Die Nahrung ist von großer Bedeutung für das Gehirn. Schon eine einzige Mahlzeit kann seine Funktionsfähigkeit beeinflussen. Bisher ist die Gehirnkapazität stetig gewachsen, doch nun scheint sich die Entwicklung umzukehren. Bei vielen Menschen schrumpfen sogar ganze Hirnregionen. Nachlassende Intelligenz, steigende Raten bei Alzheimer, aber auch psychischen Problemen bis hin zu Depressionen, auch gestörtes Verhalten gehen damit einher, sogar Übergewicht, denn das Gewicht wird ebenfalls vom Gehirn reguliert. Eine wichtige Rolle spielt die nachlassende Qualität der Nahrung durch das herrschende industrielle Ernährungssystem. Individuelle Lösungen zwecks besserer eigener Performance konzentrieren sich auf die Verbesserung der Versorgung und die Vermeidung der störenden Elemente. Gefragt sind indessen auch gesellschaftliches Lösungen, denn nachlassende geistige Leistungsfähigkeit schränkt auch die wirtschaftlichen Erfolgschancen ein und hat damit auch Auswirkungen aufs Bruttosozialprodukt und den Wohlstand künftiger Generationen.
Das Gehirn des Menschen ist das Organ mit dem höchsten Energieverbrauch: Es hat nur einen Anteil von zwei Prozent am Körpergewicht, aber von 22 Prozent am Kalorienverbrauch.
Das Hirn braucht vor allem Energie – 25 Watt, so viel wie eine kleine Glühbirne. Aber es braucht auch Baustoffe, nicht nur in der Kindheit, in der Bauphase, sondern auch später, wenn es um Erhaltung und Renovierung geht.
Mehr und mehr Wissenschaftler haben sich auf diese Versorgungsfragen spezialisiert. Für sie ist es „logisch, dass die Nahrungsaufnahme und die Nahrungsqualität einen Einfluss auf die Gehirnfunktion haben“, wie eine internationale Forschergruppe schreibt unter der Leitung von Roger Adan vom Universitätsklinikum Utrecht in den Niederlanden, im Journal European Neuropsychopharmacology.
So habe „die Ernährung“ erhebliche Auswirkungen „auf die psychische Gesundheit, die Stimmung und die kognitive Leistung“. Denn: „Zusammensetzung, Struktur und Funktion des Gehirns hängen von der Verfügbarkeit geeigneter Nährstoffe ab, darunter Lipide, Aminosäuren, Vitamine und Mineralien.“
Mit der Ernährung des Gehirns beschäftigen sich mehrere neue Forschungsdisziplinen, wie etwa die „Hirnernährungswissenschaft“ (Nutritional Neuroscience), die „Ernährungspsychiatrie“ (Nutritional Psychiatry), und eine weitere neue Disziplin, die sich mit dem Zusammenhang zwischen den Verbindungen zwischen Verdauungstrakt und Gehirn beschäftigt: die „Neurogastroenterologie“ (Darmhirn).
Sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet die Ernährung als Risikofaktor für die zunehmende Aggressivität und Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen, und empfiehlt daher in einem Welt-Report über Gewalt und Gesundheit, Gifte und Schadstoffe im Essen zu eliminieren, um so »das Risiko für Hirnschäden bei Kindern zu verringern«, die »indirekt zu Jugendgewalt führen können«.
Besonders wichtig ist die Versorgung vor allem in der Kindheit. Der IQ, die Leistungsfähigkeit von Kindern und auch ihre Ausgeglichenheit ließen sich durch Ernährung um 5 Prozent steigern, so eine Faustregel von Forschern. Durch angemessene Ernährung kann die Leistungsfähigkeit die grauen Zellen bis ins hohe Alter erhalten und sogar gesteigert werden.
Das industrielle Ernährungssystem bedroht die Versorgung der grauen Zellen und damit die Funktionsfähigkeit des Gehirns. Insbesondere die ultra-verarbeitete Nahrung mit ihren neuartigen Inhaltsstoffen führt zu einem Mangel an hirnwichtigen Nährstoffen und liefert zudem eine Fülle von Schadstoffen.
