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04.07.2013

DR. WATSON News

Wie fanden Sie die Warnung? Ganz zufällig, unten auf der Packung: Becels diskrete Hinweise auf dem Becherboden.
© Joachim E. Röttgers/Graffiti

Voll ins Herz: Becel als Bratöl

Trotz nachgewiesener Herzschäden: Unilever setzt weiter auf umstrittene Zusätze

Der Hersteller der angeblichen Herzschutzmargarine Becel pro.activ setzt weiter auf die umstrittenen Zusätze zur Cholesterinsenkung, trotz Warnungen der Behörden vor Schäden, insbesondere fürs Herz, und eines anhängigen Gerichtsverfahrens wegen fragwürdiger Werbebehauptungen. Jetzt will Hersteller Unilever auch noch Margarine zum Braten und Kochen sowie flüssige Margarineprodukte auf den Markt bringen. Die Produkte seien „sicher“. Auch die Werbung geht weiter.

Die umstrittenen Zusätzen, sogenannte Phytosterine, senken den Cholesterinwert – können sich aber auch in den Blutbahnen ablagern und damit Herzschäden erst hervorrufen, was natürlich vor allem für die Verbraucher prekär ist, die das Produkt kaufen, um ihrem Herz Gutes zu tun.

Doch Becel-Hersteller Unilever will das Geschäftsfeld nicht aufgeben – und es im Gegenteil sogar noch weiter ausbauen. Der britisch-niederländische Food-Gigant reichte jetzt bei der britischen Behörde für Lebensmittel den Antrag auf Zulassung für flüssige, phytosterolhaltige Pflanzenfette zum Kochen und Backen ein. In seinem Antrag verweist Unilever auf positive Statements der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa.

Tatsächlich hatte die Efsa der angeblichen Herzschutzmargarine sogar ihren Segen erteilt. Die Efsa-Experten konnten nichts Schädliches an den Unilever-Cholesterinsenkern finden – die wissenschaftlichen Nachweise über Ablagerungen in Blutbahnen und Herz hatten sie, ausweislich der Literaturliste, schlicht ignoriert. Tatsächlich wurden die herzschädigenden Wirkungen in den letzten Jahren in zahlreichen Studien nachgewiesen, etwa im Jahr 2008, 2010 oder 2011.

Der Leipziger Professor Daniel Teupser warnt sogar aufgrund eigener Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Margarine-Zusätzen und erhöhtem Risiko für Herzinfarkt: "Nach den Ergebnissen unserer Studie raten wir davon ab, vorbeugend ungezielt Lebensmittel zu konsumieren, die mit Zusatzstoffen wie pflanzlichen Sterolen angereichert sind."

Doch die vermeintlichen Herzschutzprodukte werden weithin unkontrolliert verzehrt – unabhängig vom Cholesterinspiegel, in vielen Familien sogar von kleinen Kindern, wie eine Studie ergab. Nach der Maragrine kamen 2004 außerdem Joghurt- und Milchprodukte als Cholesterinsenker hinzu.

Becel Hersteller Unilever wirbt weiter für die umstrittenen Produkte – und darf sogar mit richterlichem Segen behaupten, aus „wissenschaftlicher Sicht“ gebe es „keinen Hinweis darauf“, dass der Verzehr solcher Produkte „mit Nebenwirkungen in Verbindung zu bringen ist.“ Das ist zwar falsch, schließlich gibt es viele derartiger Hinweise – doch das Hamburger Landgericht sah es als „zulässige Meinungsäußerung an“ und erteilte mit seinem Urteil vom 14. Dezember 2012 sozusagen die Lizenz zum Lügen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch legte Berufung ein.

Die sogenannten Phytosterine, auch Phytosterole genannt, kommen auch in der natürlichen Nahrung vor – werden aber vom Körper gemeinhin zuverlässig ausgeschieden. Die cholesterinsenkende Wirkung entsteht, weil in den angeblichen Herzschutzprodukten erhebliche Übermengen enthalten sind.

Und die Verzehrsmengen bei den Menschen, die ihr Herz schützen wollen, steigen stetig: In der Europäischen Union zugelassen für Margarine, Joghurt, Milch- und Sojagetränke, Salatdressings, Käse, Gewürzsaucen und Roggenbrot.

Auch Konkurrent Danone hatte versucht, aus angeblichen Herzschutz-Produkten Profit zu schlagen, und setzte große Hoffnungen in die Marketing-Kampagne. Doch namhafte Fachleute bleiben auf Distanz. Ein Workshop etwa in einem Hamburger Luxushotel, der eigentlich der Verkaufsförderung zur Markteinführung dienen sollte, endete desaströs.

50 Wissenschaftler aus der ganzen Republik waren eingeladen, Professoren von den angesehensten Universitäten, Kliniken und Forschungseinrichtungen. Danone hatte sogar einen Journalisten gebucht, der für eine Medizinerzeitschrift darüber schreiben sollte.

Am Schluss stellte ein angesehener Hamburger Herzspezialist die einfache Frage, wer von den Anwesenden die angepriesenen Zutaten zur Cholesterinsenkung „selbst nehmen oder empfehlen“ würde. Doch es rührte sich keine Hand. Niemand aus der erstklassig besetzten Runde würde sich für so etwas einsetzen. Ein Reinfall. Danone hängte es natürlich auch nicht an die große Glocke, der eigens angeheuerte Journalist durfte für das Medizinerjournal nichts schreiben.

Der Verkauf läuft nach Branchenberichten schleppend.

Mehr über die Gesundheitsstrategien der Food-Konzerne:

Hans-Ulrich Grimm
Vom Verzehr wird abgeraten.
Wie uns die Industrie mit Gesundheitsnahrung krank macht
Droemer Verlag
320 Seiten Klappenbroschur € 18,00
ISBN 3-426-27556-2
ISBN 978-3-426-27556-6