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15.12.2022

DR. WATSON Kommentar

Europa als Korruptionsparadies

Hohe Schule des Lobbyismus: Die Foodkonzerne, die EU und das Ungesunde

Eva im Garten Eden: PR-Video mit der gefallenen Vizepräsidentin des EU-Parlaments
Screenshot: Youtube

Geld aus Koffern, Säcken, Beuteln: Der aktuelle Bestechungsskandal, seine plumpen Methoden - und wie sich moderne Lobby-Agenten in der EU die Macht sichern.



Es sind Bilder wie aus einer Bananenrepublik: Bündel voller Geld, sichergestellt durch die Polizei, Korruption im großen Stil, mit Millionen aus dem Morgenland, und einer schönen Hauptverdächtigen, die zuvor auch noch in einem PR-Video posiert hatte, verführerisch mit rotem Apfel, Titel: „Eva im Garten Eden der EU“.

 

Eva Kaili, Sozialdemokratin, griechische Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, steht im Zentrum eines spektakulären Korruptionsskandals. Und weist die Vorwürfe zurück.

 

Eva im Korruptionsparadies

 

Europa: das Korruptionsparadies? Klingt natürlich plump, und wirkt auch so, mit Geldscheinen in Säcken, Taschen, sogar klassisch im Koffer.

 

Dabei sind solche Praktiken, die der - mittlerweile abgesetzten - sozialdemokratischen Vizepräsidentin und ihren Kollaborateuren vorgeworfen werden, eher Old School.

 

Die Hohe Schule der Korruption sieht heute ganz anders aus. Auch die Geldflüsse gestalten sich anders – zum Vorteil der Begünstigten, zum Nachteil der Steuerzahler.

 

DR. WATSON beschäftigt sich damit seit langem. Doch die herrschenden Medien wollten sich lange nicht dafür interessieren. Schließlich gilt ihnen das vereinigte Europa ja als Weg aus den Niederungen böser Nationalismen. Und alles, was den Strahlenglanz trüben könnte, wird lieber ausgeblendet. So lange es eben geht.

 

Die allgegenwärtige Korruption, zum Beispiel.

 

Korruption, sagen die Kämpfer von Transparency International, „ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“

 

Verderben, verführen, bestechen

 

Korruption kommt bekanntlich vom lateinischen corrumpere, was so viel bedeutet wie verderben, verführen, bestechen.  

 

1,5 Millionen Euro haben die Fahnder mittlerweile sichergestellt, im aktuellen Korruptionsskandal um die griechische Sozialdemokratin und ihre Komplizen.

Bündel mit Barem: Polizei präsentiert Bestechungsgeld für EU-Politgrößen.

Der Einsatz von Macht zu eigenen Zwecken: Da sind die supranationalen Institutionen natürlich ideale Ziele von Einflussnahme, schließlich verfügen sie über ungemein viel Macht, konzentriert an wenigen Stellen.

 

Und mittlerweile haben sie die Mechanismen der Korruption auch weiter kultiviert – und optimiert. Der Einsatz von Geldkoffern ist da weithin entbehrlich – und mehr noch: das Geld fließt heute sogar meist in die andere Richtung. Von Staat nach Privat. Von den Steuerzahlern an die Konzerne.

 

Foodkonzerne: Hohe Schule des Lobbyismus

 

Vor allem die Nahrungsindustrie hat die Chance gern genutzt, die Politik auf einem ganzen Kontinent in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ist auch viel einfacher und effizienter, an zentraler Stelle in Brüssel einzugreifen, als in dutzenden von Nationalstaaten.

 

Sie konnten mitwirken und gestalten, im Sinne ihrer Produkte und Profite, zum Nachteil des Publikums, der Bevölkerung in den Mitgliedsstaaten. Mit freundlicher Unterstützung der EU-Entscheidungsträger. Sie wurden in Brüssel sogar noch freundlich eingeladen, oft zum Missfallen der staatlichen Behörden in Mitgliedsstaaten.

 

Es sind Süßkonzerne wie Mondelez (Milka, Oreo, Chips Ahoy, Ritz), wie Pepsi und Südzucker, es sind Food-Multis wie Unilever und Danone, auch Chemiekonzerne wie BASF, Bayer, Dow, der Vitamin-Weltmarktführer DSM, der Glutamat-Weltmarktführer Ajinomoto, außerdem Aroma-Weltmarktführer Givaudan.

 

EU: Schutzmacht des Ungesunden

 

Es sind mithin ausgerechnet die Hersteller des Ungesunden, die sich bei der Europäischen Union besonderer Begünstigung erfreuen. Und ihren Einfluss geltend machen können, bei der Nahrungspolitik in der Europäischen Union. Säcke voller Geld brauchen sie dafür gar nicht. Ganz im Gegenteil: Sie bekommen es, überwiesen, aus den EU-Steuerkassen. Und hochqualifiziertes Personal gibt es noch gratis dazu.

 

Möglich macht das eine schlagkräftige Lobbytruppe der globalen Nahrungsindustrie, die sich bei den Entscheidungsträgern der Europäischen Union ganz besonderer Begünstigung erfreut: das International Life Sciences Institute (Ilsi).

 

Der Lobbyclub mit dem harmlosen Namen beeinflusst weltweit die politische Agenda, bis hin zu der Gestaltung von Ernährungsrichtlinien, und genießt in der EU seit langem exklusive Nähe zur Macht und maßgeblichen Einfluss auf die Nahrungspolitik.

 

Ausgerechnet die Hersteller des Ungesunden. Sie wurden von der Europäischen Union mit offenen Armen aufgenommen. Ihre Lobbytruppe darf sogar offizielle EU-Projekte organisieren und in die gewünschte Richtung lenken.