Wissenschaftler machen unter anderem die industrialisierte Landwirtschaft für den IQ-Verlust verantwortlich: Die »Grüne Revolution« mit Hochleistungsdünger und chemischen Giften habe zwar die Erträge explodieren lassen, aber auch zu einem relativen Schwund hirnwichtiger Bestandteile im Essen geführt: so etwa Eisen, Zink oder die sogenannten Omega-3-Fette.
Schädlich fürs Gehirn hingegen ist etwa die Überdosis an Zucker. Zwar ist er
der wichtigste Treibstoff fürs Hirn, zu viel davon jedoch ist schädlich.
Ein weiterer Risikofaktor ist der Geschmacksverstärker Glutamat, einer der wichtigsten Botenstoffe im Gehirn, lebensnotwendig, in vielen Nahrungsmitteln von Natur aus enthalten, sogar in der Muttermilch. Im Übermaß allerdings kann er Gehirnzellen zerstören, ist mithin ein Risikofaktor für neurodegenerative Krankheiten wie Morbus Alzheimer. Zudem kann Glutamat die Gewichtskontrolle manipulieren und so auch zu Übergewicht führen.
Auch der Süßstoff Aspartam ist als Hirnschädling identifiziert. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernschwächen (ADHS) führen, einige davon müssen deshalb mit Warnhinweisen versehen werden.
Und noch ein Zusatzstoff spielt für das Gehirn eine wichtige Rolle: Zitronensäure (E330).
Sie ist in vielen Nahrungsmitteln der Supermärkte enthalten, in fast allen Limonaden, in Fertignahrung, Margarine, Gummibärchen.
Zitronensäure kann dazu beitragen, dass Aluminium ins Gehirn transportiert wird – ein Risikofaktor für Alzheimer, aber auch Hyperaktivität und Lernstörungen (ADHS).
Wenn verschiedene Zusatzstoffe zusammen verzehrt werden, kann
sich das Risiko für Schäden im Gehirn drastisch erhöhen.
Dies fanden englische Forscher heraus. Sie untersuchten den Farbstoff Chinolingelb (E104), die Farbe Brillantblau (E133), den Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und den Süßstoff Aspartam (E 951).
Das überraschende Ergebnis: Die Zerstörungskraft der Zusatzstoffe auf die Hirnzellen addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich.
Auch die immer noch weithin unbekannten, aber durch die Erhitzung der Industrienahrung allgegenwärtigen Advanced Glycation End Products (AGEs) können die Hirnfunktion stören und bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer eine Rolle spielen.
Als hirnschützend gilt die sogenannte traditionelle Ernährung, insbesondere die mediterrane Ernährung, deren Qualitäten für die grauen Zellen zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben.
Bei Skandinaviern allerdings hat sich die sogenannte Nordische Ernährung („Nordic Diet“) als noch wirksamer erwiesen.
Ein unabdingbares Hirnschutzmittel scheint auch der Wein zu sein. Der wichtigste Wirkstoff ist dabei nicht der Alkohol, sondern die sogenannten Polyphenole, die auch in Olivenöl, Grüntee und Schokolade enthalten sind.
In Rotwein allerdings wirken diese Polyphenole besonders hirnschützend („neuroprotektiv“). Das zeigte sich jedenfalls bei einem Vergleich von 39 solchen Stoffen.
Selbst Reiswein scheint solche Effekte zu haben, fanden die Forscher heraus vom Nationalen Institut für Langes Leben in der Präfektur Aichi, 250 Kilometer westlich von Tokio.
Sie ermittelten, dass Männer zwischen 40 und 79 Jahren, die bis zu einem halben Liter Wein oder auch den Reiswein Sake tranken, einen um 3,3 Punkte höheren Intelligenzquotienten hatten als die Abstinenzler. Bei Frauen waren es immerhin noch 2,5 Punkte. Hiroshi Shimokata, der Chef der Forschungsgruppe, räumte ein, es sei womöglich nicht das entnüchternde Getränk allein sei, das wegen seiner Antioxidantien die Hirnleistung fördere. Die Weintrinker äßen auch mehr Fisch, der wegen der Omega-3-Fette gut für die Intelligenz sei, und auch mehr Käse, dessen hoher Fettgehalt ebenfalls gut fürs Gehirn sei.
Ähnliches hatten auch dänische Forscher herausgefunden.