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Enzyme

Enzyme sind die universellen Wunderwaffen der Nahrungsindustrie. Sie kommen zum Einsatz bei der Marmeladenherstellung, bei der Herstellung von Wein, beim Backen von Brot. Sie dienen als Fleischzartmacher und ermöglichen die Aufwertung von Schlachtabfällen zu scheinbar hochwertigen Wurst- und Fleischwaren (Abfallfreie Lebensmittelwirtschaft).

 

Ihre Rückstände in Lebensmitteln werden als unbedenklich angesehen. Sie müssen auf dem Etikett in der Regel nicht angegeben werden. Von Nachteil ist dies vor allem für Allergiker, die sensibel auf solche Stoffe reagieren.

 

Zu den prominenteren Enzymen gehört die sogenannte Transglutaminase, ein wichtiges Hilfsmittel für die Abfallfreie Lebensmittelwirtschaft. Sie dient etwa dazu, aus Müll wieder gewinnbringende Nahrungsprodukte zu erzeugen wie ein „zusammengesetztes Steak“ oder einen „Klebeschinken“ aus Fleischresten.

 

Eigentlich wäre ein solches Mittel grundsätzlich kennzeichnungspflichtig. „Die für den Zusammenhalt der Fleischstücke verwendeten Stoffe sind im Zutatenverzeichnis zu deklarieren“, meint zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

 

Doch offenbar wird das nicht immer korrekt umgesetzt, was vor allem für Menschen mit Zöliakie zu Problemen führen kann. Bei Verbrauchern mit Glutenunverträglichkeit sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung „möglich“.

 

Enzyme sind in der Produktion von industriell hergestellten Lebensmitteln allgegenwärtig. Sie kommen auch in der Natur vor, im menschlichen Magen beispielsweise, wo sie beim Verdauen der Speisen mitwirken. Enzyme sind Helfer mit Vielfachbegabung. Sie können Zellwände niederreißen, Stoffe abbauen, sogar den Schmutz aus dem T-Shirt lösen, weswegen sie in Waschmitteln häufig Verwendung finden.

 

Enzyme können Orangen schälen und entsaften, leisten Hilfsdienste beim industriellen Marmeladekochen, sorgen beim Bäcker für die schöne braune Kruste auf den Brötchen. Und: Sie erschließen verborgene Aromaquellen. Immer mehr Lebensmittel werden mithilfe von Enzymen und Mikroorganismen hergestellt, die oft mit Gentechnik auf Höchstleistung getrimmt werden. Enzyme beschleunigen als sogenannte Katalysatoren viele Reaktionen, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln ablaufen.

 

Manche Enzyme verrichten, sogar mit einer E-Nummer versehen, auch im fertigen Lebensmittel noch ihren Dienst, wie zum Beispiel das zuckerabbauende Enzym Invertase (E1103). Es hält Pralinenfüllungen flüssig, verhindert die Bildung unerwünschter Zuckerkristalle und erhält Marzipanbrote dauerhaft saftig. Invertasen werden aus Hefepilzen gewonnen.

 

Ein Enzym namens »Rohamalt« hilft bei der Herstellung von Light-Bier, »Corolase« dient zur Fleischzartmachung, »Rohalase« hilft, Marzipan weichzuhalten, dient aber laut Prospekt auch für die »optimale Einstellung der Stärkeleimviskosität bei der Papierherstellung«.

 

Die Herstellerfirma AB Enzymes empfiehlt Präparate wie »Rohapect VR-F« als »Problemlöser« bei der Weinbehandlung zur »Klärung von edelfaulem Lesegut«, etwa für »Ausleseweine«.

 

Die dänische Firma Novozymes ist Weltmarktführer bei Enzymen für Wasch- und Lebensmittel. Ihr Enzym »Novoferm« etwa, gewonnen aus dem Schimmelpilz Aspergillus niger, dient zur Geschmacksverbesserung bei Gewürztraminern, Chardonnay, Sylvaner, Müller-Thurgau, Muskateller, Sauvignon Blanc. Unter anderem.

 

Das Enzym Lipoxigenase kommt bei der Bleichung von weißen Getreidemehlen zum Einsatz, weil es im Mehl verbliebene Pflanzenfarbstoffe zu farblosen Substanzen abbaut. Lipoxigenasen werden aus Soja gewonnen.

 

Amylase ist ein stärkeabbauendes Enzym, das auch in Speichel und Bauchspeichel enthalten ist. Es beschleunigt den Stärkeabbau bei der Produktion von Backwaren und Getränken.

