Zurück

Advanced Glycation End Products (AGEs)

Sie stecken zum Beispiel in der Cola und vielen anderen alltäglichen Supermarktprodukten – und sie führen dazu, dass sozusagen die innere Uhr vorgestellt wird, und das Altern beschleunigt. Denn sie gelten als »Schlüsselmoleküle des Alterns«, weil sie etwa das Herz schwächen, zu beschleunigtem Auftreten vieler Zivilisationskrankheiten, aber auch von Falten, Fehlsichtigkeit und anderen Verfallserscheinungen führen können.  Vor allem in der Anti-Aging-Medizin finden sie zunehmendes Interesse: Advanced Glycation End Products (AGEs). Zu Deutsch etwa: fortgeschrittene Verzuckerungs-Endprodukte. Sie finden sich in traditioneller Nahrung, etwa Brathähnchen, vor allem aber in industrieller Nahrung.

 

Erhöhte Mengen sind in Fastfood, Softdrinks, Fertignahrung, auch industrieller Babykost wie Säuglingsnahrung aus dem Fläschchen und Babygläschen ebenso der weit verbreiteten länger haltbaren Milch, der ESL-Milch und der H-Milch. Der Grund: Die bei der fabrikmäßigen Verarbeitung in der Regel nötige Erhitzung zwecks längerer Haltbarkeit (Shelf Life).

 

Die AGEs entstehen durch eine sogenannte Maillard-Reaktion, benannt nach dem französischen Mediziner und Chemiker Louis Camille Maillard (1878 –1936), einer Bräunungsreaktion, bei der Aminosäuren und Zucker zu neuen Verbindungen umgewandelt werden.

 

Eigentlich ist es eine ganz harmlose Reaktion, ja sogar eine höchst erfreuliche, weil sie zum Beispiel dem Weizenbier Geschmack und Farbe verleiht oder auch beim Grillen dem Brathähnchen. Und dem Schnitzel, beim Braten in der Pfanne, wodurch die Panade so schön goldgelb und kross wird.

 

Diese Reaktion findet nicht nur im Hähnchen und im Schnitzel statt, beim Grillen und Braten, sondern auch bei 37 Grad im menschlichen Körper, und zwar bei jedem Atemzug. Und sie führt im Organismus ebenfalls zu Verhärtung in Verkrustung wie bei Kuchen und krossen Krusten an Brathähnchen oder Schnitzel.

 

Denn die AGEs beschleunigen auch den geistigen Abbau, sie können die Blut-Hirn-Schranke durchdringen – und so die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

 

Sogar der frühere Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, hat sich mit den verzuckerten Altersbeschleunigern beschäftigt. Und er sorgt sich insbesondere um das vorzeitige Altern der Babys, befürchtet etwa eine »Prädisposition für Diabetes«, eine frühe Neigung zur Zuckerkrankheit durch diese Substanzen, die manche »Glycotoxine« nennen: Zuckergifte.

 

In der Öffentlichkeit sind sie bisher weithin unbekannt, der bisher prominenteste Vertreter ist: Acrylamid, das sogenannte Krebsgift aus Keksen.

 

Die AGEs werden durch die moderne Nahrung begünstigt und gefördert. Durch den allgegenwärtigen Zucker zum Beispiel: Je mehr davon im Körper kursiert, desto mehr AGEs können entstehen. Die meisten Menschen nehmen sie aber auch noch direkt zu sich: In der industriell produzierten Nahrung aus Supermarkt, Tankstelle und Kantine sind sie allgegenwärtig, denn sie entstehen bei Erhitzung, und im industriellen Ernährungssystem muss praktisch alles erhitzt werden, zur Verlängerung der Haltbarkeit (Shelf Life).

Eigens in Auftrag gegebene Laboruntersuchungen (Siehe Hans-Ulrich Grimm: Gesundes Essen für unsere Kinder, Echtes Essen. Der Anti-Aging-Kompass) ergaben erhöhte Werte bei industriell hergestelltem Müsli aus dem Kühlregal im Supermarkt, auch bei gekauften Orangensaft im Vergleich zu selbstgemachtem, ebenso bei Apfelsaft im Vergleich zu Äpfeln, einem Cappuccino von Starbucks im Vergleich zum selbstgemachten zuhause, mit Bio-Frischmilch.

 

»Moderne Nahrungsmittel sind zum großen Teil erhitzt und enthalten deshalb große Mengen von AGEs«, stellte Professor Jaime Uribarri vom Mount Sinai Hospital in New York fest.

