Zurück
09.08.2006

DR. WATSON Kolumne

Ich will Meer: Lecker Fisch-Gene sollen das Eis verbessern.
Joachim E. Röttgers / Graffiti

Hey, möchtest Du auch ein Gen-Eis?

Von Maike Ehrlichmann

Jetzt mal ehrlich: Wer will schon wirklich wissen, was im Eis drin ist. Ich stelle mir lieber einfach eine kleine, idyllische Eisküche vor. Ein rundlicher Italiener rührt mit verträumtem Blick Milch und Sahne, streut hier ein bisschen Zucker, da ein wenig Vanille. Und rührt die Masse zu unendlicher Cremigkeit, ein sanftes Liedchen auf den Lippen... Die Wirklichkeit sieht häufig anders aus...

Eismachen ist eine Kunst, was dabei herauskommt, ist oft Kunsteis. Den Unterschied lernen wir an der "GelatoUniversity" der italienischen Eismaschinen-Firma Carpigiani. Hier wird aus dem Handwerk geradezu eine Wissenschaft. Mit Pflichtfächern, in denen es um spannende Themen geht wie die "Herstellung der Grundmasse" fürs Eis. Oder "Reife und Eisqualität". Besonders interessieren würde mich der "Unterschied zwischen industriellem und handwerklichem Speiseeis". Rühren oder Reinkippen, das ist heut die Frage. Romantik oder Realität.

Von dieser werde ich ziemlich schnell eingeholt, bei Edeka an der Tiefkühltruhe. Verheißungsvolle Namen schwirren mir durch den Kopf. Mövenpick kommt uns mit "Summertime" - wie das wohl schmeckt? Also für mich riecht Sommer nach Seetang und Sonnenmilch. Was verbirgt sich hinter der "Ersten Liebe" von Langnese? Zahnspange mit HubbaBubba-Kaugummi? Und was ist mit Eiskrem "Wolke Sieben"? Vielleicht kriegt man davon ja Schmetterlinge im Bauch. Ein lustiges Kribbeln durch eine ausgewogene Kombination von Mono- und Diglyzeriden, von Zuckerkulör und Natriumalginat, Emulgatoren, Farbstoffen und Füllmittel. Und Schellack als Überzug für "Wolke Sieben"? Das Zeug aus den Schallplatten? Im Eis! Hilfeee!

Sehr gesund sieht "Kio Ene" aus, asiatisch leicht, mit einer Yogafrau im Lotussitz und ohne Cholesterin. Statt bewusstseinserweiternder Zutaten finde ich: Karboxylmethylzellulose. Zellulose, das klingt nach Bäumen und Natur. Für den Chemiker ist es einfach ein Glukosepolymer, geeignet zum Eindicken. Dazu eine Methylgruppe hier, eine Karboxylgruppe da, zwei polare Gruppen, was kalt und nach Nordpol klingt, hier aber einfach das Wasser im Eis hält. Extrem wichtig für ein Produkt wie dieses, das zum allergrößten Teil aus Wasser besteht.

Und dann: Amylasereismehl. Dieses Wort kennen weder ich noch Google. Seltsam. Ein Stoff im Eis, den es gar nicht gibt? Na hoffentlich wissen die von "Kio Ene", was sie tun - schließlich sind solche Geschichten nicht gut fürs Karma.

Ich frage nun: Wie weit entfernen sich die Eismatscher noch von meiner Eisidylle? Die Daily Mail, das englische Revolverblatt, hatte im Supermarkt-Eis letztens statt Milch und Sahne vor allem Wasser und Molke gefunden. Und diese Erkenntnis unter der Überschrift veröffentlicht: "The chilling truth about ice cream". Die ernüchternde Wahrheit über Eiskrem. Sogar das gute alte ?Magnum?enthält keine Sahne, dafür aber massenhaft Butterreinfett und einen "Füllstoff" namens Polydextrose. "Shockin", fand die Daily Mail.

So genügt ein Blick auf die Zutatenliste, und "zack" - verpufft mein kleiner dicker Mann aus dem Eistraum. Und der Alptraum geht weiter: In Amerika und Australien baut der Food-Multi Unilever ("Du darfst") bereits das dauerweiche Super-Eis. Ewig soft dank einem Gen aus dem Schellfisch, der im kühlen Nordatlantik herumschwimmt und trotzdem nicht völlig steif friert. Also eine Art Frostschutzmittel für das Eis. Damit es löffelweich bleibt.

So schmeckt der Sommer von Unilever. Sex und Sonne, Seetang und das Supereis. Und am Beach rufen wir dann: "Hey Bob, möchtest Du auch ein Gen-Eis..."?