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Faktorenkrankheiten

Der Massenstall als Krankheitserreger: Faktorenkrankheiten sind Gesundheitsstörungen, bei denen Art und Ausmaß der Folgen nicht in erster Linie von der Gefährlichkeit der Erreger abhängen, sondern von den Umständen. Der Begriff kommt aus der Massentierhaltung: Dort können binnen Kurzem Millionen von Tieren angesteckt werden, wobei das Ausmaß der Bedrohung nicht nur mit der Gefährlichkeit des Erregers steigt, sondern auch mit den Produktionsbedingungen – je mehr Tiere zusammenleben, desto schneller wird die Krankheit übertragen, je weiter sie transportiert werden, desto weiter kann eine Epidemie reichen, desto mehr Opfer sind zu beklagen.

 

Gemeinhin gilt eine Krankheit als gefährlich, die von einem gefürchteten Erreger ausgelöst wird: Aids, Pest, Ebola. Gefährlich können allerdings auch die Umstände sein, die die Ausbreitung des Erregers erleichtern. Die Produktionsbedingungen in der Massentierhaltung zählen dazu, die Art der Haltung, die Größe der Ställe, die Fütterung.

 

Die Produktionsbedingungen der Nahrung können auch für die Menschen zum Gesundheitsrisiko werden. So hat der Stress in den Massenställen für Geflügel zur Folge, dass vermehrt Krankheitserreger gebildet werden. Dies ergab eine britische Studie. Vor allem die Bakterien vom Typ Campylobacter vermehren sich dadurch um das Zehnfache.

 

Das Zentrum für Epidemiologie und Risikobewertung der Universität Bristol fand heraus, dass Hühner unter Stress stärker mit den Campylobakter-Bakterien belastet sind. Professor Tom Humphrey und sein Team führen das auf eine erhöhte Produktion des Stresshormons Noradrenalin zurück.

 

Dieses verändere die Aufnahme von Eisen durch die Tiere und fördere damit das Mikrobenwachstum, so die Veterinäre. Auch bei den Bakterien vom Typ EHEC, an denen weltweit immer wieder vor allem Kinder sterben, stehen die Produktionsbedingungen im Hintergrund. Diese Bakterien entstehen durch artwidrige Tierhaltung: weil Rinder statt Gras getreidehaltiges Kraftfutter fressen müssen.

 

Dass die Umstände der Tierhaltung zum Gesundheitsrisiko werden, ist in der Tierindustrie bekannt: »Gerade bei einer hohen Aufstallungsdichte«, so schrieb das DGS Magazin, ein Fachblatt für Schweine- und Geflügelfabrikanten, hätten »Krankheitserreger ein hohes Potenzial, sich zu vermehren.«

 

Zudem seien die Tiere »durchschnittlich schwerer« geworden. Ein erhöhtes Wuchstempo aber schwächt die Abwehr. Bakterien haben leichteres Spiel und können sich ausbreiten – und bald dann die Menschen treffen. Und so werden auch sie zum Opfer von Faktorenkrankheiten wie Salmonellen oder Campylobacter.