Hähnchen zählen zu den beliebtesten Speisetieren. Sie sind allerdings nach jahrtausendelanger Koexistenz mit dem Menschen in der Parallelwelt der modernen Industrienahrung erniedrigt worden zu einem Produkt, das in unterschiedlichen Erscheinungsformen vermarktet wird. Ein wachsender Teil wird dabei nicht in Naturform konsumiert, sondern als Formgeflügel, wie etwa Chicken McNuggets bei McDonald’s. Durch diesen Transformations- prozess wird das Tier jedoch sehr teuer, und es enthält zahlreiche Chemikalien. Hähnchen ist gesund, es enthält Zink, Eisen, Kalium, die Vitamine A, E und diverse B-Vitamine, viel Protein und wenig Fett, wobei den wahren Brathähnchenfreunde natürlich die krosse Kruste am besten schmeckt. Das Huhn (Gallus gallus domesticus) ist das wichtigste Haustier der Menschen, 45 Milliarden Individuen bevölkern die Werde, es wurde vor etwa 8000 Jahren domestiziert, vermutlich in vielen Regionen der Erde, vor allem Asiens, aus wilden Vorfahren wie dem Bankivahuhn (Gallus gallus) und dem Grauen Kammhuhn (Gallus sonneratii). In der Welt der traditionellen Ernährung war das Hähnchen natürlich ein Hahn, mit klar umrissenen Aufgaben im Soziotop des Stalles. Zum Hähnchen degradiert wurde er in der Welt der industriellen Massenställe mit oft hunderttausenden von Art- und Leidensgenossen. Aufgrund hohen Krankheitsdrucks, erhöhten Antibiotikaeinsatzes und regelmäßiger Ausbrüche etwa von Salmonellen oder Campylobacter leidet natürlich auch der gesundheitliche Status. Das Huhn als Speisetier ist in westlichen Ländern ausschließlich männlich. Denn in der Welt der Hühner gibt es eine strenge Arbeits- teilung: Die weiblichen Hennen müssen Eier legen, die männlichen Hähnchen müssen Muskeln zeigen, denn sie werden verspeist. Weil die Züchtung streng nach diesem Pflichtenschema vorgeht, müssen 60 Millionen Küken jährlich allein in Deutschland ihr Leben lassen, weil sie das falsche Geschlecht haben: Weibliche Küken müssen ster- ben, weil sie für die Mast in Hähnchenfabriken das falsche Geschlecht haben; umgekehrt werden die Männchen gemeuchelt, weil sie in den Eierfabriken nicht als Legehennen eingesetzt werden können. Weil das zunehmend auf Kritik stößt, arbeiteten die Hühnerdesigner in den Zuchtkonzernen mit Hochdruck am sogenannten „Zweinutzungshuhn“, beispielsweise der Marke „Lohmann Dual“. Geflügelproduktion ist Massenproduktion: »Der Trend geht auch hier zur Vollautomatisierung«, meldete das Fachorgan Die Ernährungsin- dustrie. So werden beispielsweise die Broiler, wie im Fachjargon die Masthähnchen genannt werden, gleichsam fließbandmäßig entleibt. Bis zu 8000 Broiler pro Stunde kann eine moderne Anlage verarbei- ten. Die Reste am Knochen nagt ein spezielles »Fleischrückgewinnungsgerät« ab. Diese Fleischreste eignen sich immer noch, so das Fachblatt, »für die Herstellung verschiedener Imbisse und Wurstwaren«. Marktführer in der industriellen Hähnchenproduktion ist die nord- deutsche Firma Wiesenhof. Sie gehört zur Lohmann & Co. AG (PHW-Gruppe), einem riesigen, in Fachkreisen sehr angesehenen internationalen Agro-Konzern, der im Jahr auf einen Umsatz von 2,6 Milliarden Euro kommt. Sie sitzt eigentlich in Niedersachsen, hat ihren „Stiftungssitz“ aber im Fürstentum Liechtenstein. Der Konzern betreibt einen ganzen Verbund von Geflügelmastanstalten und Schlächtereien, in denen pro Woche 4,5 Millionen Masthähnchen erlegt wer- den. Und er ist nicht nur in Deutschland tätig: Jedes dritte Hähnchen, das weltweit verzehrt wird, stammt aus einem Betrieb des Konzerns. Doch der Trend entfernt sich auch vom Huhn als erkennbarem Le- bewesen. Ein wachsender Anteil des Fleisches wird erst nach einem Transformationsprozess verzehrt, an dessen Ende ein einheitlich ge- stalteter Markenartikel steht: etwa der McChicken und Chicken McNuggets oder Geflügelwürstchen von Wiesenhof namens »Bruzz- ler«. Das Produkt erscheint dann billig, ist aber in Wahrheit sehr teuer geworden, der Preis pro Kilogramm liegt oft höher als bei den luxuriösen französischen Bresse-Hühnern. Dafür erwirbt der Käufer hier auch kein reines Fleisch, sondern eine Fül- le von Zutaten. So besteht der McChicken-Burger aus Hähnchenbrust 55 Prozent, Panade (Weizenmehl, Maismehl, Reismehl), pflanzlichem Öl gehärtet (Transfer), Maisstärke, Eialbumin, Hefeextrakt, Backtriebmittel: E 450 (Diphosphate), E 500 (Natriumcarbonate), E 503 (Ammoniumcarbonate), Salz, Aromen, Zucker, Pfeffer, Senfpulver, Molkenprotein, Paprikaextrakt, Kräutern, Verdickungsmittel: E 461 (Methylcellulose), Gewürzextrakt, Kaliumchlorid, Wasser, Salz, Kartoffelstärke. Für McDonald’s Deutschland werden 20 Millionen Hühner pro Jahr geschlachtet, dabei verwendet das Unternehmen nach eigenen Angaben nur das weiße Fleisch, der Verbleib des Resthuhns ist schwer zu ermitteln. Der Transformationsprozess hat zur Folge, dass die verschiedenen Teile des Hähnchens unterschiedlichen Verwendungszwecken in ver- schiedene Weltgegenden zugeführt werden. Das Brustfleisch und vielleicht die Keulen verzehren die Deutschen, die Füße gehen nach Asien, wo sie als Delikatesse gelten, und die Reste des Tieres nach Afrika, wo sie zum Ruin der lokalen Geflügelzüchter beitragen. Spezielle Geflügelverwerter schlachten die übrigen Teile aus. Etwa die zum Lohmann-Konzern gehörige Firma GePro, eines der führenden Unternehmen für die Verwertung von Hühnerresten. Sie macht das zu Geld, was übrigbleibt, wenn zum Beispiel Wiesenhof die Brüste aus dem Huhn gelöst und verkauft hat. GePro hat daraus »Flavours« fürs Katzenfut- ter entwickelt. Man kann der Katze dann jedes beliebige Futter vorset- zen, und sie verspeist das gern. Denn, so die GePro-Werbung: »Die trockenen Flavours verstärken die Akzeptanz von trockenem Katzen- futter, unabhängig des jeweiligen Katzenfuttergrundgeschmacks.« Eine ganz besondere Aufwertung erfährt das Fett: Das bekommen nicht die Katzen und auch nicht die Menschen: GePro macht daraus preisgekrönten Hühnerdiesel für die Lastwagen der Geflügelin- dustrie. Es gibt natürlich auch weiterhin einige glückliche Hühner, auf kleineren, aber gleichwohl professionellen Höfen, die etwas teurer sind, und zumeist Bio, die höchsten Standards haben dabei wie üblich diejenigen der Marke Demeter.