Reporter auf Erdgas-Bohrinsel: Zum Heizen viel zu schade.
Nahrung aus Erdgas: klingt verrückt, ist aber schon Realität, zugelassen und genehmigt von der Europäischen Union - trotz Gesundheitsbedenken der eigenen Behörden.
An die Ernährung hat er vermutlich nicht gedacht, jener mutige Reporter vom ZDF, den seine Anstalt per Helikopter auf eine Bohrplattform in der Nordsee einfliegen ließ, wo der er dann wehenden Haares vor die Kamera trat. Seine Kernbotschaft: „Deutschland gibt Gas!“ Jetzt werden auch die Ressourcen vor unseren Küsten ausgebeutet. Und das eröffnet womöglich ganz neue Chancen für eine bizarre Innovation, die dazu beitragen soll, die Ernährung auf unserem Planeten zu sichern: Essen aus Erdgas!
Es wirkt eine Vision von Außerirdischen, von kleinen grünen Männchen (und Mädchen) aus fernen Galaxien, die aus Gas-Schwaden ihre Nahrung gewonnen. Dabei ist es schon irdische Realität, inklusive EU-Zulassung, und ein grünes Mäntelchen gibt es auch. Schließlich geht es um ein übles Klimagas, das auf diese Weise sozusagen weggefressen werden kann, von Tieren, aber auch von uns Menschen.
Das Erdgasschnitzel: Offiziell heißt es natürlich nicht so. Die Erfinder nannten es „Bioprotein“, doch der Begriff ist ein bisschen beschmutzt, nachdem offizielle Stellen Gesundheitsbedenken angemeldet hatten. Mittlerweile wurde es umbenannt, es geht ja um ein „grünes“ Image, die PR-Strategen zeigen Bilder von glücklichen Fischen, tiefblauen Ozeanen, intakter Natur, lecker Sushi und Hamburger
Zunächst soll es ein Zusatz zum Tierfutter sein, für die Aquakultur, also etwa Käfiglachse, auch für Haustiere, Hunde, Katzen, und dann auch für die „Humanernährung“, dafür hat die in globalem Maßstab operierende Gasnahrungsfirma jüngst einen neuen Manager eingesetzt, mit Dienstsitz in Deutschland.
Die Nahrungsindustrie, immer auf der Suche nach den billigsten Rohstoffquellen, gibt sich nicht mehr mit den Abfällen aus der Nahrungsproduktion zufrieden, die ein „Upgrading“ erfahren: Jetzt geht es um den Abfall aus der Energiegewinnung.
Und das kann weitreichende Wirkungen für die Weltbevölkerung haben. Es geht hier schließlich um klammheimliche, aber möglicherweise massive Veränderungen in der Nahrungskette, um absurde, aber profitable Produkte, mit denen die Menschheit aus der Linie der Evolution ausschert. Nahrung, die aus Gas gewonnen wird, über spezielle Bakterien geleitet, die daraus Proteine herstellen.
Klingt jetzt natürlich nicht sehr appetitlich. Der Mensch reagiert instinktiv mit Abwehr. Schließlich ist so etwas auch nicht gerade gesund. Das hatten die zuständigen staatlichen Stellen in mehreren Ländern festgestellt, bis zur sonst eher industriefreundlichen Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa.
Doch die Europäische Union hat sich darüber hinweggesetzt und die Erdgasnahrung kurzerhand zugelassen – im Wissen um die damit verbundenen Gesundheitsgefährdung.
Ein ungewöhnlicher und skandalöser Vorgang, für den sich die Medien indessen nicht interessiert haben. Sie erwähnen ihn nicht einmal, verschweigen die behördlichen Gesundheitsbedenken, vor lauter Begeisterung für die neue Nahrungstechnologie, die sehr professionell vermarktet wird.
Da ist natürlich nicht vom Erdgasschnitzel die Rede, auch nicht von Erdgasgulasch, oder Erdgasgranulat. Sondern von Nachhaltigkeit, von Natürlichkeit, von Klimaschutz und Welternährung. Hilfe für die Armen, für unseren Planeten! Und vegan ist es auch noch!
Ganz gezielt operieren die Gasnahrungs-Strategen mit jenen „grünen“ Triggerwörtern, die auf Medienleute heute wie Schlüsselreize wirken, auf die sie nur mit Applaus reagieren können, und die letzten Kritikregionen in ihren Gehirnen werden automatisch abgeschaltet.
