Obst steht ganz oben, gemeinsam mit Gemüse. Klar. Hülsenfrüchte sind auch dabei, also Erbsen, Linsen, auch Haferflocken und andere Vollkornsachen. Es geht schließlich um gesunde Ernährung.
Aber, Überraschung: Zu den Top-Gesundheitslebensmitteln gehören auch einige, die bisher eher verpönt waren.
Sie werden jetzt gewissermaßen rehabilitiert, durch diese gigantische globale Untersuchung, die mit einigen Ernährungs-Irrtümern aufräumt – auf einer sensationell großen Datenbasis, mit hunderttausenden von Beteiligten auf allen fünf Kontinenten, auch aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien.
Auf der Suche nach der Welt-Auswahl der besten und gesündesten Lebensmitteln haben Forscher die Versuchspersonen zehn Jahre lang begleitet, alles erfasst, was sie verzehrten, Krankheiten und Todesfälle festgehalten.
Die monumentale Untersuchung erschien Anfang des Monats im European Heart Journal unter dem Titel „Ernährung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Sterblichkeit in 80 Ländern“ (Diet, cardiovascular disease, and mortality in 80 countries).
Eigentlich hätte so eine Untersuchung gar nicht stattfinden dürfen. Denn es gibt ja angeblich keine gesunden und ungesunden Lebensmittel, behaupten jedenfalls immer wieder maßgebliche Experten.
Und wenn es keine gesunde oder ungesunde Nahrung gibt, ist es völlig egal, was ich zu mir nehme.
Doch auch mit diesem Irrglauben haben die Forscher aus aller Welt jetzt aufgeräumt.
Sie haben nachgewiesen, dass es sehr wohl Lebensmittel gibt, die als gesund gelten können – weil Menschen länger leben, wenn sie sich damit ernähren, seltener Herz-Kreislauf-Krankheiten haben, Bluthochdruck, Schlaganfall, Infarkt.
Sie übten auch dezente Kritik an herrschenden Ernährungsrichtlinien, die wissenschaftlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit sind.
Denn auf der Liste der ultimativen Gesundheitslebensmittel findet sich auch einiges, was die Leute meiden, weil Medien, Experten, Ernährungsberaterinnen davon abraten - ohne Grund eigentlich, wie spätestens diese Riesen-Untersuchung gezeigt hat.
Koordiniert wurde die Erhebung von der Projektleitung im kanadischen Hamilton am Ontariosee. Ganze Bataillone von Forschern an Universitäten in aller Welt waren beteiligt, ihre Namen stehen im Anhang, auf 24 eng bedruckten Seiten.
Sie haben herausgefunden, dass viele Lebensmittel auf dem Index stehen, obwohl sie eigentlich ganz gesund sind, sozusagen zu den Erfolgsrezepten der Gesündesten auf diesem Globus gehören.
Eier zum Beispiel. Oder Fleisch. Und fette Milchprodukte. Auch Nüsse. Sie wurden von vielen, schreiben die Studienautoren, „gemieden, da sie als ‚energiereich‘ gelten.“ Wegen der vielen Kalorien also.
Und jetzt stellte sich heraus, dass sie wider Erwarten besonders gesund sind. Wer sie isst, lebt länger und gesünder. Trotz ihres Fettgehaltes. Oder besser gesagt: Genau deswegen. Gerade pflanzliche Fette sind ja nach neuen Erkenntnissen ganz gut für den Organismus.
Doch als gesund erwiesen sich erstaunlicherweise sogar „tierische Lebensmittel“, bis hin zum "roten" Fleisch, Rind, Schwein, Lamm, mit „gesättigten Fetten“. Auch diese sind offenbar weit weniger schlimm als bisher gedacht. Selbst Eier, die gefürchteten Cholesterinbomben, könnten sogar, Überraschung, eher gesund sein.
Ebenso Vollfett-Milchprodukte. Da hatten ja Experten und Medien stets zur „fettarmen“ Variante geraten. Milch mit 1,5 Prozent Fett (oder sogar noch weniger). Light Joghurt. Magerquark.
Doch gerade die Gesündesten unter den Versuchspersonen hatten sich daran nicht gehalten, sondern munter Vollmilch getrunken, auch den fetten Joghurt gelöffelt, und sich beim Käse auch nicht um den Fettgehalt geschert – was ihnen ganz offenkundig gut bekommen ist.
