Grelle Süße: Umstrittene Designerstoffe können den Körper irritieren und stehen als Krankheitserreger im Verdacht.
Zucker ist schlimm. Sind Süßstoffe noch schlimmer? Neues zu Risiken und Nebenwirkungen – und die Info-Kriege der Lobby.
Die Liste der möglichen Nebenwirkungen ist lang: Sie reicht von Kopfschmerzen über Vergesslichkeit und Depressionen bis zu epileptischen Anfällen. Unter anderem. Besonders kritisch ist der Einsatz in der Schwangerschaft, wegen der Auswirkungen aufs Kind.
Die zuständige Institution der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mahnt sogar eine beschleunigte Untersuchung der Verdachtsmomente an. Grund: Mögliche Krebsgefahren.
Die Medien hierzulande meiden das Thema weithin, geißeln merkwürdigerweise kritische Äußerungen gar als „Verschwörungstheorien“, oder verbreiten Positionen und Papiere der Industrielobby, leider ohne Herkunftsnachweis.
Es ist ein umkämpftes Terrain, schließlich geht es um ein Multimlliardengeschäft in über 90 Ländern der Welt. In Tausenden von Produkten steckt der umstrittene Stoff, in Coca-Cola Light und Coke Zero, in Red Bull Sugarfree. Sogar in zuckerfreien Bonbons, die Eltern ihren Kindern geben, in Wrigley’s Kaugummi, Ricolas »Schweizer Kräuterbonbons Zitronenmelisse zuckerfrei«, in Vivil »Natürliches Pfefferminz ohne Zucker«.
Es geht um einen der umstrittensten Nahrungszusätze: Aspartam (E951), einen komplett chemisch hergestellten Designerstoff.
Sind solche Süßstoffe womöglich noch schlimmer als Zucker?
Sicher ist: Die Kritik nimmt zu. Unabhängige Wissenschaftler weisen auf massive Nebenwirkungen hin, fordern sogar ein Moratorium: Die entsprechenden Produkte sollen aus den Regalen verschwinden, bis die Vorwürfe geklärt sind. Schließlich geht es auch um Milliarden von Menschen auf diesem Planeten, die abnehmen wollen - und womöglich, ganz im Gegenteil, zunehmen und sogar ihre Gesundheit riskieren.
Der Stoff ist umstritten, seit es ihn gibt. Schon im Vorfeld der Zulassung gab es Widerstände – aus den zuständigen Behörden, wegen haarsträubender Zustände im Verfahren.
Schon fordern unabhängige Wissenschaftler, die Zulassung des umstrittenen Süßstoffs auszusetzen, bis über Risiken und Nebenwirkungen entschieden ist. Begründung: Die zuständigen Experten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa hätten häufig Verbindungen zur Industrie – und urteilen entsprechend einseitig.
Der Süßstoff Aspartam: eine unendliche Geschichte. Jetzt nimmt die Auseinandersetzung an Härte zu. Die Lobby schlägt zurück. Auch ihre medialen Unterstützer werden lauter. Und wenn unabhängige Wissenschaftler Verdachtsmomente ermitteln, gibt es sogleich scharfe Widerworte, von industriefinanzierten Kolleg*innen.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, kurz IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hatte sich mit dem Designerstoff beschäftigt und ein beschleunigtes Verfahren verlangt, um mit „hoher Priorität“ anhängige Verdachtsmomente zu überprüfen.
Begründung: Hinweise aus Langzeitversuchen, die ein „erhöhtes Risiko“ für verschiedene Krebsarten ergeben hatten – und zwar „innerhalb von Bereichen der Aspartamaufnahme, die für den menschlichen Verzehr als sicher gelten“.
Als Beitrag zur anstehenden Bewertungsrunde hatte in diesem Frühjahr eine internationale Forschergruppe die Vorwürfe zum Thema Süßstoff und Krebsgefahr noch einmal überprüft – und „neue Beweise für einen Kausalzusammenhang“ vorgelegt („Aspartame and cancer – new evidence for causation“).