 

Besonders beeindruckende Werte wies Fastfood auf: Hamburger, Pommes Frites, Chicken McNuggets sind wahre AGE-Bomben, ebenso wie süße Softdrinks, allen voran die Cola. Ebenso Kartoffelchips oder die sogenannten Frühstücke-Zerealien. Und die Pizza, in der beliebten Tiefkühlversion, gehört sogar zu den Rekordhaltern mit besonders hoher AGE-Fracht.

 

Bei einer Untersuchung in New York nahmen Industriefood-Konsumenten doppelt so viele AGEs auf wie die Freunde von frischen Lebensmitteln.

 

Schon die Babymilch (Säuglingsnahrung, Kindermilch), aber auch die Gläschen mit dem Fertigbrei (Babygläschen): alles erhitzt, belastet mit AGEs. Die AGE-Pionierin Helen Vlassara vom New Yorker Mount Sinai Hospital sieht in den AGEs eine »Gesundheitsbedrohung« für »schwangere Frauen und Kinder«. Denn »moderne Lebensmittel-AGEs können die Körperverteidigung überwältigen – eine beunruhigende Tatsache vor allem für Kinder«.

 

Besonders bedenklich fanden die Forscher die hohe Belastung der Babys: »Viele der sechs bis zwölf Monate alten Kinder hatten Belastungswerte wie die Erwachsenen.« Wenn die Kinder Muttermilch bekamen, war die Belastung der Babys gering, selbst wenn die Mütter ihrerseits höhere Werte aufwiesen. Wenn die Säuglinge aber das Fläschchen mit der industriellen Babymilch bekamen, war die Belastung um das 100- bis 400fache höher.

 

Kein Wunder: Die Milch aus dem Fläschchen enthält bis zu 670mal so viel AGEs wie Muttermilch. Wenn das Kind von der Muttermilch auf industriell produzierte Fläschchenmilch umsteigt, steigt der AGE-Gehalt im Blut dramatisch an – bis zum Doppelten dessen, was normalerweise bei Diabetikern gemessen wird. Und danach geht es natürlich weiter. Erst Fläschchen, dann die Babygläschen, dann die ganze Palette von Fast Food: »Die AGE-Werte beim Kind stiegen signifikant mit der Einführung der Aufnahme von industrieller Kindernahrung und erhöhten die tägliche AGE-Aufnahme um das bis zu 7,5-Fache«, sagt Veronica Mericq von der Universität in Santiago de Chile in einer gemeinsamen Studie mit den AGE­Pionieren vom Mount Sinai Hospital in New York.

 

 

Bisher gab es keine Untersuchungen zu AGEs in den üblichen Babynahrungsprodukten. Doch auch hier ergaben eigens in Auftrag gegebene Laboranalysen (siehe Hans-Ulrich Grimm: Gesundes Essen für unsere Kinder): Sie sind belastet. Die Altersbeschleuniger  stecken in den ganz normalen Gläschen mit Babybrei. Keinerlei Belastung hingegen bei selbst gemachtem Brei.

 

Auch Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Dresden hatten bei industriell verarbeiteten Nahrungsmittel erhöhte Werte festgestellt, bei Karottensaft etwa, aber auch Babygläschen.

 

Wie häufig bei den Problembestandteilen von Industrienahrungsmitteln handelt sich bei diesen sogenannten Gerontotoxinen nicht um klassisches Gift. Es gibt keine Grenzwerte für AGEs, nicht einmal einheitliche Mess-Standards. Es gibt viele verschiedene von ihnen.

 

Und sie haben sogar ihr Gutes: In geringer Dosis bekämpfen sie die Entstehung von Krankheiten und damit mögliche Begleiterscheinungen des Alterns. Deswegen sind AGE-haltige Brathähnchen oder Schnitzel ja auch zu Recht beliebt.  Die AGEs aus der leckeren krossen Kruste nutzt der Körper, um Reparaturprogramme zu starten oder Abwehrmaßnahmen gegen Attacken.

 

Die AGEs veranlassen etwa, dass aufgeräumt, durchgefegt und der Müll rausgetragen wird und die Müllabfuhr (Autophagie) kommt. Die AGEs sorgen für Auslöschung von kaputten Zellen (Apoptose), etwa im Herzmuskel.

 

Die AGEs schicken auch noch Reparaturtrupps los, um schadhafte Stellen auszubessern, und kleine Abwehreinheiten, um Angreifer auszuschalten, etwa indem sie Entzündungen auslösen.

 

Nur: Zu viel davon macht krank, beschleunigt also das Altern. Tatsächlich haben diverse Untersuchungen ergeben: Je mehr die Menschen mit AGEs belastet sind, desto mehr Entzündungen haben sie.