Vollfette Milchprodukte zählen, laut Studie im European Heart Journal, zu den "Schutzlebensmitteln", so das Fazit: „Insbesondere Vollmilchprodukte können vor dem Risiko von Bluthochdruck und metabolischem Syndrom schützen“ und mithin „Teil einer gesunden Ernährung sein“
Oder das Fleisch, das derzeit ja ein ganz schlechtes Image hat. Wohl denen, die sich davon nicht beeindrucken ließen: Denn die harten Daten zeigen ein anderes Bild.
Schnitzel, Steak, Döner: Gar nicht so schlimm, eigentlich „neutral“ einzustufen. Man sollte es „weder meiden noch übermäßig bevorzugen“. Immer weniger davon zu essen macht mit Sicherheit nicht gesünder, eher im Gegenteil. Bei der berühmten Mittelmeerernährung gehöre es ja auch dazu.
Diese Erkenntnisse seiner Forschungsteams aus den verschiedenen Weltgegenden sollten unbedingt in die Diskussion um die globale Gesundheit einfließen, meinen die Autoren, angeführt von Professor Andrew Mente, Epidemiologe von der McMaster University im kanadischen Hamilton am Ontariosee.
Insgesamt werteten sie Daten aus 80 Ländern aus, allein an der Ernährungs-Erhebung waren insgesamt 147.642 Versuchspersonen aus 21 Ländern in allen fünf Kontinenten beteiligt, einer Langzeituntersuchung unter dem Titel „PURE“ (Prospective Urban Rural Epidemiology, zu deutsch: Prospektive Epidemiologie in Stadt und Land).
Sie mussten genau angegeben, was sie jeden Tag zu sich nahmen, wobei je nach Land bis zu 250 Lebensmittel zur Auswahl standen. Als gesund galten dabei sechs Kategorien: Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Fisch und Milchprodukte. Je nachdem, wie groß bei ihnen der Anteil davon, wurden die Teilnehmer in fünf Gruppen eingeteilt, von Gruppe 1 mit den wenigsten bis Gruppe 5 mit den meisten dieser gesunden Lebensmittel.
Natürlich wurden auch die medizinischen „Ereignisse“ festgehalten. Insgesamt waren bei den 147.642 Teilnehmern aus der Kerngruppe der PURE-Untersuchung 15.707 Todesfälle zu beklagen und 40.764 kardiovaskuläre Ereignisse wie Infarkte oder Schlaganfälle.
Und dann ging es an die Auswertung: Wen traf es zuerst? Wer musste gar aus der Liste gestrichen werden? Und welche Gruppen waren besonders betroffen? Waren wirklich die aus der Top-Gruppe mit den gesündesten „Scores“, also Essensqualitäts-Punkten, am langlebigsten und widerstandsfähigsten?
Und tatsächlich: Die Gourmets unter den Testpersonen, die mit der besten Ernährung also, waren tatsächlich gesünder. Sie hatten, verglichen mit der untersten Gruppe der Schlechtesser, ein 14 Prozent geringeres Risiko für einen Herzinfarkt, ein 19 Prozent geringeres Schlaganfallrisiko, und sogar ein um 30 Prozent geringeres Sterberisiko, im Durchschnitt.
Natürlich waren die Besseressenden oft zugleich Besserverdienende, Besserlebende, Bessergestellte, doch auch, wenn man das herausrechnete, war allein durch gesündere Ernährung das Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden oder gar vorzeitiges Ableben geringer, und zwar um bis zu 40 Prozent.
Das Schöne: Wer auf den 5 Stufen des gesunden Essens sich nur um ein Level nach oben bewegt, verringert sein Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen um sechs und die Gefahr für vorzeitiges Ableben (Mortalitätsrisiko) um acht Prozent.
Aber was haben sie nun gegessen, die Champions von Level 5 (dem „5. Quintil“), also die gesündesten 20 Prozent?
Es waren überraschenderweise nicht nur die gemeinhin als „gesund“ gepriesenen Sachen.
Ganz oben stand natürlich Obst und Gemüse (563,1 Gramm am Tag). Danach kamen schon die bei Gesundheitsaposteln verpönten fetten Milchprodukte (185,5 Gramm).
Anschließend folgten weitere Posten mit nicht ganz lupenreinem Gesundheitsimage. Süßes beispielsweise. 130 Gramm am Tag, Kuchen, Kekse, Pudding und dergleichen.
