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05.08.2017

DR. WATSON Recherche

Immer schön cool halten: Stanford-Professor Tony Wyss-Coray (rechts) mit DR. WATSON-Redakteur Hans-Ulrich Grimm vor dem Kühlschrank mit gefrorenem Mäuseblut.
Reema Eid

Die Vampir-Methode gegen das Alter

DR. WATSON auf Anti-Aging-Recherche in Kalifornien / Teil 3

Unterwegs im Silicon-Valley, dem Zukunftslabor des Planeten: Hier sitzen die allmächtigen Firmen des Internetzeitalters. Sie planen jetzt ihr nächstes großes Ding: Den Tod abschaffen. Mittendrin: Ein Schweizer Professor. Er hat das Blut als Jugend-Elixier entdeckt. DR. WATSON hat ihn zur Lagebesprechung getroffen. Ob er sich regelmäßig einen Schuss setzt?

Hier in der Zukunftsregion südlich von San Francisco haben sie ja Erfahrung im Weltverändern. Das Internet, das iPhone, das Elektroauto von Tesla - erst kühne Visonen, jetzt Realität. Doch ein Problem bleibt noch: Das Ende des Lebens. Muss das sein?

Google zum Beispiel hat eine Anti-Aging-Firma namens Calico gegründet, und auf sie allergrößte Hoffnungen gesetzt: Sie soll den Tod „heilen“. Das ist ihr Auftrag. Man hat dann allerdings lange nichts von epochalen Durchbrüchen gehört; manche sprechen schon von der größten Enttäuschung im Altersbekämpfungs-Business.

Doch es gibt ja noch andere Projekte hier im High-Tech-Valley, das so überraschend ländlich aussieht. Auf dem Interstate-Highway 280 etwa, der durch das Tal führt, fühlt es sich weithin so an wie auf der Autostrada irgendwo in der Toskana. Nur dass es hier von Apple nach Google geht.

Kurz hinter dem Hauptquartier vom Elektroautopionier Tesla sieht es plötzlich aus wie im Wilden Westen, mit kleinen Tälern, vertrockneten Wiesen, krummen Bäumen; es hat da auch tatsächlich eine Pferdekoppel. Fehlen nur noch die Indianer, aufgereiht und kampfbereit oben auf dem Bergesrücken.

Heute geht die „disruptive“ Energie der Akteure in diesem Landstrich in eine andere Richtung. Disruptiv, das heißt: Zerstörerisch. Hier ist es das Prädikat für die besten, innovativsten Projekte. Wer Neues will, kann keine Rücksicht auf das Alte nehmen. Oder gar: das Altern. Das Altern muss weg. Es nervt.

Und sie sind da sehr optimistisch, dass sie auch das schaffen. Auch Professor Tony Wyss-Coray aus der Schweiz, wo die Leute ja sonst eher nüchtern und bedächtig sind. Aber er lebt seit 1994 in den USA, forscht an der Universität Stanford, die mittendrin liegt im Silicon Valley, auf einem riesigen Parkgelände, wie ein eigener Organismus.

Sein Labor ist in der Medical School, MSLS-Building, 2. Stock, und das Büro gleich nebenan, super aufgeräumt, zwei iMac-Computer von Apple auf dem Schreibtisch, ein Laptop noch daneben. An der Wand ein kleines Matterhorn-Plakat, im Regal ein Becher mit Schweizerkreuz.

„Kaum ein anderer Forscher weltweit“, diagnostizierte schon der Zürcher Tagesanzeiger, sei „so nah dran an einem wirksamen Verjüngungselixier wie Wyss-Coray“.

Also: Die allererste Adresse für DR. WATSON, wenn es um die Besprechung der Lage an der Altersfront geht.

DR. WATSON: „Herr Professor Wyss-Coray, der Internetkonzern Google will den Tod abschaffen. Sie auch?“

Prof. Wyss-Coray: „Nein, daran habe ich eigentlich kein Interesse. Die Menschheit hat genug Probleme und ich weiß nicht, wer genau da länger leben sollte, was der Gemeinnutzen davon wäre.“

DR. WATSON: „Aber das Alter bremsen, stoppen oder gar umkehren, das wollen Sie auch?“

Wyss-Coray: „Wir versuchen, die Zeit zu verlängern, die ein Mensch gesund lebt. Es ist ja interessant, dass Leute, die 100 Jahre alt werden, oft noch sehr gesund sind. Viele haben keinen Doktor gesehen im Leben.“

DR. WATSON: „Und sind so gesund, weil sie nie zum Doktor gehen...“

Wyss-Coray: „Ja, es gibt diesen Witz, das erste Mal, wenn sie den Doktor sehen, werden sie krank. Aber der Durchschnittsbürger lebt vielleicht 60 Jahre gesund, und dann kommen Blutdruckprobleme, Herzprobleme, Diabetes, immer mehr Krankheiten, je älter man wird. Und deshalb versuchen wir, diese gesunde Zeitspanne von 60 Jahren auf vielleicht 70 oder 80 zu verlängern.“