 

Und das Allerschönste: Die Konzernleute müssen gar nicht mit dem Geldkoffer anreisen. Sie brauchen das Geld nicht einmal ausgeben – sie dürfen es annehmen! Denn sie werden für ihre Interessenspolitik sogar noch finanziell untertstützt – von den Europäischen Steuerzahlern!

 

Das Geld kommt vom Steuerzahler

 

Sogar den Etat der Konzern-Lobbytruppe Ilsi übernehmen großteils wir Steuerbürger.

 

Und: Wir finanzieren sogar freigebig das Personal für die Führungsebene, hochrangige Forscher beispielsweise, wie den Hohenheimer Professor Stephan C. Bischoff und die Münchner Professorin Hannelore Daniel.

 

Sie betreiben bei Ilsi die Interessenspolitik der Konzerne, alimentiert vom deutschen Steuerzahler, inklusive Pensionsberechtigung, ausgeliehen gewissermaßen an die Lobby, für die sie Arbeitszeit und Energie aufwenden.

 

Sogar der oberste Ernährungsforscher der deutschen Regierung, Chef einer millionenschweren Bundesbehörde, war jahrelang in doppelter Mission unterwegs: bezahlt aus Steuermitteln, beschäftigt mit Lobbypolitik zugunsten der Konzerne.

 

Und das alles ganz ohne Heimlichtuerei, mit offizieller Billigung, ja Förderung von Politik und Regierungen. Und nach eigener Aussage ohne jegliche Bezahlung durch die Lobbytruppe.

 

Es sind wichtige Projekte der Europäischen Union, die unsere EU-Repräsentanten der Konzern-Lobby übertragen haben. Da geht es um Vitamine, da geht es um Lebensmittelsicherheit, die Zukunft der Ernährung.

 

Tarnorganisation für Desinformation

 

Sogar die Öffentlichkeitsarbeit dürfen die Konzerne betreiben, PR in ihrem Sinne, aber auf Steuerzahlers Kosten: Mit einer Tarnorganisation, die wie eine offizielle EU-Institution erscheint, dem „Europäischen Lebensmittelinformationsrat“ (European Food Information Council, kurz EUFIC).

 

EUFIC ist sozusagen eine getarnte Spezialeinheit für interessensgeleitete Desinformation, getragen ebenfalls von den Produzenten des Ungesunden wie Pepsi Cola, Ferrero und Mars, Nestlé, Unilever  und sogar dem Köttbullar-Giganten Ikea.

 

Und: Eufic ist ein Musterbeispiel für die neue Form von Lobbyismus, bei dem die Steuerzahler die Kosten für die Kampagnen der Konzerne übernehmen müssen.

 

Die Firmen, die da in Europa ihre Interessen vertreten, die Politik betreiben, festlegen, was gesund ist und was schädlich, die die Gesetzesvorlagen liefern für das, was erlaubt ist und was verboten, sie müssen da gar nicht mehr viel Geld aufwenden. Das Geld kommt von der Europäischen Union, den Mitgliedsländern, dem Steuerzahler.

 

Eufic wirkt auch mit bei EU-Projekten, die von der Konzern-Lobbytruppe International Life Sciences Institute (Ilsi) getragen werden.

 

Und auch bei der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa sind die Experten oft mit Ilsi und den Konzernen eng verbandelt: »Wenn wir alle Experten ausschließen würden, die Geld von der Industrie bekommen haben, hätten wir bald gar keine mehr«, seufzte einmal eine Efsa-Exekutivdirektorin.

 

Korruption als EU-Kernkompetenz

 

Korruption gehört also zur EU-Kernkompetenz, der einträchtige und einträgliche Umgang von Konzernen und Entscheidungsträgern zum je eigenen Nutzen. Für die Konzerne ist es höchst effizient, an den entscheidenden Rädchen im Getriebe zu drehen. Und für die EU-Entscheidungsträger ist es sehr bequem, einfach die Konzern-Agenten einzusetzen, statt sich mit Amtsträgern in 28 Mitgliedsländern herumzuschlagen.

 

Und es stört sich ja auch niemand daran: Die herrschenden Medien haben sich dafür nie so richtig interessiert. Kritik an EU-Praktiken ist verpönt, seit den Possen um den Krümmungswinkel von Gurken und die Dicke von Bananen.

 

Jetzt sieht es plötzlich ganz anders aus. Nicht nach Bananenpingelei, sondern nach Bananenrepublik. Und viel Geld für eine Gurkentruppe.

 

Jetzt können sie es nicht mehr ignorieren, zu offensichtlich der strenge Geruch nach Korruption aus den Geldsäcken, das luxuriöse Leben der Begünstigten.

 

Wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, auch die anderen, fest etablierten Mechanismen von Korruption zu durchleuchten.

 

Immerhin: Sogar manchen Konzernen ist es offenbar schon zu unappetitlich geworden. Ilsi-Gründungsmitglied Coca-Cola hat sich schon aus dem Staub gemacht. Und auch das Premium-Mitglied Nestlé ist auf Distanz gegangen. Sie haben offenbar gespürt, dass in einer zunehmend moralistischen Welt solche anrüchigen Kungelformate eigentlich keinen Platz mehr haben.

 

Nur die Polit-Größen aus EU und Bundesrepublik Deutschland, sonst weltweit führend in Moralstandards, halten weiter daran fest, stützen und ermöglichen die korrupten Praktiken, zugunsten der Hersteller des Ungesunden, zu Lasten der Konsumenten, der Steuerzahler und ihrer Gesundheit.

 

Dabei sind nicht nur prall gefüllte Geldsäcke eine Gefahr für Demokratie, sondern auch die unkontrollierte Macht bevorzugter Lobbygruppen, die auch noch mit Staatsknete finanziert werden.