Und entsprechend reflexhaft reagieren sie, absolut begeistert. Das ist doch supertoll, wenn man ein böses Klimagas einfach wegfutttern kann!
„Nahrungsmittel aus Treibhausgasen sollen das Klima schützen“, freute sich ein innovationsfreudiges Internetportal.
Die Süddeutsche Zeitung, das Fachblatt für korrekte Lebensführung, ließ sich von einem Wissenschaftler attestieren, dass so etwas, „ethisch-moralisch“ betrachtet, „natürlich begrüßenswert“ sei. Er forscht übrigens zufälllg selbst in diesem Bereich, wie eine ebenfalls bakterienaffine Kollegin, die im gleichen Organ „die hochwertige Zusammensetzung der Eiweißstoffe“ loben durfte.
Mit keinem Wort erwähnt wurden die medizinischen Bedenken der zuständigen Behörden, das ablehnende Attest der europäischen Lebensmittelschutzbehörde.
Schließlich ist es nicht ganz ungefährlich, ein neues, künstlich erzeugtes, ziemlich obskures Element in die Nahrungskette einzuschleusen, das entsteht, wenn Methanschwaden über Bakterien hinwegstreichen.
Kein irdisches Lebewesen hatte zuvor so etwas geschluckt,
Entsprechend abwehrend reagierten Tiere bei wissenschaftlichen Versuchen. Sie betrachteten die kühn komponierten Abfallbeseitigungs-Produkte als suspekte Fremdkörper. Ihr Immunsystem schlug Alarm. Es gab Veränderungen im Darm und an inneren Organen, es gab Allergien und Abwehrreaktionen, Immunstörungen.
Angesichts dieser Vorgänge reagierten britische, französische, norwegische Wissenschaftler und Amtspersonen skeptisch, auch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa formulierte „Bedenken“.
Offenbar kommen die Versuchstiere mit dem innovativen Futter nicht problemlos zurecht. Darauf deuteten die Veränderungen im Darm, an Leber, Nieren und Milz hin. Eigentlich auch kein Wunder: Ein Organismus ist ja nicht eingestellt auf Futter, das von der Natur nicht vorgesehen ist.
Die Hersteller meinten zwar, daran würden sich die Tiere schon gewöhnen. Doch die behördlichen Kritiker überzeugte das nicht: »Diese Interpretation« werde durch die Datenlage »nicht ausreichend unterstützt«, entgegneten kühl die Experten vom Norwegischen Wissenschaftskomitee für Lebensmittelsicherheit (»Vitenskapskomiteen for mattrygget«, kurz VKM). Und auch die Kollegen von der Efsa meinten, das könne die „Bedenken nicht ausräumen“.
Überdies könnten noch „hitzestabile Toxine“ entstehen, die also auch Kochen und industrielle Produktionsprozesse überstehen und die ähnliche physiologische Eigenschaften hätten wie ein Gift namens Cereulid, das Brechmittel-Toxin des Bakteriums Bacillus cereus. das neben Übelkeit in sehr seltenen Fällen auch, nach Einschätzung der zuständigen deutschen Behörde, „zu schweren Krankheitsverläufen durch Leber- und Hirnschäden“ führen könne.
Also: Eigentlich ernstzunehmende Bedenken und Sorgen von fachkundigen Behörden und staatlichen Stellen in der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten.
Und sie bedeuteten auch das Aus für das Erdgasschnitzel, das damals noch unter dem Namen Bioprotein firmierte.
Zunächst.
Die ganzen hochfliegenden Pläne waren damit beendet.
Erst einmal.
Dabei waren sie schon weit gediehen. Es war ja ursprünglich ein europäisches Projekt gewesen, angesiedelt hier in der Nordsee, von namhaften Konzernen, die ihre Kernkompetenz natürlich nicht in der Nahrungsproduktion hatten: Mit dabei war etwa der Chemie-Multi ICI, die holländisch-britische Öl-Company Shell, auch der norwegische Ölkonzern Statoil.
Das Rezept lautet folgendermaßen: Man nehme Bakterien, die grade zur Hand sind, etwa einen Methylococcus capsulatus oder auch den einfachen Bacillus brevis, und lasse ein bisschen Erdgas darüberstreichen. Mit Hilfe von einigen weiteren Zutaten hat man schon bald den neuen Nährstoff.
