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Fett

Der jahrzehntelange Feldzug von Medien, Medizinern, Ernährungsberaterinnen gegen das Fett als Hauptschuldigen bei Übergewicht, Herzleiden und anderen Krankheiten wurde mittlerweile von Medizinforschern als Irrweg entlarvt, die zugrundeliegende Theorie als Fall von groß angelegtem Wissenschaftsbetrug. 

 

Gleichwohl führen ihn viele trotzig fort – obwohl Erfolge nicht zu verzeichnen waren, im Gegenteil: Womöglich hat der Kampf gegen den falschen Feind die Probleme, etwa an der Übergewichtsfront, noch verschärft. Denn Fette sind wichtig fürs Gehirn, für Intellekt und Psyche. Schuld an den Gesundheitsproblemen, die bisher dem Fett angehängt wurden, ist in Wahrheit der Zucker. Auch das haben Medizinforscher nachgewiesen – und zwar schon vor langer Zeit. Mittlerweile werden ihre Erkenntnisse immer wieder aufs Neue bestätigt.

 

Im Feldzug gegen das Fett spielten natürlich auch wirtschaftliche Interessen eine zentrale Rolle: Denn er sollte, das beweisen Dokumente, der Ablenkung vom Zucker und seinen schädlichen Folgen dienen. Und es gab natürlich auch Profiteure: Die Produzenten und Verwender von Zucker, die großen Nahrungskonzerne, auch die Hersteller von Margarine, und natürlich Pharmakonzerne, die Milliarden verdienen mit Mitteln zur Senkung des Blutfettes, dem Cholesterin, und schließlich die Abspeckindustrie mit ihren fettreduzierten Light-Produkten.

 

Als wichtigster Wegbereiter im Kampf gegen das Fett gilt der US-amerikanische Ernährungswissenschaftler Ancel Keys (1904 – 2004) mit seiner legendären „Sieben-Länder-Studie“, die in Forscherkreisen als der „größte Wissenschaftsbetrug“ des 20. Jahrhunderts, wenn nicht aller Zeiten gewertet wird, weil bei den ursprünglich 21 Ländern einfach jene weggelassen wurden, die nicht zum erwünschten Ergebnis passten. Sein Gegenspieler war der Londoner Professor John Yudkin (1910 -1995), der früh schon die Gesundheitsgefahren durch Zucker erforscht hatte – aber in der Wissenschaft an den Rand gedrängt und erst nach seinem Tod auf breiter Front bestätigt wurde.

 

Der Krieg gegen das Fett wurde, wie Forscher mittlerweile minutiös nachgewiesen haben, von der Zuckerindustrie initiiert. Cristin E. Kearns, Laura A. Schmidt und Stanton A. Glantz von der Universität von Kalifornien in San Francisco veröffentlichten am 1. November 2016 in JAMA Internal Medicine, der Zeitschrift der US-Medizinervereinigung American Medical Association, das Ergebnis ihrer Ermittlungen (Titel: Sugar Industry and Coronary Heart Disease Research. A Historical Analysis of Internal Industry Documents).

 

Die New York Times berichtete darüber unter der Überschrift „Wie die Zuckerindustrie die Schuld aufs Fett schob“ (How the Sugar Industry Shifted Blame to Fat): »Die internen Dokumente der Zuckerindustrielegen nahe, dass fünf Jahrzehnte Forschung über die Rolle von Ernährung und Herzkrankheiten, darunter viele der heutigen Ernährungsempfehlungen, stark von der Zuckerindustrie geprägt worden sein könnten.«

 

Gleich zu Beginn der Kampagne ließen sich sogar Wissenschaftler der renommierten Universität Harvard gegen Honorar von der Zuckerlobby vor ihren Karren spannen, wie die JAMA-Studie nachgewiesen hat.

 

Und es zeigte Wirkung: In der Folge führten die tonangebenden Wissenschaftler einen jahrzehntelangen Kampf gegen das Fett, engagiert unterstützt von willfährigen Medien.

 

»Wie süß!«, titelte zum Beispiel das Magazin der Süddeutschen Zeitung (SZ), und verkündete: »Die Sensation: Zucker macht nicht dick.«

 

Die Zeitungsleute hatten sich von einem deutschen Professor namens Volker Pudel die Thematik erklären lassen, damals der einflussreichste Vertreter seiner Zunft, zeitweilig Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und ein herausragender Vertreter der herrschenden Fett-Ideologie. »Nur Fett macht fett«, verkündete er unter großer Medienaufmerksamkeit über Jahre hinweg.

 

Dass das ein Irrtum war, das war auch damals schon klar: Schließlich hatte der Londoner Professor Yudkin schon seit den 1950er Jahren gezeigt, dass nicht das Fett, sondern der Zucker der Hauptverursacher der meisten Zivilisationskrankheiten ist.

 

Der Kampf gegen das Fett war mithin ein sorgsam und trickreich geplanter Kampf gegen den falschen Feind – und hat folgerichtig auch nichts gebracht.

 

Das zeigten Forscher der US-amerikanischen Harvard-Universität. In mehreren Studien untersuchten sie die Auswirkungen der Fettsparpraxis und die Begründungen dafür. Ihr Leiter, Professor Walter Willett, Chef der Abteilung für Ernährung an der Harvard School of Public Health, der als einflussreichster Ernährungswissenschaftler der Welt gilt, stellte fest: »Es gibt keine einzige Untersuchung, die einen langfristigen Nutzen einer fettarmen Ernährungsweise belegt.«

 

Die Harvard-Forscher fanden zum Beispiel heraus: Wenn sich Männer fettarm ernährt hatten, bekamen zehn von 1000 Befragten Herz- und Kreislauf-Krankheiten, bei den anderen waren es zwölf.

