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Vollwerternährung

Die Idee von der Vollwerternährung geht von dem vernünftigen Gedanken aus, möglichst wertvolle Lebensmittel zu sich zu nehmen. Sie wendet sich ursprünglich gegen minderwertige industrielle Nahrung. Bei vielen Ernährungsberaterinnen ist die Vollwertidee allerdings nur noch in einer Schwundform existent, als Plädoyer fürs Vollkornbrot.

 

Eigentlich bedeutet Vollwerternährung: frische Zutaten. Konserven und andere industriell verarbeitete Nahrungsmittel werden gemieden. Das Vollwert-Konzept ist wissenschaftlich untersucht und entspricht allen Anforderungen, die an eine gesunde Ernährung zu stellen sind. Das heißt, sie liefert nicht nur alle notwendigen Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe, sondern auch die zur Vermeidung vieler Erkrankungen notwendigen Schutzstoffe (etwa sekundäre Pflanzenstoffe).

 

Als Pionier der Vollwerternährung gilt der Schweizer Arzt Maximilian Bircher-Benner (1867–1939), der Berühmtheit verlangte durch das „Bircher-Müsli“, dessen Urform er um das Jahr 1900 auf einer Bergwanderung bei einer Sennerin entdeckt hatte.

 

Von ihm beeinflusst war der deutsche Medizinprofessor Werner Kollath (1892 – 1970). In einem seiner Experimente fütterte er seine Versuchsratten zunächst mit einer auf Nagetiere zugeschnittenen Zivilisationsdiät, vergleichbar mit Brötchen, Kuchen, Keksen.

 

Die armen Tiere waren alsbald in beklagenswerter Verfassung: Sie litten an chronischer Verstopfung, an Karies, bekamen brüchige Knochen und bösartige Veränderungen in der Darmflora, die Vorstufe von Krebs. Dann gab er synthetische Vitamine dazu, eine Kombination also, wie sie der typische Junk-Food-Konsument zu sich nimmt, der meint, seinem Körper mit zeitweiligen Multivitamingaben Gutes zu tun. Nichts geschah, die Tiere vegetierten weiter dahin. Erst als er sie mit Hefe, Getreidekeimlingen und Grünzeug fütterte, lebten die kleinen Nager sichtlich auf. Kollaths Konsequenz: »Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich.«

 

Mittlerweile haben sich beide Sphären, haben sich Ernährungsberater und Nahrungsmittelindustrie verbündet (Interessenkonflikte). Die Maximen sind geschrumpft, die Ernährungsberater kämpfen jetzt nicht mehr gegen wertlose Fabrikkost. Ihr Einsatz für Vollwert gilt jetzt nur noch Vollkornbrot und Hirsebratling und ansonsten weitgehend willkürlich ausgewählten Zielen: den Salat beispielsweise. Die Errungenschaften der kulinarischen Evolution werden ignoriert, die Schätze der kulinarischen Hochkulturen der Welt missachtet, übrig blieb eine fettarme, vollkörnige Welt mit magerem Genusswert.

 

Das industriekritische Erbe der Vollwertbewegung wird heute etwa von der NOVA-Forschungsgruppe fortgeführt, die mit ihrer NOVA-Klassifikation der Lebensmittel ein neues Paradigma zum Maß der gesundheitlichen Bewertung erhoben hat: den Grad der Entfernung von der Natur, wobei die sogenannte ultra-verarbeitete Nahrung dabei auf der obersten und damit ungesündesten Stufe angesiedelt ist.

 

Sie wird als wesentliche Ursache für die modernen Zivilisationskrankheiten gesehen wird.

 

Eine Renaissance erlebt der Vollwertgedanke in der internationalen Forschergemeinde als „Whole Food Approach“ (Ganzheitlicher Lebensmittelansatz), bei dem ebenfalls die Naturnähe der Lebensmittel als Qualitätskriterium gilt.