 

Diese Entzündungen, eigentlich eine sehr vernünftige Reaktion aus dem Abwehrprogramm des Körpers, werden schließlich zum Flächenbrand und zur Ursache einer Vielzahl von Krankheiten, wie der Zuckerkrankheit Diabetes, auch Herzkrankheiten, der Knochenschwäche Osteoporose, der Gelenkentzündung Arthritis. Und: Krebs.

 

Die AGEs sind, das zeigt eine »zunehmende Zahl an Beweisen«, ein »kardiometabolischer Risikofaktor«, ein Risiko für Herz und Stoffwechsel, weil sie nicht nur die Ablagerungen in den Blutbahnen fördern (die sogenannte Atherosklerose) und die Versteifung der Röhren, sondern auch die Kraftwerke in den Zellen lahm legen, die Mitochondrien, die natürlich besonders im Herzen wichtig sind, wo pausenlos gepumpt wird.

 

Sie gehören womöglich auch zu den Risikofaktoren für die sogenannten »Kreidezähne«, von denen weltweit fast eine Milliarde Kinder betroffen sein sollen.

 

Denn sie können, wie eine deutsche Forschergruppe unter Leitung von Ludmilla Bär nachgewiesen hat, den Kalkregler im Körper aktivieren, den »Kalziostaten«, der reagiert, wenn Verkalkung droht – und dafür sorgt, dass alles eliminiert wird, was dazu beitragen kann.

 

Sie fördern auch die Hautalterung, und können auch ins Auge gehen, sind beteiligt an grauem Star (Katarakt) und der sogenannten Altersbedingten Makuladegeneration (AMD).

 

Im Organismus sind sie so etwas wie Sensoren, die den Alterungszustand registrieren und die nötigen Maßnahmen einleiten, entweder zur Bekämpfung der Folgen, so lange es geht, oder zur Vorbereitung des Hinschieds, wenn es gar nicht mehr anders geht.

 

Professor Richard D. Semba von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore im US-Staat Maryland glaubt, dass die Anhäufung von AGEs zum Altern gehört, weil sie den »funktionellen Multisystem-Abbau« organisieren, also dafür sorgen, dass die Systeme im Körper langsam ihren Geist aufgeben und schließlich das ganze Wesen stillgelegt wird.

 

AGEs sind sogar in Pflanzen enthalten, gewissermaßen als ein Element der Verwelkungsanlagen etwa bei der Tulpe, die dafür sorgen, dass sie niedersinkt, bevor der Winter kommt.

 

Leider führt kein Weg mehr zurück, wenn der Vorgang erst mal abgeschlossen ist. Er ist »irreversibel«. Schnitzel bleibt Schnitzel, nie mehr wird das Fleisch so rosa wie zuvor und die Panade wieder pulvrig. Und auch der Mensch wird nicht mehr knackig frisch, wenn er innerlich erst mal kross ist.

 

Man kann diese krossen Elemente, meinte die Universität Heidelberg in einer Mitteilung zum Thema, zwar noch entsorgen durch die zuständigen Fresszellen (Makrophagen). Aber je mehr AGEs sich im Körper ausbreiten, desto mehr Teile verhärten.

 

Die Blutadern werden dann steif und verlieren ihre Elastizität, sie können nicht mehr flexibel reagieren, der Blutdruck steigt, und schließlich liegt auch überall nutzloser AGE-Müll herum, etwa in den Blutadern in Gestalt der gefürchteten »arteriosklerotischen Plaques«. Schlaganfall droht und Herzinfarkt. Bei den Nerven führt die Versteifung dazu, dass die schützende Ummantelung, die sie schützt wie die Plastikumhüllung ein Kabel, geschädigt wird; die Verhärtung wiederum führt zur sogenannten Neuropathie, sie werden empfindungslos, irgendwann muss das Bein amputiert werden.

 

Je weniger industriell bearbeitete mithin erhitzte Lebensmittel, desto weniger AGEs nimmt der Mensch auf.  Auch enthält zum Beispiel Bio-Milch weniger von diesen Altersbeschleunigern, wie Wissenschaftler von der Technischen Universität Dresden nachgewiesen haben, weil Öko-Kühe öfter Gras fressen dürfen. Das Kraftfutter ihrer konventionellen Kolleginnen hingegen enthält mehr davon, weil es industriell produziert und offenbar erhitzt wird.

 

Je weniger AGEs also den Körper verkrusten, desto länger währt das Leben. »Die bisherigen Daten«, so das deutsche Bundesgesundheitsblatt, legten »den Schluss nahe, dass eine Ernährung, die reich an pflanzlicher Frischkost und arm an stark verarbeiteten Lebensmitteln sowie tierischen, erhitzten Fetten ist, durch ihren niedrigen AGE-Gehalt gesundheitsfördernde Effekte haben kann«.