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Pudel, Prof. Volker

Der Göttinger Professor Volker Pudel (1944 - 2009) zählte zu den einflussreichsten deutschen Ernährungsexperten. Er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE),  Berater der deutschen Bundesregierung, gefragter Interviewpartner der Medien, und er kooperierte mit Firmen. In Sachen Interessenkonflikte wirkte Pudel stilbildend,  hat auch sein Engagement für Wissenschaft und Wirtschaft früh verbunden, so unter anderem als Filialleiter des mittlerweile zum Nestlé-Konzern gehörenden Abspeckunternehmens Optifast an seiner Hochschule.

 

Pudels Hauptthema war das Übergewicht; er war einer der führenden Vertreter des Kampfes gegen das Fett, galt als »Fettaugenexorzist« (Der Spiegel). Er vertrat die These »Nur Fett macht fett« noch zu einer Zeit, als unabhängige Fachwissenschaftler dies längst als Irrglauben widerlegt hatten.

 

Zugleich kommt ihm das Verdienst zu, die schädlichen Effekte von Zucker noch zu einer Zeit geleugnet zu haben, da wissenschaftliche Belege für dessen Rolle bei der Entstehung von Übergewicht, der Zuckerkrankheit Diabetes, ja sogar Krebs kaum zu übersehen waren.

 

Wegweisend war ein Kongress im Jahre 1998 in Freiburg zur Verteidigung von Zucker und Süßwaren, der »mit freundlicher Unterstützung des Lebensmittelchemischen Institutes der Deutschen Süßwarenindustrie« veranstaltet wurde.

 

Ergebnis des Kongresses: Es gebe überhaupt »keinen Zusammenhang zwischen dem derzeit üblichen Zucker und Süßwarenkonsum und irgendwelchen Erkrankungen«.

 

 »Weder Übergewicht, Diabetes mellitus oder andere ›lifestyle-related‹-Krankheiten noch eine Unterversorgung mit essentiellen Nährstoffen könnten heute dem Konsum von Zucker angelastet werden«, so das Fazit in dem Tagungsband aus dem renommierten  Thieme-Verlag („Süßwaren in der modernen Ernährung. Ernährungsmedizinische Betrachtungen“).

 

Pudel verkündete dort, es gebe »überhaupt keinen Hinweis, dass der Verzehr süßer Nahrungsmittel mit dem Übergewicht in Beziehung steht«. Im Gegenteil: Dicke Menschen nähmen gerade wenig Süßes zu sich.

 

Er war ein großer Freund des Süßen. Pudels Kernsatz war der von den Gummibärchen: »Wer abnehmen will, kann so viel Gummibärchen essen, wie er will.« Oder: »Wenn man sich nur von Gummibärchen ernähren will – no problem.« Denn, so die eigenwillige Begründung: Gummibärchen enthielten kein Fett und könnten deshalb gefahrlos genascht werden.

 

Bei den Medien stieß er mit dieser Sicht der Dinge auf vorbehaltlose Zustimmung: »Wie süß!«, titelte damals das Magazin der Süddeutschen Zeitung (SZ), und verkündete: »Die Sensation: Zucker macht nicht dick.« Der Zuckerfreund mit Professorenhut: "einer der wenigen seiner Zunft, die man guten Gewissens zitieren kann", schwärmte der Medizinmann des Blattes.

 

Pudel war bis außerplanmäßiger Professor an der Universität in Göttingen, er war aber auch Mittelpunkt eines kleinen privaten Diät-Imperiums. So war er der Erfinder der sogenannten »Pfundskur«. Bei dieser Abspeck-Kampagne der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und Rundfunkanstalten treffen sich Hunderttausende beim Kampf gegen den Speck in kleinen Zirkeln »zum Gruppenwiegen und Fettaugenzählen« (Der Spiegel).

 

Der Hochschullehrer schlug sogar in einem ganzen Buch die Werbetrommel für Xenical, die Schlankheitspille des Pharmariesen Roche: »Weg mit dem Fett! Der neue Weg, um satt abzunehmen«.

 

An seiner Ernährungspsychologischen Forschungsstelle logierte auch das »Optifast-Zentrum Göttingen an der Georg-August-Universität«. Auf der Internet-Homepage grüßte freundlich mit Foto Professor Pudel.

 

Optifast ist eine international verbreitete Marke, die bis 2006 zum Schweizer Novartis-Konzern gehörte und vom weltgrößten Nahrungs-Multi Nestlé übernommen wurde.

 

Pudels Erbe dort hat sein Nachfolger Thomas Ellrott angetreten, ein gelehriger Schüler, der auch Mitglied ist im Nestlé „NGO- und Experten-Beirat“, als Studienautor für den Konzern wirkt, und Mitglied ist im Wissenschaftlichen Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Den sogenannten "Bürgerrat Ernährung" der deutschen Bundesregierung betreut und begleitet er im "Wissenschaftlichen Beirat".