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Ritalin

Ritalin ist das Standard-Medikament für das sogenannte Zappelphilipp-Syndrom, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Es ist sehr erfolgreich, weil es von vielen Kinderärzten als Mittel der Wahl angesehen wird. Hyperaktivität ist ein Massenphänomen: drei bis fünf Prozent der Schulkinder leiden nach Schätzungen daran. Die Spätfolgen sind unabsehbar. Vergleichbare Erfolge lassen sich Studien zufolge auch mit Ernährungsumstellung erzielen. Die maßgeblichen ADHS-Forscher plädieren indessen für die medikamentöse Behandlung mit solchen Mitteln; häufig sind dabei Interessenkonflikte im Spiel.

 

Ritalin hat eine beispiellose Weltkarriere gemacht, was sich vor allem begeisterungsfähigen Medien und professionellem Marketing verdankt. Dabei ist unklar, was das Medikament im Körper eigentlich anrichtet.  Selbst die Herstellerfirma Novartis räumt ein: „Sein Wirkmechanismus im Menschen ist noch nicht vollständig geklärt.“

 

Zahlreich sind die Nebenwirkungen, die der Beipackzettel aufführt. Dazu gehören:

 

Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Haarausfall, ja sogar epileptische Krämpfe, Weinerlichkeit, psychotische Reaktionen („speziell paranoid halluzinatorischer Art"). Auch Traurigkeit, Ängstlichkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Hautausschläge, Haarausfall, Muskelzuckungen (Tics), Verhaltensstereotypien und unwillkürliche Gesichtsbewegungen.

 

Ein weiteres Risiko ist laut Novartis „sein stark ausgeprägtes psychisches Abhängkeitspotential bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch.“

 

Offenbar kann Ritalin auch zu psychischen Veränderungen führen: Bei einer kanadischen Studie mit 192 Kindern entwickelten neun Prozent psychische Störungen wie Halluzinationen und Verfolgungswahn. Ritalin-Kritiker führen sogar die steigenden Raten von Schizophrenie, Depressionen und manisch-depressive Störungen auf den wachsenden Konsum von Psychodrogen wie Ritalin zurück.

 

Hirnforscher wie der Göttinger Professor Gerald Hüther weisen auf ein erhöhtes Risiko für Parkinson im Alter hin - was von Ritalin-Befürwortern energisch bestritten wird.

 

Eine US-Studie hat den Verdacht allerdings erhärtet: Forscher der Universität von Utah fanden heraus, dass Patienten mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ADHS mehr als doppelt so hohes Risiko haben – und sogar ein sechs- bis achtmal höheres, wenn sie Medikamente wie Ritalin bekommen, sogar bei der frühen Variante von Parkinson, die schon ab 21 Jahren auftreten kann.

 

Problematisch sind auch die langfristigen Wirkungen der Droge auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Amerikanische Wissenschaflter um Joan Balzer von der Universität von Buffalo haben herausgefunden, dass die Gehirnstruktur durch Ritalin langfristig verändert wird. „Ärzte dachten bisher, dass Ritalin nur kurzfristig wirkt“, sagt sie. Ihr Team aber habe an Ratten festgestellt, dass die Schweizer Droge langanhaltende Veränderungen an Struktur und Funktion des Gehirns verursachen kann.

 

Ritalin fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. Wenn ein Arzt das Mittel verschreiben möchte, muss er dafür ein sogenanntes „Btm“-Rezept nehmen, aus einem speziellen, verschlossenen Schrank, dem Giftschrank.

 

Die US-Rauschgiftbehörde DEA setzte Ritalin auf eine Stufe mit Kokain, ordnet beide in die Gruppe 2 der Drogen ein. Darüber, in Gruppe 1, steht nur noch Heroin.

 

Und tatsächlich hat sich die Droge in dieser Szene etabliert, wird  Ritalin  als leicht zugängliches Rauschgift genutzt. Viele Ritalin-Konsumenten nehmen nach Erkenntnissen von Rauschgiftfahndern das Mittel wie Kokain, pulverisiert durch die Nase. Oder sie lösen, wie Heroin-Junkies, die Tabletten in Wasser auf und spritzen sie sich.

 

Immer wieder kommen Ritalin-Opfer in Notfallambulanzen. Auch Todesfälle sind dokumentiert. 

 

Die Herstellerfirma Novartis meldete diese Todesfälle indessen nicht an die Behörden, weil sie nach Ansicht der Firma und unternehmensnaher  Wissenschaftler nicht ursächlich auf die Droge aus ihrem Hause zurückzuführen waren.

 

„Gefährliche Nebenwirkungen“ seien überhaupt „nicht bekannt“, schrieb Professor Andreas Warnke, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg in einem „Informationsheft“, das von Novartis auf Anfrage an Ärzte versandt wurde.

 

Auch die einschlägige „Leitlinie“ zu ADHS, die den Ärzten zur Behandlung vorgegeben wird, sieht vor allem die Vorzüge, schlägt sich auf die Seite der Pharma-Behandlung: „Der Vergleich verschiedener Behandlungsmethoden“ habe gezeigt, dass eine „medikamentöse Therapie den größten positiven Effekt“ auf ADHS hat. Namhafte Autoren der Leitlinie, darunter der „Leitlinienkoordinator“, hatten allerdings Interessenkonflikte, waren den Herstellerfirmen verbunden, darunter auch Novartis.

 

Der Schweizer Pharmariese vermarktet seine Droge sehr professionell. So hat der Konzern die Selbsthilfegruppe für Kinder und Erwachsene mit ADHD (Children and Adults with ADHD, CHADD), mit 900.000 Dollar gesponsert. ADHD ist das Kürzel für die Fachbezeichnung „Attention Deficit Hyperactivity Disorder“, zu deutsch „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) oder auch „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS). Dank der „großzügigen Unterstützung des Ritalinherstellers Novartis“ seien „mehr als 500 neue Ortsgruppen der CH.A.D.D. Organisation aus dem Boden geschossen“, schreibt der US-Autor Richard DeGrandpre in seinem Ritalin-Buch.

 

In den USA ist die Ritalin-Propaganda so erfolgreich, dass Eltern, die ihre Kinder davor schützen wollen, sogar Ärger mit den Behörden bekommen. Schon Ende 2001 musste der Staat Minnesota seinen Behörden, verbieten, die Eltern zu Ritalin und ähnlichen Drogen zu nötigen.

 

Die Diagnose Hyperaktivität ist unter Kinderärzten im übrigen sehr umstritten. „Es gibt einen fließenden Übergang vom gesunden zum krankhaften Verhalten“, sagt die deutsche Kinderpsychiaterin Christa Schaff: „Neulich war ein Kind italienischer Eltern hier. Der Vater war gemeinsam mit mir gegen eine medikamentöse Behandlung – er sagte: Hier nennt man das Aufmerksamkeitsstörung, in Italien sind alle Kinder so.“