Für den gibt es einstweilen keinen Namen, weil es ja den Stoff eigentlich nicht gibt. Offiziell heißt er »Eiweißfermentationserzeugnis«. Denn natürlich waren auch die Behörden mit dem Stoff befasst, den die Erfinder "Bioprotein" getauft hatten.
Ein holländisches Wissenschaftskonsortium hatte in einer Machbarkeitsstudie die Vision entwickelt: ein Schiff, das ganz in der Nähe von Bohrinseln herumschwimmt, auf denen Erdgas abgefackelt wird, bekommt einen Reaktor, in dem die Erdgas-Proteinproduktion stattfindet, und Tanks, in denen Fische geboren, mit dem Erdgas-Gulasch gefüttert und auch gleich gefangen, getötet und verarbeitet werden.
Eine erste Pilotanlage wurde an Land gebaut, betrieben von der eigens gegründeten Firma Norferm im norwegischen Tjeldbergodden. Eine Tochterfirma in Dänemark, Dansk Bioprotein AS widmete sich gleichfalls dem Projekt Gas-Mahl.
Leider musste die Firma Anfang 2006 schließen. Denn, so sagte ein Manager auf Anfrage: »Es fehlt an der Zulassung.« Grund: Die gesundheitlichen Bedenken der EU-Nahrungsbehörde Efsa.
Doch, zum Glück fürs Erdgasschnitzel, seine Propheten und Profiteure: Die EU-Entscheidungsträger setzten sich kurzerhand darüber hinweg.
Es war ein ungewöhnlicher Vorgang mit weitreichender Wirkung. Beteiligt waren die maßgeblichen Entscheidungsträger der Europäischen Union. Der Rat der Europäischen Union, also die Vertretung der Mitgliedsstaaten, und das Europäische Parlament, also die gewählten Volksvertreter.
Sie ließen die gesundheitsschädliche Gasnahrung einfach zu, trotz der Gesundheitsbedenken ihrer eigenen zuständigen Behörde.
Begründung: Entsorgungs- und Beschaffungsprobleme der betroffenen Branchen.
Immerhin geht es um über 140 Milliarden Kubikmeter, die pro Jahr weltweit bei der Öl- und Gasförderung als sogenanntes „Begleitgas“ abgefackelt werden, darunter Methan, das gefürchtete Klimagas.
Andererseits fehlt es etwa Lachsen und Thunfischen in den Aquafarmen der Ozeane an Futter.
Gas wird grün: Aufessen statt abfackeln! Screenshot: Stanford Earth Matters Magazine
Erdgasgranulat könnte einerseits das Abfallgas beseitigen und andererseits Fischfutter liefern: "Zwei Probleme, eine Lösung", nennt das die Universität Stanford, die sich ebenfalls in Sachen Aufessen statt Abfackeln engagiert, mit freundlicher Unterstützung von Exxon Mobile, der Southern California Gas Company, der Pacific Gas and Electric Company und anderen mehr.
Da wollte sich auch die Europäische Union auch nicht querstellen, überging kurzerhand die lästigen Innovationsbremser in den Gesundheitsbehörden und ließ das Erdgasfutter einfach zu.
In der »Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009« stellen die EU-Entscheidungsinstitutionen fest, dass »nach wie vor« ein »Mangel an proteinreichen Futtermitteln besteht« und daher dringend »die Versorgung mit als direkte und indirekte Proteinquelle dienenden Futtermitteln in der Gemeinschaft verbessert werden« sollte.
Leider seien bisher »nur sehr wenige« dieser »Bioproteine«, wie sie das Erdgasfutterfeunde damals noch nannten, zugelassen wurden, was an den innovationshemmenden Vorschriften läge: »Die allgemeine Vorschrift über die Zulassung vor Inverkehrbringen hat sich also als Hindernis herausgestellt«.
Lästige Vorschriften, die Innovationen behindern, nur weil sie ungesund sind, müssen natürlich weg, meinen die EU-Parlamentarier und die im Rat der Europäischen Union vertretenen Mitgliedsstaaten.
Und sie entschieden sich fürs Durchgreifen: »Die besondere Vorschrift, dass für Bioproteine ein allgemeines Zulassungsverfahren vor Inverkehrbringen durchzuführen ist, sollte abgeschafft werden«.
