Zurück
29.02.2016

DR. WATSON News

Cover: Droemer Knaur Verlag

"Moderne Milch" macht krank

Hans-Ulrich Grimm über die Tierindustrie und das Getränk von der Kuh

Die Milch ist in Verruf geraten. Sie wird für allerlei Beschwerden verantwortlich gemacht, von Akne bis zu Zuckerkrankheit Diabetes. Sogar für Krebs. Dabei trinken die Menschen doch seit Jahrtausenden Milch. In seinem neuen Buch
Die Fleischlüge - Wie uns die Tierindustrie krank macht.
beschäftigt sich Hans-Ulrich Grimm auch mit der Frage: Was ist bloß mit der Milch passiert – seit sie nicht mehr von der Kuh kommt, sondern aus der („Alles Müller oder was?“) Fabrik.

Milch kann ja eigentlich nicht ungesund sein. Sie ist schließlich als Getränk fürs Kalb gedacht. So wie die Muttermilch das Getränk fürs Menschenbaby ist. Das ideale Getränk, hausgemacht von Mama: Die Mutter übermittelt damit sogar geheime Gen-Codes an ihr Baby, um diesem den optimalen Start ins Leben zu ermöglichen und es so zu präparieren, mit ganz persönlichen Botschaften für den kleinen Organismus.

Das hat die dänische Forscherin Kristine Blans gezeigt, in einer Studie, mit der sie ihren Doktortitel erworben hat. Und damit eine weitere Erklärung geliefert für die legendäre Überlegenheit der Muttermilch gegenüber der Fläschchennahrung von Aptamil, Nestlé, Hipp und anderen.

Denn die enthält ja getrocknete Kuhmilch, und damit die Botschaften von Mutter Kuh an ihr Kind, das Kalb. Nicht gerade das Ideale für ein kleines Menschenbaby.

Und womöglich sind es auch gerade diese Botschaften, die für die jetzt vermehrt beobachteten Nebenwirkungen der Milch sorgen.

Der Medizinprofessor Bodo C. Melnik von der Universität Osnabrück sieht in Milch ganz allgemein einen "Förderer von chronischen westlichen Krankheiten".

Das liegt an den Eigenschaften, die das Getränk hat – und die durch die modernen Produktionsmethoden der Tierindustrie noch verändert werden.

Weil die Milch ja fürs Baby der Kuh gedacht ist, und ein Baby wachsen soll, enthält sie Stoffe, die das Wachstum fördern. Die Menschen in klassischen Milchtrinkerländern wie Skandinavien sind, folgerichtig, auch ziemlich groß.

Aber: Milch kann auch den Krebs wachsen lassen. Die Harvard School of Public Health in Boston im US-Staat Massachusetts empfiehlt deshalb, den Verzehr von „Milchprodukten auf ein bis zwei Portionen am Tag zu reduzieren“ – wegen Krebsrisiko, an Eierstock und Prostata.

Die Harvard-Forscherin Davaasambuu Ganmaa fand ein erhöhtes Krebsrisiko bei Milchtrinkern, als sie den Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und Krebsraten in 42 Ländern untersuchte.

Auch die europäische EPIC-Studie („European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“) zeigte einen Zusammenhang zwischen Milchprotein, Kalzium und Prostatakrebs.

Aber: Womöglich ist es gar nicht die Kuh, die daran schuld ist. Sondern die Tierindustrie, die die Milch so verändert hat, dass sie zum Problem werden kann. Und die auch die Signal-Wirkung der Milch verändert hat.

Schon der Produktionsstress, unter dem die Kuh in den Milchfabriken steht, verändert die Inhaltsstoffe der Milch. Denn er erhöht zum Beispiel den Hormongehalt.

„Die Milch die wir heute trinken, ist eine ganz andere als die, die unsere Vorfahren getrunken haben“, sagt auch die Medizinerin Ganmaa. Die Gastwissenschaftlerin an der Harvard Universität, die aus der Mongolei stammt, hat festgestellt, dass die Frauen in ihrer Heimat viel seltener Brustkrebs haben als ihre Geschlechtsgenossinnen in Großbritannien – obwohl sie sehr viel Fleisch und Milch zu sich nehmen.

Es ist also nicht die Milch ab Kuh, die zum Problem wird, sondern die „moderne Milch“, wie das Harvard Magazine titelte.

Milch ist nicht gleich Milch: Am gesündesten, auch für Menschenkinder, ist die Rohmilch, wie zahlreiche Studien ergaben. Allerdings möchte kein Experte zur Rohmilch raten - wegen der möglicherweise auch enthaltenen Bakterien.

Aber es muss auch nicht unbedingt Rohmilch sein: Sie steht zwar am oberen Ende der Skala, wenn es um den Gesundheitswert geht. Doch es gibt viele Abstufungen in der industriellen Behandlung, Erhitzung, Homogenisierung. Ganz unten, qualitätsmäßig, steht dann die H-Milch. Noch minderwertiger ist nur die Trockenmilch, aus der das Pulver fürs Fläschchen gewonnen wird.

Und auch wenn es der Kuh besser geht, ist die Milch gesünder, wie eine jetzt erschienene Studie britischer Wissenschaftler zeigte: Bio-Milch enthält demnach mehr von den wichtigen Omega-3-Fetten, die fürs Herz wichtig sind, für die Intelligenz, aber auch fürs Wohlbefinden.

Ist das Tier glücklich, freut sich der Mensch.

Mehr über die Milch und die Gesundheitsfrage:

Hans-Ulrich Grimm:
Die Fleischlüge - Wie uns die Tierindustrie krank macht.
Droemer Knaur, 2016
ISBN: 978-3-426-27641-9
336 Seiten, 18 Euro
oder als Ebook hier