Auf dem nächsten Rang platzierten sich die bislang auch nicht gerade hoch angesehenen Weißmehlprodukte wie Weißbrot, Nudeln, Fertigmüsli, Waffeln mit knapp 120 Gramm, zusammen mit ebenfalls 120 Gramm Tierischem, Fisch, Fleisch, Eiern.
Top-Food: Das essen die Gesundheits-Champions PURE Healthy Diet Score, Gramm pro Person / Tag |
|
Obst |
256,8 |
Gemüse |
306,3 |
Hülsenfrüchte |
48,0 |
Nüsse |
28,2 |
Fisch |
26,1 |
Milchprodukte (Vollmilch, Joghurt, Käse) |
185,5 |
Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm, Ziege) |
54,5 |
Weißes Fleisch (Huhn, Ente, Pute, Kaninchen) |
22,1 |
Eier |
18,0 |
Raffinierte Weizennahrung (Weißbrot, Nudeln, Kekse, raffiniertes Getreidefrühstücksmüsli, Pfannkuchen, Waffeln) |
119,4 |
Reis |
80,8 |
Kartoffeln und Knollen |
34,6 |
Süßigkeiten (Kuchen, Kekse, Kekse, Gelatine, Gebäck, Torten, Pudding und Bonbons) |
128,6 |
Vollkornprodukte, (Vollkornbrot, Nudeln, Gnocchi, Ravioli, Cracker, Müsli, Müsliriegel, Vollkorn-Frühstückscerealien, Haferbrei, Grieß |
40,9 |
(Andrew Mente et al.: Diet, cardiovascular disease, and mortality in 80 countries, European Heart Journal, 2023 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad269)
Über ein Pfund oder ein Drittel der täglichen Kost machte bei den gesündesten Versuchspersonen also Elemente aus, von denen die Experten in ihren Empfehlungen eher abraten.
Das war natürlich eine Überraschung für die Forschergruppe, dass ihre Erkenntnisse sich so auffallend von den Ernährungsrichtlinien verschiedener Länder unterschieden. Ausgerechnet das Gesunde wird nicht empfohlen – oder sogar verdammt.
Die Studienautoren um Professor Mente formulieren das vornehm so: Die „aktuellen Daten“ hätten „herkömmliche Empfehlungen darüber, welche Nahrungsbestandteile schützend oder schädlich sind, in Frage gestellt.“
Pech für die armen Leute, die sich an die von Medien verbreiteten Empfehlungen halten.
Bei Fett und Cholesterin beispielsweise. So kritisierten die Forscher, dass sich Öffentlichkeit und Industrie weiterhin stark auf fettarme Lebensmittel konzentrierten. Sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führe weiter den Kampf gegen das Fett. Mit der Folge, dass die Leute mehr Zucker verzehren, und mehr Chemie, in den industriellen Light-Produkten, oder sogar definitiv ungesunde, ja herzschädliche Elemente in den cholesterinsenkenden Produkten aus dem Supermarkt.
Also: Natürlich geht es weiterhin gegen das Ungesunde. Ausdrücklich erwähnen die Wissenschaftler auch die „ultra-verarbeitete“ Nahrung, also Fastfood, Softdrinks, Fertigkost, mit der sich die PURE-Forschungsgruppe erst Anfang dieses Jahres beschäftigt hatte, eine „Begrenzung des Verbrauchs“ gefordert, und zwar „weltweit“, weil sie „mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden“ sei.
Doch jetzt haben sie den Fokus aufs Gesunde gerichtet. Eigentlich auch eine gute Idee, sich einmal ausgiebig mit dem zu beschäftigen, was die Menschen auf der Welt wirklich gesund hält. Die Gourmet-Ernährung, gewissermaßen.
Positiv denken, besser essen: Wer sich mit diesen „schützenden Lebensmitteln“ ernährt, nimmt automatisch weniger von den schädlichen zu sich.
Wenn ich jeden Tag fast eineinhalb Kilo Gesundes gegessen habe, habe ich keine Lust mehr auf Ungesundes.
Nach all den Erdbeeren, Heidelbeeren, dem Müsli mit Melone, nach Tomaten und Paprika, Linsen und Erbsen, Rosmarinhähnchen und Kartoffeln, Roastbeef mit Remouladensauce, Keksen und Kuchen, da bin ich eigentlich wohlig satt.
Viel mehr braucht es ja nicht fürs Glück, oder wenigstens fürs Wohlbefinden.