 

Enzyme verbessern auch die Ausbeute: Brauchte man zuvor neun Kilo Äpfel, um sechs Liter Saft zu pressen, reichen heutzutage schon sechs Kilo – bei Zugabe des Enzyms »Pectinex Smash«. Beim Apfelsaft, verkündet der Hersteller, sei es dank Pectinex Smash gelungen, eine »Ausbeute von über 100 Prozent« zu erreichen – ein Wunder der Rechenkunst.

 

Solche Enzyme gelten als unbedenklich. Sie können allerdings Allergien auslösen. Die enzymhaltigen Backmittel beispielsweise können das sogenannte Bäckerasthma auslösen, aber auch noch beim Biss ins Brot allergische Reaktionen hervorrufen.

 

Aus den Vereinigten Staaten wurde ein Fall bekannt, bei dem das Enzym Papain, das als Zartmacher für Fleisch eingesetzt wird, schwere allergische Schocks ausgelöst hat. Solche Berichte sind zwar selten, doch aufgrund zunehmenden Enzymeinsatzes von wachsender Bedeutung.

 

Auch Tieren werden Enzyme ins Futter gemischt. Weil Enzyme Zellwände zerstören und wertvolle Stoffe freisetzen können, helfen sie im tierischen Magen-Darm-Trakt bei der Verdauung. Da Schweine und Hühner oft Futter vorgesetzt bekommen, das zwar billig ist, vom Tier aber nicht verdaut und verwertet werden kann, werden spezielle Enzyme zugesetzt. Das ist etwa so, als ob die Menschen zum Frühstück Holz plus Enzyme, die die Späne verwertbar machen, im Müsli bekämen.

 

So soll beispielsweise ein Stoff namens »Rovabio PHY AP/LC« einen wichtigen Nährstoff aus Soja, Mais, Weizen oder Sonnenblumen herauslösen: Phosphor. Er wird von einem Kleinstlebewesen namens Penicillium funiculosum produziert – ein Pilz, der für schimmlige Wände in Wohnungen sorgt, aber für die Enzymproduktion umgeschult wurde.

 

Manche Enzyme werden auch mithilfe der Gentechnik erzeugt, von ingenieursmäßig optimierten Kleinstlebewesen. So etwa das Enzym »Phytase SP 1002«: Dieses Enzym wird von der Firma DSM Nutritional Products in Basel hergestellt und an Schweine sowie Geflügel verfüttert.

 

Als Hersteller für dieses Enzym wählten die Biotechniker eine Bazille vom Typ Hansenula polymorpha. Sie musste für ihren neuen Einsatzbereich aufwendig umgerüstet werden: Aus 19 anderen Kleinstlebewesen lösten die GenIngenieure einzelne Gensequenzen heraus, fügten sie in die Hansenula ein, nahmen schließlich noch Teile von Escherichia coli (EHEC) und Saccharomyces cerevisiae und vollendeten schließlich ihr Werk. Die umgerüstete Hansenula produziert seither die »Phytase SP 1002«. Diese wird im Stall verfüttert und lässt die zukünftigen Grillhähnchen in Rekordzeit anschwellen.

 

BASF lässt für die Produktion von »Natuphos®« den Schimmelpilz Aspergillus niger schuften. Der lebt häufig etwa in der Dusche, produziert dort unangenehme schwarze Flecken, ist aber seit Jahrzehnten auch erfolgreich bei der Produktion von Zitronensäure (E330) tätig.

 

Für die Enzymproduktion indessen reichten seine natürlichen Begabungen nicht. Da waren bei BASF einige gentechnische Manipulationen nötig. Der optimierte Gen-Schimmel hört dann auch auf den Namen »Aspergillus niger CBS 101.672« (NPH54) und produziert einen Stoff namens »3-phytase«.

 

So ein Enzym habe, wie BASF in einem Prospekt schreibt, »eine ganze Reihe von Vorteilen« für die Geflügelproduzenten und die Mischfutterindustrie: So könne »preiswerteres Getreide in höherem Umfang eingesetzt werden«.

 

Früher mussten Enzyme weder zugelassen noch gekennzeichnet werden, mit der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 hat sich das geändert. Die Enzyme zählen jetzt zu den „Stoffen zur Verbesserung von Lebensmitteln“ („Food Improvement Agents“) und werden zusammen mit den Aromen und Zusatzstoffen in vier Verordnungen erfasst („Food Improvement Agents Package“, kurz FIAP). Da sie aber meist nach Verrichtung ihrer Pflicht eliminiert werden und nur noch Reste bleiben, müssen sie auch nach neuer Gesetzeslage nicht deklariert werden (siehe Zusatzstoffe).