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Depressionen

Schlechtes Essen kann Ihr Gefühlsleben beeinträchtigen und zu Depressionen führen. Solch ein Warnhinweis wäre angebracht auf Pizza aus der Tiefkühltruhe, Cola, Chips und vielen anderen Produkten der Supermärkte. Dabei galten Depressionen bisher als Reaktionen auf belastende Ereignisse oder aber als genetisch festgeschriebenes Erbe. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass auch die Nahrung die Befindlichkeit beeinflussen kann. Mittlerweile beschäftigt sich eine eigene Forschungsrichtung mit den Auswirkungen der Nahrung auf die Stimmung und Befinden, die sogenannte Ernährungspsychiatrie (Nutritional Psychiatry). Nach ihren Erkenntnissen ist insbesondere die moderne westliche Ernährungsweise dazu geeignet, die Körperchemie so zu beeinflussen, dass die Schwermut zunimmt. Eine wichtige Rolle spielen auch deren Effekte auf das Mikrobenmilieu im Verdauungstrakt, dem sogenannten Darmhirn).

 

„Es gibt immer mehr Belege für den Zusammenhang zwischen der Qualität der Ernährung (und möglichen Ernährungsmängeln) und der psychischen Gesundheit“, schrieb eine große internationale Autorengruppe im renommierten britischen Medizinjournal The Lancet unter dem Titel: „Ernährungspsychiatrie als Mainstream in der Medizin“ (Nutritional medicine as mainstream in psychiatry).

 

So etwa bei der klassischen Form der Schwermut: „Die Ernährung kann ein Risikofaktor für eine unipolare Depression sein“, hatten schon im Jahre 2013 Forscher der britischen Edel-Universität Oxford festgestellt. So erhöht die Westliche Ernährung das Risiko für Depression um 41 Prozent, wie bei einer finnischen Studie herauskam. 

 

Sogar bei Migranten kann die Stimmung von der Nahrung maßgeblich beeinflusst werden, wie 2019 eine Studie der University of British Columbia im kanadischen Vancouver herausfand.

 

Gerade bei ihnen kann es ja einen förmlichen Ernährungsschock geben, wenn sie aus einem Land mit traditioneller Ernährungskultur in ein Fastfood-Land kommen. „Psychische Erkrankungen“, heißt es da, stellten „eine große Belastung für die öffentliche Gesundheit der großen Einwandererbevölkerung Kanadas dar“, wobei eine „gesündere Ernährung die kognitive, soziale und emotionale Funktionsfähigkeit“ fördern könnte.

 

Eine maßgebliche Rolle spielt auch hier die ultra-verarbeitete Nahrung, von den Babygläschen über die Tiefkühlpizza bis zu Fastfood. Je mehr davon ein Mensch verzehrt, desto größer ist die Gefahr der Verstimmung: Bei einer französischen Studie von 2019 auf der Basis der NOVA-Klassifikation für Lebensmittel stieg bei 10 Prozent mehr Ultra-Essen das Risiko für eine Depression um mehr als 20 Prozent.

 

Eine besondere Rolle bei der weltweiten Pandemie der Depressionen spielen offenbar Softdrinks. In vielen Ländern haben Studien nachgewiesen, dass der „Konsum von zuckergesüßten Getränken mit einem signifikant erhöhten Risiko für Depressionen verbunden“ ist, so der Psychologe Daniel Reis von der Universität Kansas.

 

Einschlägige Belege gibt es nicht nur für Länder wie die USA, Norwegen und viele andere. Auch in China schlägt der Softdrink-Tsunami messbar auf die Laune. So sei ein „hoher Konsum von Erfrischungsgetränken signifikant mit einer höheren Prävalenz depressiver Symptome bei Erwachsenen in China“ verbunden, schreibt eine chinesische Forschergruppe im Journal of Affective Disorders.

 

Die Konsumenten der süßen Drinks waren um so depressiver, je mehr sie davon geschluckt hatten. Und ängstlicher werden sie zudem, so eine weitere Studie aus dem Reich der Mitte, erschienen 2019 in der Zeitschrift Public Health Nutrition.

