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Sulfite

Die sogenannten Sulfite zählen zu den gefährlichsten Zusatzstoffen in industrieller Nahrung. Die Chemikalien auf Schwefelbasis stecken in tausenden von Produkten, von Colagetränken über industrielles Kartoffelpüree und getrocknete Früchte sowie Pilze bis hin zu Wein. Sogar die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa sieht ein „Sicherheitsrisiko“ durch die hohen Verzehrmengen und fordert strengere Vorschriften. Sie warnt vor möglichen Risiken für Allergiker bis hin zum möglicherweise tödlichen Schock, aber auch, bei Freunden industrieller Nahrung, fürs Gehirn, das „zentrale Nervensystem“, und Schäden für die geistige Leistungsfähigkeit. Wegen möglicher Folgen dieser Schwefelzusätze für das sogenannte Mikrobiom im Darm drohen weitere Gesundheitsrisiken bis hin zu Herzinfarkt und Krebs.

 

Auch bei chronischen Darmentzündungen (Colitis ulcerosa sowie Morbus Crohn) können sie eine Rolle zu spielen, ebenso bei Blinddarmentzündung. Und dem weit verbreiteten Reizdarm, der neuen Volkskrankheit, an der nach Schätzungen  15 Prozent aller Menschen auf der Welt leiden sollen, hierzulande über 12 Millionen.

 

Schwefelverbindungen sind auch in natürlicher Nahrung und sogar im menschlichen Körper enthalten. Als Konservierungsstoff etwa für Wein sind sie seit der Antike gebräuchlich. Zum gravierenden Problem für die Gesundheit werden sie durch den massenhaften Konsum in industriellen Nahrungsmitteln.

 

Sie stecken zum Beispiel als Farbstoffe in Softdrinks wie Coca-Cola, auch in Whisky und Aceto Balsamico, unter den E-Nummern 150b („Sulfit-Zuckerkulör“) und 150d  („Ammoniumsulfit-Zuckerkulör“). Sie können sogar ohne Obergrenze eingesetzt werden. Und ohne Kennzeichnung, zum Beispiel als Trägerstoffe für Enzyme.

 

Am wichtigsten aber sind die schwefelhaltigen Konservierungsstoffe mit den E-Nummern 220 bis 228. Deren Namen kennen wohl die wenigsten. Viele aber schlucken sie: 44,8 Prozent der Konsumenten zum Beispiel den Zusatz mit der Bezeichnung Kaliummetabisulfit (E224), wie eine große französische Untersuchung ergeben hatte.

 

Für 40 Lebensmittelgruppen sind diese „Schwefeldioxid-Sulfite“ (E220 bis 228) nach Angaben der EU-Nahrungsbehörde Efsa zugelassen. Genau 9.129 Produkte führen diese Zusätze auf dem Etikett, gemäß einer Industrie-Datenbank.

 

Neben dem Kartoffelpulver für Brei und Knödel und den beliebten Trockenfrüchten wie Aprikosen und Apfelringen sind viele andere Produktgruppen mit Schwefelzusätzen konserviert: Laut Efsa-Liste etwa Dressings und andere industriell hergestellte Saucen, Fertiggerichte, eingelegte Gewürze, Fisch- und Fleischprodukte, süße und salzige Kekse, Vorspeisen und Häppchen, verarbeitetes Gemüse, Snackmischungen, Kuchen, Gebäck und andere Süßwaren. Sogar vermeintlich gesunde Müsli- und Energieriegel.

 

Die Gesundheitsbedenken konzentrierten sich bislang vor allem auf mögliche Unverträglichkeitsreaktionen wie das sogenannte Sulfit-Asthma. Mit zunehmenden Erkenntnissen über die Bedeutung des sogenannten Mikrobioms, also der Bakteriengemeinschaft im menschlichen Darm, geraten auch aber auch weitere Folgen ins Visier der Forscher.

 

Denn die gesamte Nahrung landet natürlich im Bauch. Und die darin enthaltenen Schwefelzusätze füttern dort bestimmte Bakterien. Diese vermehren sich dadurch prächtig – und lösen dramatische Veränderungen aus.

 

Zu einer regelrechten „Blüte“, wie die Forscher sagen, führen solche Zusätze zum Beispiel bei Schwefelfresserbakterien vom Typ Desulfovibrio. Die aggressiven Kleinstlebewesen sind bei Ölbohrfirmen gefürchtet, weil sie Pipelines von innen her anfressen können. Im menschlichen Verdauungstrakt können sie die Darmwand angreifen und durchlässig machen („Leaky-Gut-Syndrom“).

 

Sie produzieren zudem ein stinkendes Gas namens Schwefelwasserstoff (H2S), das früher nur als Giftgas bekannt war – bis Forscher (überraschenderweise erst im Jahr 1996) entdeckten, dass es im Körper als gasförmiger Botenstoff  („Gasotransmitter“) wichtige Funktionen erfüllt, von der Blutdrucksenkung bis zur Steuerung des Nervensystems. Weshalb es im Übermaß dramatische Folgen haben kann.

 

Die wachsenden medizinischen Erkenntnisse über die Bedeutung der Vorgänge im Verdauungstrakt führten zu der Einsicht, dass die Ursache von Krankheiten zumeist hier zu finden ist. „Das Mikrobiom ist an fast allen physiologischen Prozessen und damit de facto auch an nahezu allen Krankheiten beteiligt“, sagt ein maßgeblicher deutscher Experte auf diesem Feld, Professor Stephan Rosshart. 

 

Kein Wunder also, dass auch die Verheerungen im Verdauungstrakt, die durch Sulfite und die schwefelfressenden Bakterien ausgelöst werden, bei zahlreichen Krankheiten eine Rolle spielen können. Ein wissenschaftliches Fachjournal hat sie aufgelistet:

 

Herzinfarkt

Krebs

Leberkrankheiten

Nierenleiden

Autoimmunkrankheiten

Periodontitis

Metabolisches Syndrom

Reizdarm

Bakteriämie

Autismus

Morbus Parkinson

 

Der Schutz von Verbrauchern vor den gefährlichen Zusatzstoffen wird erschwert durch den Umstand, dass das genaue Ausmaß der Bedrohung auch den Behörden nicht bekannt ist.

 

Denn niemand weiß, wie viel die Konsumenten genau verzehren. Auch die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa ist auf Schätzungen angewiesen. Sie geht davon aus, dass vor allem Vielverzehrer industrieller Nahrung gesundheitliche Schäden davontragen können.

 

Schon vor Jahrzehnten lagen vor allem Kinder weit über den ungefährlichen Limits.

 

Die letzte Erhebung der Europäischen Kommission gab es im Jahr 2001. Damals kam heraus, dass  die Kleinen 12mal so viel schlucken wie gut für sie ist. Neuere Zahlen gibt es nicht. Trotz einer EU-Vorgabe werden die Konsummengen nicht erhoben. Vor allem die deutschen Behörden sträuben sich seit Jahrzehnten dagegen, auch wegen der Industrienähe führender staatlicher Exponenten.