Dr. Gert Krabichler ist ein einflussreicher deutscher Lobbyist für Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel. Sein wichtigstes Betätigungsfeld ist das zuständige Gremium der Vereinten Nationen, das die weltweiten Regeln und Standards für die Produkte seiner Branche festlegt. Dank freundlicher Unterstützung der deutschen Regierung wurde er dort zum festen Mitglied der offiziellen Delegation der Bundesrepublik Deutschland. Der Industrievertreter übernahm auch offizielle Funktionen in der Europäischen Union.
Als Krönung der Lobbyaktivitäten seiner Branche darf gelten, dass die Vitamin-D-Pillen seiner Firma zur Pflicht wurden für Säuglinge und Kleinkinder, routinemäßig gleich nach der Geburt verschrieben. Mittlerweile allerdings wächst die Kritik, wegen mangelnden Nutzens und oft massiver Gesundheitsschäden des Konsums.
Krabichler gibt sich äußerst öffentlichkeitsscheu. Bei einer Begegnung anlässlich einer Sitzung des für Vitamine zuständigen Gremiums der Vereinten Nationen mochte er nicht einmal seinen Namen nennen - ein höchst ungewöhnliches Gebaren für ein offizielles Mitglied der Delegation der Bundesrepublik Deutschland in einer Institution der Weltgemeinschaft. Auch eine Visitenkarte besitze er nicht. Zu einem Gespräch war er erst recht nicht bereit. Erst dank der Hilfe anderer Delegationsmitglieder war seine Identität zu klären (siehe Hans-Ulrich Grimm: Gesundes Essen für unsere Kinder).
Krabichler ist dort eine bekannte Figur, als langjähriges offizielles Mitglied der deutschen Regierungsdelegation. Mit welcher Berechtigung und welcher Legitimation, das vermochte indessen auch der Delegationsleiter nicht zu sagen: »Der war schon immer dabei.«
Das Gremium ist neben Vitaminen unter anderem auch für Babynahrung zuständig. Es gehört zum „Codex Alimentarius“, also gewissermaßen der Weltregierung in Sachen Lebensmittel, wird auch betreut von der Bundesrepublik Deutschland als Gastgeberland („Host Country“), und hat das zungenbrecherische Kürzel CCNFSDU (Codex Committee on Nutrition and Foods for Special Dietary Uses).
Krabichler besitzt ein Diplom in Biologie, ein Diplom in Physik und einen Doktortitel in physikalischer Chemie. Bald nach seinem Studium startete er seine Karriere als Manager in der Vitaminbranche und als deren Lobbyist.
Er war tätig für den Schweizer Roche-Konzern (Roche Vitamins Europe), später die niederländische DSM, schließlich für das deutsche Unternehmen Merck Consumer Health, er machte sich sodann selbständig und vertrat die Interessen des US-Konzerns Procter & Gamble (Pampers, Pringles), nachdem dieser auch im Vitaminbusiness tätig wurde und die von Krabichler seit langem betreute und sehr einträgliche Marke Vigantol übernommen hatte (Eigenwerbung: „Die Nr. 1 der Vitamin-D-Präparate“). Eltern kennen sie als Pflicht-Präparat, das gleich nach der Geburt eines Kindes verschrieben wird.
Seit langem engagiert sich Krabichler auch bei verschiedenen Lobbyvereinigungen seiner Branche, etwa dem Arbeitskreis Nahrungsergänzungsmittel (AK NEM) im Lebensmittelverband Deutschland (früher Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, kurz BLL) sowie den internationalen Industrieverbänden für Vitamine und andere Nahrungs-Extras, FSE (Food Supplements Europe) sowie IADSA (International Alliance of Dietary / Food Supplement Associations).
Als Industrie-Lobbyist durfte Krabichler auch offizielle Aufgaben der Europäischen Union übernehmen. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, der deutschen Bundesregierung und anderen EU-Mitgliedstaaten organisierte er im Rahmen der EU-Osterweiterung ein „Schulungsprogramm“ über Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel, um die damaligen Kandidatenstaaten wie Polen, Ungarn, Tschechien und deren Gesetzgebung im Sinne der Industrie auf die EU-Verhältnisse vorzubereiten.
Im Jahre 1994 begann seine Lobbytätigkeit auf globaler Ebene, in der offiziellen Delegation der Bundesrepublik Deutschland bei jenem CCNFSDU-Gremium der Vereinten Nationen, das für Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel, aber auch für Babynahrung zuständig ist.
Krabichler ist dort indessen nicht der einzige Lobbyist. Bei den Zusammenkünften in Berlin, Düsseldorf, Hamburg oder auch Bali sitzen in der offiziellen Delegation der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig Interessensvertreter von Nestlé, Danone, Milupa, Hipp, Coca-Cola, Südzucker mit am Tisch, haben oft sogar die Mehrheit, herzlich eingeladen von der jeweiligen deutschen Bundesregierung, ganz unabhängig von deren farblichen Orientierung. Hier gilt der Grundsatz: Wenn es um Lebensmittel geht, hat die Demokratie Pause.