Mögliche Gesundheitsfolgen werde man schon noch früh genug merken, meinen die EU-Entscheider:
Denn die »Sicherheitsrisiken könnten auch durch Marktüberwachung anstatt durch Verbot riskanter Produkte angegangen werden.«
Und so wurde das Erdgasgranulat trotz aller Bedenken zugelassen, in der »Verordnung (EU) Nr. 68/2013 der Kommission vom 16. Januar 2013 zum Katalog der Einzelfuttermittel«. Das Granulat ist unter Punkt 12.1.2 aufgeführt.
Es konnte also losgehen. Es lockt das große Geschäft. Es ist der Einstieg in ein 370 Milliarden Dollar-Business, jubelte eine aufstrebende Firma aus dem Silicon Valley, kaum dass die Europäische Union den Weg freigemacht hatte, und verkündeten ihren Einstieg in die Gasnahrung, die Übernahme der norwegischen Bioprotein-Pionierfirma.
Als erstes musste natürlich die Bezeichnung „Bioprotein“ weg. Gerade noch in der Übernahmeerklärung kommt sie noch einmal vor, mit Verweis auf die Zulassung durch die Europäische Union. Ab sofort aber soll niemand mehr einen Zusammenhang herstellen können mit den bedenkenträgerischen behördlichen Gutachten, in denen das Wort „Bioprotein“ vorkommt, der norwegischen Behörde beispielsweise, auch der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa. Überall steht das Wort Bioprotein - zusammen mit den behördlichen Bedenken. Es ist auch noch im Umlauf. Das Internet vergisst ja nichts. Es ist verbrannt.
Weg damit.
Die Erdgasnahrung heißt jetzt „FeedKind“, was schon mal sehr empathisch und zugewandt klingt, schließlich bedeutet das englische Wort kind so viel wie nett oder freundlich. »FeedKind ist nett zum Konsumenten, nett zum Tier, und nett zur Umwelt.« So der Originalton aus der FeedKind-Werbung.
Lecker Sushi: Erdgasfutter bei die Fische. Screenshot: Feedkind
Da sind auch keine Fabriken, Tanks, und Reaktoren mehr zu sehen, gerade noch ein paar Rohrleitungen, ansonsten Forellen, Lachse, Sushi, auch eher emotionale Elemente wie Tomaten, Limetten, viel Grün, das auch zu dem sonstigen grünen Vokabular passt: vor allem „natürlich“ soll es sein, auch „nachhaltig“, und „nahrhaft“.
Und selbstverständlich zählen sie sich zu den Guten, sie unterstützen die Armen, engagieren sich gegen den Hunger auf der Welt, tragen zur „globalen Ernährungssicherheit“ bei und helfen „bei der Ernährung einer wachsenden Bevölkerung“.
Die Firma hat sich auch gleich ganz oben positioniert, begrifflich, thematisch, auch institutionell, bei den Vereinten Nationen, und unterstützt deren Bestrebungen in Sachen Nachhaltigkeit, präsentiert bei UN-Konferenzen ihr Business, pardon, ihre Bemühungen für eine bessere Welt.
Das „Wording“ ist wichtig, gerade bei den „grünen“ Themen, das wissen sie natürlich, im ebenso woken wie techno-gläubigen Kalifornien, wo die Firma ihren Hauptsitz hat, die jetzt das Erdgasschnitzel-Business übernommen hat.
Ihr Name: Calysta.
Ihr Headquarter: Menlo Park, mitten im grenzenlos optimistischen Silicon Valley.
Ihre Geldgeber: „einige der weltweit größten Unternehmen“.
Und klar, um Geld geht es natürlich auch, oder besser: in erster Linie.
Das vergisst auch der Chef nicht zu erwähnen: Schließlich ist es extrem profitabel, überschüssige Begleitgase in Nahrung zu verwandeln, oder, wie es Calysta-Topmanager Thomas Huot formuliert, „kostengünstige Erdgasressourcen in hochwertige, umweltfreundliche Proteinalternativen“.
Kurz: „Wir machen aus weniger mehr.“ Kein Wunder, dass auch andere mitverdienen wollen. Jüngst erst haben sie weitere 39 Millionen Dollar eingesammelt, um den globalen Eroberungsfeldzug fortzusetzen. Der Ölkonzern BP ist mit 10 Millionen US-Dollar dabei.