Wie üblich meldete sich sofort und im gleichen Wissenschaftsjournal ein nach eigenen Angaben von der Süßstoff-Lobby bezahlter Autor zu Wort und versuchte, die Erkenntnisse zu diskreditieren („...keine ausreichenden Beweise“).
Worauf wiederum die Wissenschaftler, in der vorigen Woche, die Anwürfe des Lobby-Autors als “unrichtig und unsubstantiiert” zurückwiesen. Eine seriöse wissenschaftliche Klärung sei besonders dringlich, auch wegen der möglichen Gefahren für Schwangere. Schließlich könne Aspartam schon in niedrigen Dosen „während der Schwangerschaft zu einer erhöhten Inzidenz von Leukämie und Lymphomen“ beim Kind führen, also Lymphdrüsenkrebs und Blutkrebs.
Die möglichen Auswirkungen in der Schwangerschaft sind besonders weitreichend und, falls sie zweifelsfrei nachgewiesen werden, besorgniserregend.
Schon vor Jahrzehnten hatte Professor Louis J. Elsas von der Emory University von Atlanta bei einer Anhörung des US-Senats darauf hingewiesen, dass sich problematische hirngiftige Aspartam-Bestandteile („Phenylalanin“) sozusagen im Mutterbauch aufkonzentrieren, im Gehirn des werdenden Babys weiter anreichern und schließlich zu einer sogenannten Mikroenzephalie führen könnten, bei der das Hirn des Kindes zu klein bleibt.
Eine eben erschienene chinesisch-kanadische Untersuchung, die den gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand ermittelte, warnte auch vor einem „erhöhten Risiko“ für eine Frühgeburt – und ein höheres Geburtsgewicht.
Tatsächlich kann mütterlicher Süßstoffkonsum in der Schwangerschaft, wie kanadische Mediziner im vorigen Jahr nachgewiesen hatten, sozusagen die Verdrahtung in den einschlägigen Gehirnregulationen stören, die für die Gewichtsregulierung zuständig sind, wodurch die Kinder auf Übergewicht und vermehrte Fettzellen »programmiert« werden. So war das jedenfalls bei den Rattenmüttern in diesem Versuch.
Auch wenn die Süßstofflobby und ihre Forscherfreunde unverdrossen verkünden, Chemikalien wie Aspartam & Co seien das probate Mittel zum Abnehmen - das Thema ist in der Wissenschaft umstritten, manche Studien zeigten tatsächlich, dass Menschen an Gewicht zulegten, und sogar US-Richter hatten Klagen zurückgewiesen: Niemand dürfe erwarten, durch süßstoffhaltige Light-Getränke abzunehmen.
Ausgerechnet in seiner Kernkompetenz ist also der süße Kunststoff in Frage gestellt. Dabei ist er genau auf dieses Ziel ausgerichtet, einen Zweck, der die Mittel heiligen soll: Abnehmen, und zwar durch Süße ohne Kalorien.
Eigentlich kennt der Körper Süße nur aus Früchten, Himbeeren, Mangos, Papaya, und der Geschmack dient als Signal, um diese zu verarbeiten und die Nährstoffe herauszulösen. Nun kommt die Süße aber solo, ganz ohne nährende Elemente.
Ein Betrug am Körper also: der Stoff täuscht Süße nur vor, ohne die dafür eigentlich nötige Substanz, greift aber durch dieses Geschmackssignal tief ein in die Signalketten und Arbeitsabläufe, die der Körper evolutionär entwickelt hat, um sein Überleben zu sichern.
Ein schwerwiegender Eingriff, der primär dorthin zielt, wo der süße Geschmackseindruck erzeugt und verarbeitet wird: aufs Gehirn. Und die Manipulation im Kopf bleibt natürlich nicht ohne Folgen.
Dass die Süßstoffe dort massive Irritationen auslösen, hatte sich schon früh gezeigt – vor allem bei Extremkonsum, der etwa in den USA durchaus üblich ist.