DR. WATSON: „Klingt eher bescheiden. Aber Sie sagten auch schon, dass man aus einem Hundertjährigen wieder ein Embryo machen könne.“

Wyss-Coray: „Ja gut, aber das sind natürlich theoretische Überlegungen, ob das Altern an und für sich rückgängig gemacht werden kann. Und wenn wir nur eine einzelne Zelle von einem alten Organismus nehmen, können wir die tatsächlich wieder jung machen. Aber ob das für einen ganzen komplexen Organismus wie einen Menschen anwendbar ist? Das wird wahrscheinlich sehr schwierig sein.“

DR. WATSON: „Aber man kann mit frischem Blut aus einem alten Knacker einen jungen, fitten machen.“

Wyss-Coray: „Ja, das weiß ich auch nicht. Man kann sicher, wie wir zeigen können, aus alten Mäusen wieder junge Mäuse machen. Mäuse, die wieder jünger ausschauen, bei denen die Gewebe wieder funktionieren wie in einer jüngeren Maus. Beim Menschen entspräche das einem 70jährigen, der wieder wie 50 wirkt. Das ist immer noch relativ bescheiden, aber es sind sehr interessante Ansätze.“

DR. WATSON: „Es ist das Blut, was so wirkt. Was macht es zu so einem besonderen Saft?“

Wyss-Coray: „Ja, das Blut ist der Saft des Lebens, wie man schon seit Jahrtausenden philosophiert hat, und wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Das Blut ist tatsächlich dafür zuständig, verschiedenste Wirkstoffe von einem Gewebe zum andern zu bringen, es bringt alle Baustoffe, die notwendig sind, es transportiert natürlich Sauerstoff, und all die Blutzellen, die wir brauchen, um zu leben.“

DR. WATSON: „Es sollen ja hunderttausende von Elementen sein, die im Blut herumschwimmen. Wie viele davon kennen Sie mit Namen?“

Wyss-Coray: „Ich persönlich? Vielleicht ein paar hundert. Aber wenn man die Dateien anschaut, dann sind wohl einige tausend davon charakterisiert. Viele sind natürlich sehr ähnlich, es ist nicht so, dass das hunderttausende von radikal verschiedenen Substanzen wären. Wir wissen nicht, ob jedes da wirklich eine eigene Funktion hat.“

DR. WATSON: „Und Sie wollen jetzt also die herausfinden, die fürs Altern wichtig sind.“

Wyss-Coray: „Wir wollen herausfinden, ob es Faktoren gibt, in denen sich das junge vom alten Blut unterscheidet, und ob einige dieser Faktoren vielleicht dafür verantwortlich sind, das Gewebe jung zu erhalten. Und dann wollen wir wollen diese Faktoren erhöhen im alten Organismus, und andere, die das Alter beschleunigen, neutralisieren.“

DR. WATSON: „Man kann ja die Blutwerte durch Ernährung beeinflussen. Ließe sich da auch bei den Jugendlichkeitsprogrammen im Blut was machen?“

Wyss-Coray: „Man weiß von Tierversuchen, dass Nahrung das Altern verlängern kann, eine bestimmte Zusammenstellung der Nahrung, oder auch das Fasten. Wenn man das noch besser versteht, kann man sich schon vorstellen, dass mit gezielter Nahrungsaufnahme auch das Altern im Blut direkt zu beeinflussen ist. Das ist durchaus möglich.“

DR. WATSON: „Und auch angenehmer, als sich immer eine Infusion mit Frischblut geben zu lassen. Wie halten Sie das? Haben Sie irgendwo Ihren Infusionsständer hier im Büro, oder machen Sie das bloß am Sonntag?“

Wyss-Coray (lacht): „Ja, da muss ich schon in die Klinik gehen. Aber ich mach das noch nicht allzu häufig. Ich hab es, ehrlich gesagt, noch nie gemacht.“

DR. WATSON: „Sie haben sich noch nie eine Dosis frischen Blutes geben lassen?

Wyss-Coray: „Nee, nee. Das würde ich auch nicht. Wir haben da noch keine klinischen Daten, die das unterstützen würden.“

DR. WATSON: „Angst vor Nebenwirkungen? Krebs soll ja eine der möglichen Begleiterscheinungen sein.“

Wyss-Coray: „Nein, ich finde das einfach nicht notwendig. Vielleicht denke ich da anders, wenn ich 80 bin. Wenn wir verstehen, was genau im Blut diese Effekte hat auf das Altern, können wir diese Elemente natürlich isolieren, und vielleicht in Form einer Pille verabreichen. Man muss sich da nicht eine Infusion stecken.“

DR. WATSON: „Also einstweilen setzen Sie eher auf die klassischen Methoden? Fitnessübungen, Ernährung.“

Wyss-Coray: „Ich bewege mich, ich esse frisch gekochtes Essen, mit viel Gemüse, ein bisschen Fleisch.“

DR. WATSON: „Und natürlich immer Wein dazu.“

Wyss-Coray: „Genau. Der Wein steht immer auf dem Tisch.“

DR. WATSON: „Herr Professor Wyss-Coray, vielen Dank für das Gespräch.“