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06.02.2006

DR. WATSON News

Gift fürs Gehirn: Glutamat in Überdosis. 1,7 Millionen Tonnen werden jährlich der Nahrung zugesetzt, ein Drittel davon von Weltmarktführer Ajinomoto.
Joachim E. Röttgers

Macht Glutamat dick?

Geschmacksverstärker stört Gewichtsregulation im Gehirn

Der Geschmacksverstärker Glutamat kann zu Übergewicht führen. Der Zusatzstoff stört nach einer neuen Studie die Abläufe in bestimmten Gehirnregionen, die für die Regulierung der Nahrungsaufnahme zuständig sind. Eine internationale Wissenschaftlergruppe um Prof. Michael Hermanussen von der Universität Kiel empfiehlt daher den Behörden, die Zulassung des Nahrungszusatzes zu überprüfen.

?Der Zusatz von Glutamat kann zu Gefräßigkeit führen?, so Prof. Hermanussen gegenüber DR. WATSON. Bei seiner Untersuchung, die in der Januarausgabe der Wissenschaftszeitschrift ?European Journal of Clinical Nutrition? erschienen ist, zeigten die Versuchstiere ein deutlich verändertes Fressverhalten: Unter Glutamat-Einfluss fraßen sie fast doppelt so viel wie ohne.

Ein weiteres Indiz für den Einfluss von Glutamat auf die Nahrungsaufnahme und somit das Übergewicht ist für Hermanussen, dass übergewichtige Patienten durch ein Medikament, das die Glutamat-Rezeptoren im Gehirn blockiert, deutlich weniger verzehrten. Hermanussen: ?Die fangen am Morgen an und sind schon am Abend weniger hungrig?. Seine Patienten hätten binnen zwei Monaten zwischen sieben und 15 Kilogramm abgenommen.

Das Medikament namens Memantine, das eigentlich als Alzheimer-Arznei gedacht ist, ist allerdings nicht ohne Risiko: ?Häufige Nebenwirkungen? sind nach Herstellerangaben Halluzinationen, Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Der Hintergrund: Glutamat ist einer der wichtigsten Botenstoffe im Gehirn, der zahlreiche Körpervorgänge steuert. Wenn die Glutamat-Aufnahme blockiert wird, kann das ebenso störend wirken wie die übermäßige Aufnahme etwa durch den Geschmacksverstärker in der Nahrung.

Glutamat ist in vielen Lebensmitteln von Natur aus enthalten, etwa in Parmesan, Sojasauce, Tomaten, ja sogar in der Muttermilch. In der Nahrungsindustrie ist Glutamat der wichtigste Zusatz, es verleiht auch Rohstoffen von minderer Qualität einen gewissen Geschmack. Die eingesetzte Menge hat sich seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts vervielfacht und liegt jetzt bei jährlich 1,7 Millionen Tonnen weltweit.

Der Anstieg hat nach Ansicht von Glutamat-Kritikern vielfältige Folgen für die Gesundheit. Unter anderem kann es im Übermaß zu Hirnschäden führen, wie zahlreiche Untersuchungen ergaben. Auch bei sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder auch Parkinson kann Glutamat eine Rolle spielen.