Wie bei jener 33jährigen Köchin, die aufgrund exzessiven Konsums von Cola Light Panikattacken bekam: »Nach 20 Dosen kam die Todesangst«, titelte die deutsche Zeitschrift Ärztliche Praxis schon im Jahr 1984 in einem Bericht über den Fall.
Oder jener 39jährigen Patientin, die ihrem Arzt in West Palm Beach im US-Staat Florida über ein ganzes Sortiment an Beschwerden berichtete: Kopfschmerzen, Depressionen, Gedächtnisverlust, Lethargie, Reizbarkeit. Ihre Tagesdosis lag bei acht Packungen Aspartam pro Tag, dazu kam noch Cola light.
Nach sechs bis acht Light-Drinks am Tag berichtete ein anderer Aspartam-Konsument von Stimmungsumschwüngen und gewalttätigen Wutanfällen. Sogar epileptische Anfälle sind offenbar vorgekommen, gemäß einer Fallstudie aus Belgien nach »exzessiver Aufnahme von Cola light«.
Dabei gibt es neurologische Nebenwirkungen durchaus schon bei Normalmengen. Das räumte in diesem Frühjahr eine neue Übersichtsstudie Freiburger Forscher ein, die besonders strenge Kriterien anlegte bei der Auswahl von Untersuchungen.
Kopfschmerz, zum Beispiel. Da hatten viele Analysen keine besonderen Auffälligkeiten beobachtet – manche jedoch „eine höhere Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Probanden, die Aspartam ausgesetzt waren, als bei einem Placebo“, also bei einem wirkstofflosen Schein-Süßstoff.
Und es geht nicht nur um ein bisschen Kopfweh: Eine US-Studie hatte gereiztere Stimmung, erhöhte Depressionsneigung und verringertes räumliches Orientierungsvermögen schon „deutlich unter der zulässigen Höchstmenge“ ermittelt.
Dazu kommen weitere Neuro-Nebenwirkungen wie Lernprobleme, Migräne, Angstzustände, und Schlaflosigkeit, weswegen Wissenschaftler in der Zeitschrift Nutritional Neuroscience warnten: »Aspartamkonsum muss aufgrund der möglichen Auswirkungen auf die Neuro-Gesundheit mit Vorsicht betrachtet werden«
Die Nebenwirkungen im Gehirn sind direkte Folgen der intendierten Wirkungen. Denn mit Aspartam durchkreuzen seine Schöpfer in den Laboren die Mechanismen im Gehirn. Sie haben ihr Werk so konfiguriert, dass es gerade kein Nahrungsmittel ist. Es soll den Körper gar nicht nähren. Es wurde nur dazu geschaffen, das Gehirn zu betrügen, ihm ein Geschmackssignal zu übermitteln, das auf Nährstoffe hinweist – die aber nicht kommen.
Auf so einen Betrug ist der Körper nicht eingestellt. Er reagiert verstört. Erst im Gehirn, dann im Darm, wo eigentlich die Verwandlung der Nahrung stattfinden sollte, mit Hilfe von Bakterien. Doch Kunststoffe wie Aspartam sind keine Nahrung – weshalb nun offenbar auch im Darm Konfusion sich ausbreitet, sich „gute“ Bakterien in „böse“ verwandeln. Das haben in diesem Jahr britische Biomediziner festgestellt.
Eigentlich ist der Darm das Zentrum der Körperabwehr – nun aber greifen die Truppen dort den eigenen Körper an, sagt Studienautorin Havovi Chichger: „Diese Veränderungen könnten dazu führen, dass unsere eigenen Darmbakterien eindringen und unseren Darm schädigen“, was zu „Infektionen, Sepsis und Multiorganversagen“ führen könne.
Selbst bei der „Zuckerkrankheit“ Diabetes stehen die Zuckerersatzstoffe mittlerweile im Verdacht, auch bei Herz-Kreislauf-Krankheiten, wobei die Erklärung hier, so befand eine chinesisch-amerikanische Forschergruppe Anfang des Jahres, „kompliziert sein könnte“.