So freut sich BP-Managerin Meghan Sharp, dass ihr Konzern künftig „nachhaltiges Protein für den Planeten bereitstellen“ kann, und „Gas eine wesentliche Rolle bei der Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft spielen.“
Eigentlich sind fossile Ressourcen ja heute verpönt, jedenfalls als Energiequelle. Als Rohstoff für Nahrungsmittel sieht es aber ganz anders aus: Da ist fossil der neueste Shit! Was natürlich die Fossil-Konzerne freut.
Und es geht in Riesenschritten voran, im globalen Maßstab, die ersten Fabriken sollen in China stehen, 100.000 Tonnen Erdgasgranulat wollen sie dort im Jahr produzieren, Start soll noch in diesem Jahr sein. Vertreten ist die Firma in Großbritannien und Norwegen. Sogar im Biobereich ist das Erdgasfutter zugelassen, selbst Fischfreunde, die im Öko-Supermarkt einkaufen, sind also nicht davor geschützt: Auch ihre Lachse können damit gefüttert werden.
Und sie selbst: Denn natürlich wollen sich die innovativen Konzerne sich beim Umbau der Nahrungskette nicht auf den Tiersektor beschränken.
Schon der Gasnahrungs-Pionier Kurt Strand hatte davon geschwärmt, Hamburger und Würstchen aus Gasfleisch herzustellen, und berichtete von ersten Tests mit »gutem Resultat« (siehe Hans-Ulrich Grimm: Katzen würden Mäuse kaufen).
Und bald schon will auch Calysta Details zu ihrem „ersten Produkt für Menschen“ bekanntgeben. Arbeitstitel: Erdgaspulver, ähm, pardon, „Positives Protein“. So lautet die offizielle Bezeichnung.
Darum soll sich Herman Sloot kümmern, der neue Vice President für Commercial Development, mit Sitz in Deutschland. Er ist nach eigener Aussage „begeistert", von der Herausforderung, und von den Möglichkeiten: "Calysta ist wirklich ein Game Changer", verfüge über eine Technologie, die "eine der größten Herausforderungen in der Lebensmittelproduktion" angeht: "Wie ernähren wir die Welt?“
Wichtig ist natürlich, dass die Kunden nichts von der unappetitlichen und ungesunden Rohstoffkette erfahren. Sonst wollen sie das womöglich nicht schlucken, und auch nicht an ihre vierbeinigen Freunde verfüttern. Das war ja auch die Hauptsorge der technophilen Süddeutschen Zeitung gewesen: "Werden Verbraucher so etwas essen?"
Doch keine Sorge: Sie erfahren davon gar nichts. Dafür hat schon die Europäische Union gesorgt. Die hat zwar, in ihrer Verordnung (EU) 68/2013 mit viel Liebe zum Detail festgelegt, welche Bakterien mitarbeiten dürfen ("Methylococcus capsulatus Bath, Alca ligenes acidovorans, Bacillus brevis und Bacillus firmus"), auch welcher Gasmix sie umschweben soll ("ca. 91 % Methan, 5 % Ethan, 2 % Propan, 0,5 % Isobutan, 0,5 % n-Butan").
Nur: Auf der Packung im Supermarkt muss davon nichts stehen. Als »obligatorische Angaben« vorgeschrieben sind allein die Bezeichnungen:
"Rohprotein – Rohasche – Rohfett".
Erdgas? Bakterien? Keine Silbe! Stillgeschwiegen!
Null Transparenz: Das ist natürlich sehr im Sinne der Gasnahrungskonzerne. So können Verbraucher gar nicht entscheiden, ob sie so etwas kaufen möchten oder nicht. Sie erfahren ja nichts davon, beispielsweise auf dem Etikett der Dosen und Schälchen und Kartone mit dem Futter ihrer geliebten Haustiere. Geschweige denn auf der Thunfischdose, oder dem Sushi, dem Hamburger, dem Erdgaswürstchen, Erdgasschnitzel.
Niemand soll wissen, was er da schluckt, oder seinen geliebten Haustieren in den Napf kippt.
Und, noch besser fürs Business: Falls irgendwelche Gesundheitsbeschwerden oder Krankheiten auftauchen, wie ja von den zuständigen Behörden befürchtet, kann auf gar keinen Fall die Gasnahrung als Ursache identifiziert werden. Weiß ja niemand, dass sie im Spiel war, und schon gar kein Arzt oder Apotheker.
Risiken und Nebenwirkungen? Fragen Sie bloß nicht!