 

Eine wichtige Rolle spielt der darin enthaltene Zucker, der offenbar das Depressionsrisiko erhöhen kann. Dabei gilt Süßes ja als Seelenbalsam, aber wenn die Nahrung den Blutzucker schnell in schwindelerregende Höhen treibt, dann fällt er ebenso steil wieder ab – und damit parallel die Laune.

 

Aber auch Aspartam, der Süßstoff etwa in Cola-Light, kann wie Glutamat ab einer bestimmten Dosis den Gehirnzellen schaden, wirkt also »neurotoxisch« und damit unter anderem als Risikofaktor für Depressionen.

 

Hinzu kommen neuartige Problemstoffe, die bei der industriellen Verarbeitung der Nahrung entstehen, die sogenannten Advanced Glycation End Products (AGEs), die auch das Gefühlsleben beeinträchtigen können.

 

Die australische Professorin Felice Jacka, Pionierin in der neuen Disziplin, die sich mit der Ernährungs-Basis der Psyche und des Gehirns beschäftigt, hat mit den Methoden der modernen Hirnforschung nachgewiesen, dass der von Forschern beobachtete globale Intelligenzverlust einerseits und die Zunahme der psychischen Probleme andererseits eine gemeinsame Ursache haben: Eine Unterversorgung in der zuständigen Hirnregion (dem sogenannten Hippocampus) durch Westliche Ernährung.

 

Mittlerweile gilt für die Forschung als erwiesen, dass „ungesunde westliche Ernährungsgewohnheiten“ tatsächlich „mit einem erhöhten Risiko für Depressionen verbunden“ seien, wie eine Schweizer Forschergruppe schreibt um Professorin Undine E. Lang, Direktorin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel.

 

So hatte unter anderem eine britische Studie schon 2009 ergeben, dass die übliche westliche Kost mit Fastfood und Fertignahrung sowie viel Brot und Brötchen aus weißem Mehl das Risiko für Depressionen erhöhen kann.

 

Das Forschungsteam um die Psychologin Archana Singh-Manoux von der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsförderung der Universität London kategorisierte das Essverhalten vor allem nach »vollwertig« und »industriell verarbeitet« und fand heraus, dass diejenigen am wenigsten unter Depressionen litten, die am meisten Obst, Gemüse und Fisch aßen.

 

Am stärksten vom Unglück verfolgt wurde, wer sich vor allem von Weißmehl, süßen Desserts, frittierten Gerichten oder verarbeitetem Fleisch (etwa Burger oder Wurst) ernährte.

 

Diese Nebenwirkung des schlechten Essens führen die Wissenschaftler darauf zurück, dass die industriell verarbeitete Nahrung den Körper nicht mit den fürs Glücksgefühl notwendigen Nähr- und Wirkstoffen versorgt.

 

Nach Meinung der Gesundheitswissenschaftler kann auch ein Mangel an Folsäure die Hirnchemie negativ beeinflussen.

 

Eine wichtige Rolle scheint zudem das Fett zu spielen. Wenn es fehlt, etwa durch fettarme Ernährung infolge der herrschenden Ernährungsideologie der letzten Jahrzehnte, kann das auf die Stimmung schlagen: Menschen, die sehr wenig Fett essen, sind oft gereizter und auch empfindlicher.

 

Wer fettarm isst, erhöht das Risiko für Depressionen, ja es steigt sogar die Selbstmordgefahr. Nach einer Studie, die im British Journal of Nutrition veröffentlicht wurde, zeigten Menschen, die ihren Fettkonsum von 40 Prozent auf 25 Prozent verringerten, nicht nur ein erhöhtes Aggressionspotenzial, sondern entwickelten zum Teil sogar Depressionen. Auch das Cholesterin spielt offenbar eine Rolle, die Senkung der Werte kann aufs Gemüt schlagen.

 

Auch die berühmten Omega-3-Fette werden genannt. Dieses gute Fett aus Fisch, Walnüssen oder Leinöl ist unter anderem verantwortlich für die Hirnentwicklung, aber auch für den Erhalt eines glücklichen Gemütes. Für das Leinöl wurde schon im Jahr 1981 vom amerikanischen Mediziner Donald O. Rudin nachgewiesen, dass zwei bis sechs Esslöffel täglich gegen Depressionen helfen.