Offenbar bringen die Süßstoffe, vor allem in Softdrinks, ganz generell den „Stoffwechsel“, also die Nahrungsverwandlung im Organismus, durcheinander, konstatierten deutsche Forscher in einer detaillierten Untersuchung letzten Monat: „Ein erhöhter Verzehr von kalorienarmen gesüßten Getränken, die oft als gesündere Alternative“ zu zuckrigen Softdrinks gelten, werden „ebenfalls zunehmend mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechselstörungen in Verbindung gebracht.“
Angesichts der zahlreichen Nebenwirkungen müsste alles, was diesen Stoff enthält, sofort vom Markt genommen werden, forderte der britische Professor Erik Millstone in der Zeitschrift Archives of Public Health aus dem renommierten deutschen Wissenschaftsverlag Springer Nature, zusammen mit seiner Kollegin Elisabeth Dawson.
Der Verkauf von Aspartam sollte ausgesetzt werden«, bis eine unabhängige Prüfung der vorliegenden Beweise stattgefunden hat. Denn die Sicherheitsbewertung zeige »schwerwiegende Mängel«: Die Experten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa hätten einseitig geurteilt, und zwar regelmäßig zugunsten der Industrie. Als Grund für die einseitige Betrachtungsweise sehen die beiden Forscher mögliche »kommerzielle Interessenkonflikte« der Efsa-Experten.
Die britischen Forscher verweisen auch auf die zahlreichen Ungereimtheiten im Zulassungsverfahren, wie sie etwa auch in einem Report der US-Regierung dokumentiert worden waren, sowie die damaligen Lobbyaktivitäten der Herstellerfirma und die Rolle der US-Behörden bis hinauf zum Präsidenten Ronald Reagan. Die Vorgänge sind in der wissenschaftlichen Welt bekannt und gut dokumentiert.
Die Medien hierzulande möchten das merkwürdigerweise nicht zur Kenntnis nehmen, das einstige Investigativblatt Der Spiegel phantasierte sogar von „Verschwörungstheorien“
Und der Youngster-Youtubekanal von ARD und ZDF geißelte gar kritische Befunde zu Aspartam als „Bullshit“ (2.25). Denn: „Viele Wissenschaftler glauben nicht, dass hier überhaupt ein Risiko besteht“. Dazu präsentierten die öffentlich-rechtlichen Nachwuchskräfte Papiere der Süßstoff-Lobby (3.54) - leider ohne Herkunftsnachweis oder ein Wort zu den Interessenkonflikten, die dort ganz offen aufgeführt wurde: Die Beteiligten bekamen nach eigener Auskunft Geld von Firmen wie Coca-Cola, Pepsi, Nestlé, Unilever, auch von der weltweit einflussreichsten Lobbyorganisation von Big Food, dem International Life Sciences Institute (Ilsi).
Kurz: Es sind jene, die auch den meisten Zucker unter die Völker dieser Erde streuen. Die Hersteller der sogenannten „ultra-verarbeiteten“ Nahrungsmittel von Softdrinks und Fastfood über Fertiggerichte bis hin zu industriell hergestellten Kinderprodukten, dem sogenannten „Fruchtjoghurt“ und ähnlichem.
Der größte Teil des verzehrten Zuckers steckt in solchen Produkten. Es kommt mithin womöglich gar nicht darauf an, vor dem Zucker zu fliehen. Es reicht, wenn man einen Bogen macht um solche „ultra-verarbeiteten“ Produkte, zu denen natürlich jene mit den süßen Designerstoffen gehören, wie Aspartam & Co.
Der übrige Zucker, das Löffelchen im Cappuccino, die paar Gramm im selbstgemachten Apfelkuchen, im Pudding, die sind eigentlich gar kein Problem.
Und schon gar kein Fluchtmotiv. Ganz im Gegenteil.
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