Auf der Suche nach dem Geheimnis des langen, gesunden, glücklichen Lebens hat Hans-Ulrich Grimm auch die „Blaue Zone“ auf Sardinien besucht. In diesen Orten, malerisch gelegen hoch oben überm Meer, werden die Menschen so alt wie nirgendwo sonst auf der Welt. Was können wir von ihnen lernen?
Hans-Ulrich Grimm hat mit ihnen gesprochen, und auch mit Professor Gianni Pes, der die „Blaue Zone“ entdeckt hat, als er alle Orte auf der Insel mit blauem Stift markierte, in denen besonders viele Hundertjährige leben.
Seither gibt es die „Blauen Zonen“, hier und in anderen Regionen der Welt.
Was machen die Menschen da anders als anderswo? Was können wir von ihnen lernen?
Klar, die Ernährung: sie spielt auch hier eine ganz zentrale Rolle.
Für die Blaue Zone in Sardinien ist es naheliegenderweise die berühmte mediterrane Ernährung, die Medizinern mittlerweile als »Goldstandard« gilt, also die beste Wahl, wenn es um die Gesundheit geht.
Wobei die Sarden natürlich ihre eigenen Spezialitäten haben, sagt Professor Pes von der Universität von Sassari im Nordwesten der Insel, ein eher kleiner, humorvoller, sympathischer Mensch, der seine Problemzone in der Körpermitte beklagt, und beim Lunch natürlich trotzdem das Hähnchen bestellt (Pollo delicato), und danach noch ein Dessert.
»Es gab viele Diskussionen darüber«, sagt der Professor, »ob die sardische Ernährung als mediterran angesehen werden sollte. Aus meiner Sicht ist es eine Variante der mediterranen Ernährung. Weil es ja davon nicht nur eine einzige Form gibt, sondern viele...«
„... je nachdem, ob die Leute im Libanon leben, oder in Syrien, Ägypten, Griechenland, Italien oder Spanien ...“
Professor Pes: »Deshalb ist mediterrane Ernährung der Oberbegriff für all diese Formen der Ernährung in den Ländern rund ums Mittelmeer.«
„Und daneben gibt es ja noch die anderen Formen traditioneller Ernährung, die nordische, die chinesische, die brasilianische: keine Chemie, viel Gemüse, wenig Fleisch, allerhöchstens am Sonntag ..“.
Professor Pes: »Hier haben die Leute vor 50 oder 60 Jahren Fleisch vielleicht einmal oder zweimal im Monat gegessen. Also alle zwei Wochen mal. Nicht so wie heute, wo es jeden Tag Fleisch gibt. Sie haben Fleisch vor allem zu besonderen Gelegenheiten gegessen, an den Festen. Ihre Ziegen und Schafe haben die Schäfer in der Blauen Zone nur sehr selten getötet, weil sie ja Teil des Vermögens waren, sehr wertvoll, für die Milch, den Käse.«
Sechs Dörfer sind es insgesamt, die zur Blauen Zone gehören, die meisten von ihnen liegen ganz oben, kleben förmlich am Berg, darüber die Hochebene, eine gigantisch weitläufige Fläche, da weiden die Ziegen und Schafe, aber auch Rinder und Pferde.
Es ist eine Landschaft, die auf eine seltsame Weise einerseits sehr abgeschlossen ist und andererseits offen. Und sie leben hier eine besondere Form der Gemeinschaft, in der Familie und darüber hinaus: Wenn jemand von den „Centenari“ stirbt, den Hundertjährigen, dann ist es ganz normal, dass in einem 1200-Einwohner-Dorf 3000 Trauergäste zur Beerdigung kommen.
Professor Pes: „Die familiären Bindungen sind viel stärker in den Bergen als in den anderen Teilen Sardiniens. In der Blauen Zone ist es eine Art archaische Gesellschaft. Das ist vermutlich ein Relikt aus einer altertümlichen Lebensweise, die anderswo längst untergegangen ist.“
„Die aber offenbar lebensverlängernd wirkt.“
Professor Pes: „Diese Menschen werden nicht mit 80 Jahren aufgegeben. Hier gibt es Familien mit vier oder zum Teil fünf Generationen, die zusammenleben. Diese Multigenerationenfamilien können stärkere emotionale Gefühle genießen. Wenn Sie nicht nur mit Ihren Kindern zusammenleben, sondern auch mit Ihren Enkeln und vielleicht sogar Urenkeln. Jüngere Menschen, die Sie um sich herumhüpfen sehen, machen Sie glücklicher.“
Was können wir lernen von diesen Multigenerationenfamilien? Solche traditionellen Bindungen sind im globalisierten 21. Jahrhundert schwer zu erhalten. Aber: Sie können ganz neu geknüpft werde, auch in ganz anderen Weltgegenden, sogar in Asien, Japan und Singapur, sagt Professor Pes: Dort „haben sie Multigenerationenhäuser gebaut. Mit vielen Familien, die älteren Leuten erlauben, mit Kindern zusammen zu sein“.
„Ein Architekturmodell für Familien ohne Blutsbande.“
Professor Pes: „Ja, und ich bin sehr glücklich, weil eines der Dekrete der Regierung von Singapur sich auf die Blauen Zonen bezogen haben, auf ein Konzept, das wir entwickelt haben, wurde übernommen von einer ausländischen Regierung!“
„Super.“
Professor Pes: „So habe ich meinen...“
...Platz in der Geschichte...
Professor Pes: „...gefunden“ (platzt fast vor Stolz).
Das war jetzt vielleicht nur ein bisschen gespielt von ihm, man weiß ja nie genau, wann er Witze macht über sich selber.
Die heitere Grundeinstellung ist übrigens auch so ein Merkmal der Blauen Zone hier. Schon die alten Männer auf der Piazza: Sie lachen, machen Witze – und wappnen sich so gegen Krankheiten und Zipperlein. Denn, kein Witz: Lachen kann Ihr Leben verlängern. Es hat für den Körper offenbar ähnlich positive Effekte wie Bewegung, wie amerikanische Lachforscher herausgefunden haben, und soll angeblich die Körperfunktionen verbessern.
Was der Volksmund natürlich längst wusste: Lachen ist bekanntlich „die beste Medizin.“
Echtes Essen: Der Anti-Aging-Kompass.
Das Buch, das die Wege zeigt zum längeren, gesünderen und glücklicheren Leben.
Was wir wissen müssen. Was zu tun ist. Und was wir lieber lassen. Wenn uns das Leben lieb ist.
Hans-Ulrich Grimm:
Echtes Essen. Der Anti-Aging-Kompass
Wie wir jünger und gesünder bleiben
Droemer Verlag 2019, 336 Seiten
ISBN: 978-3-426-27643-3
19,99 Euro