 

Auch bei einer 2006 veröffentlichten, von US-Regierungsstellen geförderten Untersuchung von 49 000 Frauen zwischen 50 und 79 Jahren ergab sich kein Vorteil der fettarmen Ernährung. Die Wissenschaftler hatten einer Gruppe von Frauen eine Kost vorgesetzt, die wenig Fett, aber viele Kohlenhydrate enthielt. Die andere durfte nach Herzenslust Butter, Käse, Wurst verspeisen.

 

Ergebnis: Die fettarme Ernährung schützte die Frauen weder vor bestimmten Krebsarten noch vor Herzerkrankungen oder Schlaganfällen.

 

Zahlreiche weitere Untersuchungen zeigten ähnliche Ergebnisse: Wenn die Leute weniger Fett essen, werden sie nicht unbedingt gesünder – leiden oft sogar mehr als jene, die beherzt zu vollfettem Joghurt, Mandeltörtchen und Sahne greifen.

 

Es könnte sogar sein, dass die Anti-Fett-Politik die Leute erst recht dick macht, schrieb das US-Wissenschaftsmagazin Science. »Der Grund für die sich ausbreitende Epidemie des Übergewichts könnte sein, dass die Leute weniger Fett essen und mehr Kohlenhydrate

 

Die Wahrheit ist: Wer fetter isst, ist schlanker.

 

Dies war auch das überraschende Ergebnis einer schwedischen Studie. Die Wissenschaftler der Universität von Göteborg hatten bei vierjährigen Kindern Blutwerte, Gewicht und Körpergröße mit ihren Ernährungsgewohnheiten verglichen.

 

Das überraschende Ergebnis: Die Kinder, die viel Fett zu sich nahmen, wogen weniger als jene, die ihren Energiebedarf überwiegend durch Kohlenhydrate in Form von Zucker deckten.

 

Vielleicht ist die Anti-Fett-Hysterie auch mitschuldig daran, dass bei immer mehr Paare der Kinderwunsch unerfüllt bleibt.  

 

Denn das Fett hat auch Einfluss auf die Hormone im Körper– nicht nur jene für die Nahrungsaufnahme, sondern auch diejenigen für Sex und Fruchtbarkeit.

 

Und darum kann überraschenderweise fettarmer Joghurt schuld daran sein, dass der Nachwuchs ausbleibt. Nach einer Untersuchung der Harvard-Universität sind Frauen, die viele fettarme Milchprodukte essen, häufiger unfruchtbar. Für die Untersuchung waren 18 555 Frauen im gebärfähigen Alter befragt worden.

 

Das Risiko, keine Kinder zu bekommen, lag bei jenen Frauen, die mehr als zwei Portionen fettarmer Milchprodukte pro Tag gegessen hatten, um 85 Prozent höher als bei denjenigen, die weniger als eine Portion pro Woche gegessen hatten.

 

Der Verzicht aufs Fett, so stellten Wissenschaftler weiter fest, schlägt den Menschen auch aufs Gemüt: Wenn Fette fehlen, trübt das die Stimmung, wie zahlreiche Studien über Depressionen ergaben. Auch bei manisch-depressiven Störungen, selbst bei Schizophrenie gibt es einen Zusammenhang mit dem Fettstoffwechsel, führen bestimmte Fette zu einer Besserung des Befindens.

 

Es geht dabei in erster Linie um die sogenannten Omega-3-Fette. Sie sind für die Psyche wichtig, für das Herz, für die Sehkraft, fürs Gehirn. Eine Forschergruppe von der University of Georgia fand heraus, dass Omega-3 sogar die Entwicklung von Fettzellen unterdrückt. Einen ähnlichen Effekt hat ein Fett namens CLA (konjugierte Linolsäure).

 

Dass der Krieg gegen das Fett ein Irrtum war, war der weltweiten Öffentlichkeit war spätestens seit 2002 bekannt, als die New York Times über die Erkenntnisse der Harvard-Forscher berichtete unter der Überschrift: „Was, wenn alles eine dicke, fette Lüge war?“ (What if It's All Been a Big Fat Lie?).

 

Die Ernährungskundler in Deutschland zeigen sich völlig unberührt. Sie trommeln einfach weiter gegen das Fett. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) blieb dabei: »Zu viel Fett macht fett.« Der »Fettkonsum« müsse daher »eingeschränkt werden«.

 

Und sie starteten sogar noch weitere große Forschungsprojekte, etwa zum Thema »Fettwahrnehmung und Sättigungsregulation: Ansätze zur Entwicklung fettreduzierter Lebensmittel«. Koordiniert wurde das Projekt durch den »Forschungskreis der Ernährungsindustrie« (FEI), als Projektpartner zusammengefunden haben sich die Universitäten Hohenheim, München, Tübingen, Erlangen-Nürnberg und die Technische Hochschule Karlsruhe sowie das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE).

 

Beteiligt war auch ein Hersteller von Aroma, weil die fettreduzierten Light-Produkte geschmackschemisch aufgerüstet werden müssen.  Gefördert wurde das Projekt vom Bundeswirtschaftsministerium und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit drei Millionen Euro.

 

Noch 2019 starteten neue Forschungsprojekte zur Fettreduzierung, im ganz großen Stil, im Rahmen eines riesigen „Innovationsnetzwerks“ der Europäischen Union (EU), mit über 1000 Partnern: dem Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT). Ziel: „Eine gesunde Ernährung mit weniger Fett“.