucker tranken, schüttete ihr Körper deutlich weniger Leptin aus als nach dem Traubenzuckerdrink. Die Folge: Mehr Hunger als nötig.
Auch der Level des sogenannten Guten-Appetit-Hormons Ghrelin bleibt nach Fruktosegenuss unnötig hoch. Das beobachtete Teff bereits 2004 in einer Untersuchung an jungen Frauen. Gerade die figurbewussten unter ihnen entwickelten an Tagen mit einer Extraportion Fruktose daher mehr Hunger.
Dabei steht Fruktose seit längerem im Verdacht den Stoffwechsel zu irritieren und so zum Übergewicht beizutragen. Studien zeigen auch, dass sie im Blut den Fettspiegel ansteigen lässt, die sogenannten Triglyzeride - und die gelten als verlässlicher Warnhinweis für einen entstehenden Diabetes sowie ein erhöhte Herz-Kreislaufrisiko. Übermäßiger Konsum kann außerdem zu Fruktoseunverträglichkeit führen und selbst bei Depressionen soll der Fruchtzucker, ob natürlichen oder industriellen Ursprungs, eine Rolle spielen.
Mehr über die bisher unerkannten Dickmachern in der Nahrung:
Hans-Ulrich Grimm: Die Kalorienlüge.