Trockene Lippen: Tim Stockwell, der Mann hinter der Anti-Alkohol-Kampagne
Soll ich noch Wein trinken oder nicht? Mit Tricks und missionarischem Eifer kämpft ein fanatischer Professor auch gegen den kultivierten Genuss – und gefährdet so unsere Gesundheit.
Wein oder nicht Wein? Viele sind gerade verunsichert. Es geht schließlich um unsere Gesundheit. Und derzeit läuft eine massive Kampagne in den Medien, gegen den Wein und jeglichen Alkohol, von der New York Times bis zur Frankfurter Rundschau und dem Berliner Tagesspiegel. Das Erste Deutsche Fernsehen hat jetzt einen ganzen Dreiteiler produziert (Screenshot: Facebook / ARD). Sogar die Tagesschau weist darauf hin.
So warnt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), und sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Dahinter steckt, kaum zu glauben, ein einziger Mann. Ein umstrittener Professor aus Kanada. Sein Name: Tim Stockwell.
In der Fachwelt stößt sein aktivistischer Eifer auf einigen Widerspruch. Sogar die höchste Instanz auf diesem Planeten in Sachen Ernährung und Gesundheit, die US-Universität in Harvard, mahnt zur Mäßigung, verweist auf die Faktenlage in Sachen Wein. Und stellt fest, dass der kultivierte Genuss nach den vorliegenden Daten mit einem „geringeren Sterberisiko“ einhergeht, also das Leben verlängert.
Das zeigen ungezählte medizinische Studien. Dabei ist steigender Alkoholkonsum natürlich ungesund – absolute Abstinenz allerdings auch. Die Fachleute nennen das: „J-Kurve“.
Gegen die in ungezählten Studien nachgewiesene Tatsache kämpft der Abstinenz-Aktivist Stockwell - mit „Tricks“ und unlauteren Methoden, wie der Londoner Wissenschaftler und Autor Christopher Snowdon detailliert nachweist (auf seinem Substack).
Um behaupten zu können, dass schon der erste Schluck gefährlich sei, picke Alkoholfeind Stockwell nur jene Studien heraus, die ihm in den Kram passen, und lasse alle anderen, die auf positive Effekte kultivierten Genusses verweisen, außen vor.
Nach dem Motto, so Snowdons Fazit: „Man kann alles beweisen, wenn man 99,9 Prozent der Beweise verwirft.“
Für den Ein-Mann-Kreuzzügler geht es schließlich um ein höheres Ziel. Der Professor aus Kanada pflegt enge Beziehungen zur Anti-Alkohol-Bewegung der sogenannten Temperenzler, einem Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert (Motto: “Die Lippen, die Alkohol berühren, werden niemals meine berühren”). Etwa dem Guttempler-Orden, der sich mittlerweile umbenannt hat, jetzt „Movendi“ heißt und es sogar zum Offiziellen Partner der Weltgesundheitsoranisation (WHO) gebracht hat (siehe hier).
Als Suchtforscher hat vor allem die üblen Folgen des Suffs im Blick. Auch wichtig, gar keine Frage. Allerdings haben die ruinösen Sauf-Exzesse von Trunkenbolden und ihre gewalttätigen Kneipenschlägereien nur sehr wenig gemein mit der Degustation in der Enoteca, zu der sich Frau Professorin mit dem Herrn Museumsdirektor trifft. Oder mit dem Glas Wein an den langen, lustigen Tafeln in Italien, Spanien, Griechenland.
Und das ist definitiv gesund: Wein steht bekanntlich für 23 Prozent der gesundheitlichen Vorzüge der Mediterranen Ernährung (siehe hier). Wer dagegen kämpft, gefährdet unsere Gesundheit.
So sieht die Wirklichkeit aus. Und sie setzt sich bekanntlich immer durch. Kein Wunder also, dass die Wissenschaft ständig neue Fakten dazu liefert. Gerade eben wieder durch eine Untersuchung im renommierten European Heart Journal. Weingenuss in Maßen ist demnach „mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden”: Es sank um fast 40 Prozent.
Es bleibt also dabei: Wein ist gesund (mehr dazu hier).
Offenbar sehen das auch die Behörden in der kanadischen Heimat des Nüchternheits-Propheten so, wo Stockwells prohibitionistischer Furor nicht auf viel Resonanz gestoßen ist. Die dortigen Regierungs-Richtlinien erlauben immer noch zwei Gläser Wein am Tag (á 142 Milliliter) für Frauen und Männern sogar drei.
Die medizinischen Daten sprechen schlicht dafür.
Die Abstinenz-Aktivisten bei der ARD aber sehen da vor allem die „Lobby“ am Werk, die sich für ihr Geschäft einsetzt: Denn „mächtige Player arbeiten daran, dass das Image von Alkohol so bleibt, wie es ist“, raunen sie auf Facebook.
Beim Wein sind das hierzulande, unter anderem, die vielen Winzerfamilien in den Weingegenden Deutschlands, von denen einige aufgrund der Kampagne in Existenznöte geraten.
Hilft alles nix, bezahlen müssen sie trotzdem, für den teuer produzierten Beitrag aus der öffentlich-rechtlichen Kampagnenkiste.
Immerhin: So ganz überzeugt sind sie beim Qualitätsfernsehen von diesem Produkt offenbar doch nicht. Aus dem normalen Programm haben sie es herausgehalten – und in der Mediathek versteckt.
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