Selen ist ein chemisches Element und kommt in der Natur meist in metallähnlichen, grauen Verbindungen vor. Der Mensch muss es über die Nahrung aufnehmen, kann es nicht selber herstellen. Selen wird von manchen als Retter gegen den Krebs gefeiert, Studien sollen eine Schutzfunktion zeigen vor allem bei Magen- und Darmkrebs, Prostatakrebs und Brustkrebs. Unter Experten gilt diese Wirkung noch als umstritten. Eine Überdosis kann zu schweren Vergiftungen führen.
Die amerikanischen Gesundheitsbehörden haben Studien zur Wirkung von Selen auf Prostata-, Haut- und Lungenkrebs sowie die Tumorentstehung ausgewertet und schätzen einen schützenden Effekt als unwahrscheinlich ein. Sie vermuten, dass es eine bestimmte chronische Entzündung der Schilddrüsen, die sogenannte Hashimoto-Thyreoiditis, lindert. In zu großer Menge wirkt Selen giftig, amerikanische Gesundheitsbehörden warnen vor Mengen über 400 Mikrogramm pro Tag.
Auch weil erst wenig Wirkungen des Selens erfasst sind und keine eindeutigen Mangelerscheinungen beim Menschen bekannt sind, gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bislang nur einen Schätzwert für die ausreichende Versorgung an: 30 bis 70 Mikrogramm täglich.
Als Bestandteil verschiedener Eiweißbausteine ist es essentiell, muss also aufgenommen werden. Die Hauptrolle spielt es als Selenocystein, Grundstoff für bedeutende Enzyme im Einsatz gegen den oxidativen Stress (Antioxidantien), vor allem für die sogenannte Glutathion-Peroxidase. Selen soll auch die Entgiftung von Fremdstoffen anregen. Für pharmazeutische Präparate soll das Selenomethionin künstlich in Hefen hineingezüchtet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) entschied, dass solche Selenhefe aufgrund unzureichender Qualitätskriterien vorerst nicht zur Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln freigegeben wird.
Das staatliche Institut rät, täglich nicht mehr als 30 Mikrogramm Selen über Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen.
Akute Überdosierungen mit Selen führen nach einer Bewertung der amerikanischen Gesundheitsbehörden zu Übelkeit, Erbrechen, Veränderungen der Fuß- und Fingernägel, Kraftlosigkeit und Reizbarkeit. Langfristige Überversorgung verursacht Vergiftungen ähnlich der Arsenvergiftung, mit Verlust der Kopfhaare, Nagelentzündung, starker Müdigkeit und Reizbarkeit, Übelkeit, Erbrechen, einem metallischem Geschmack im Mund und nach Knoblauch riechendem Atem.
Zuviel Selen kann zu Erschlaffung der Muskulatur führen, zu Zittern, Benommenheit, Erröten des Gesichts und Problemen in der Blutgerinnung, sowie Schäden an Leber und Niere. Eine langfristige Einnahme von Selenpräparaten könnte gefährliche Folgen haben, etwa das Risiko an Diabetes Typ II zu erkranken erhöhen. Es besteht sogar der Verdacht, dass Selenkonsumenten früher sterben und öfter an Krebs erkranken.
Bekannt ist der Fall aus einem Kurheim im Südbadischen, wo die Nahrungsergänzungsmittel gerade so auf dem Mittagstisch standen, darunter auch Selen, und die Gäste nahmen die vermeintlich gesunden Mittel zum Mittagessen.
Doch mindestens zwei Patienten ist es schlecht bekommen. Eine 43jährige Arzthelferin und ihr 50jähriger Mann, ein Bibliotheksangestellter, waren zur Kur gekommen, um ihre Körper zu entgiften. Stattdessen wurden sie vergiftet. »Mir ging es schlecht wie nie in meinem Leben«, sagte die Frau.
Ihre Beschwerden hatte der Sanatoriumsleiter als »Kurkrise« abgetan und ihr Valium angeboten.
Anfangs war es nur ein leichtes Unwohlsein. Zu Hause zeigten sich dann schwere Vergiftungserscheinungen. Erst fielen beiden die Haare aus, sie sahen aus wie Krebspatienten nach der Chemo; die Frau musste eineinhalb Jahre lang eine Perücke tragen. Bei beiden lösten sich sämtliche Fuß- und Fingernägel. Sie klagte über Gefühllosigkeit an den Füßen, starke Kopfschmerzen, Krämpfe und Sehstörungen. Der Mann hatte stark abgenommen, wog nur noch 60 Kilo.
Der Betreiber des Sanatoriums wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt zu 3000 Euro Strafe.
Das als Nahrungsergänzung vorgesehene Pulver war das Spurenelement Selen. »Mir ist bewusst, dass man sich damit ohne weiteres umbringen kann«, sagte der Arzt und Sanatoriumsleiter.
Natürlicherweise enthalten Paranüsse sehr viel Selen. Gute Lieferanten sind auch andere Nüsse, Leber, Muskelfleisch und Fisch, Erbsen, Bohnen, Linsen. Wegen der großen Unterschiede im Selengehalt der Böden schwankt der Selengehalt in Lebensmitteln allerdings stark.