 

Umgekehrt schaden die industriell hergestellten Transfette. Sie lassen offenbar auch das Hirn schrumpfen, erhöhen das Risiko für die Alzheimerkrankheit und auch für Trübsal. So ergab eine Studie spanischer Forscher (»The Sun Project«), die 12.000 Universitätsabsolventen zehn Jahre lang begleitet hatten, einen deutlichen Anstieg von Depressionen durch Transfettverzehr.

 

Natürliche Transfette übrigens, die etwa in Milch und Sahne vorkommen, gelten als unbedenklich, ja sogar gesund, etwa das Schlankmacher-Fett CLA (konjugierte Linolsäure)

 

Naheliegend also, dass die Stimmung steigt, wenn die materiellen Störfaktoren aus der industriellen Nahrung fehlen.

 

Gut fürs Gemüt und gegen Depressionen scheint deshalb die traditionelle Ernährung zu sein, insbesondere die mediterrane Ernährung, wie diverse Forschungsarbeiten zeigen. Verantwortlich dafür könnte sein, meinten italienische Forscher in einem Überblick aus dem Jahr 2020, könnten die ausgewogenen und stimmungsfreundlichen Zutaten sein.

 

Eine wichtige Rolle spielt dabei natürlich auch der Wein, der übrigens nicht wegen des Alkohols antidepressiv wirkt, sondern wegen der nichtalkoholischen Bestandteile, insbesondere der sogenannten Polyphenole.

 

Umstritten ist, welche Rolle Vegetarismus und Fleischverzehr spielen.

 

Zwar haben mehrere Studien haben gezeigt, dass Vegetarier eher zu Depressionen neigen, auch zu Ärger und Feindseligkeit. Sie tauchten häufiger in den einschlägigen Statistiken auf, als es ihnen nach ihrem Anteil in der Bevölkerung zusteht.

 

Auch nach einer chinesischen Studie sind sie schlechter drauf als die Fleischfreunde. Bei ihren australischen Gesinnungsgenossen lagen die Depressionsraten sogar um fast 40 Prozent über denen der Allesfresser. Und bei den „selbstzerstörerischen Verhaltensweisen“ lagen sie sogar 300 Prozent über den Freunden von Steak und Entrecôte.

 

Die Neigung zu negativen Gefühlen geht sogar so weit, dass Vegetarierväter nach einer Geburt häufiger an Wochenbettdepressionen leiden als die Fleischfreunde unter ihren Geschlechtsgenossen. Das hatte eine Auswertung der “Avon Longitudinal Study of Parents and Children”-Untersuchung (ALSPAC) in der ehemaligen englischen Grafschaft Avon ergeben, veröffentlicht im Journal of Affective Disorders. Darin hatten 9.668 männliche Partner schwangerer Frauen über ihre Ernährungsgewohnheiten und psychische Befindlichkeiten berichtet.

 

Manche Forscher vermuten indessen, dass nicht der Fleischverzicht die Ursache für die mentalen Probleme: Vielleicht sei es genau umgekehrt. Die mentalen Probleme waren zuerst da, ein „hoher Neurotizismus“, und der erst führte seinerseits zum Fleischverzicht. So sahen das jedenfalls Forscher vom Leipziger-Max-Planck- Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in einer Studie von 2020.

 

Andererseits scheint eine überhöhte Fleischdosis auch nicht gut fürs seelische Gleichgewicht. Das jedenfalls deuten die Ergebnisse einer chinesischen Studie von 2017 an. Die Forscher hatten die medizinischen Datenbanken nach einschlägigen Erkenntnissen durchforstet. Und da zeigten zumindest einige Studien ein steigendes Depressionsrisiko mit steigendem Fleischverzehr.

 

Auch hier allerdings scheint es wichtig zu sein, dass die Tiere ihrerseits glücklich waren. Darauf machte Bonnie L. Beezhold von der Benedictine University aufmerksam, einer privaten römisch-katholischen Universität im US-Staat Illinois, von Benediktinermönchen gegründet. Der Gehalt an Wohlfühlsubstanzen in tierischen Produkten, etwa der Omega-3-Fette, hänge stark davon ab, ob die Tiere auch artgerecht leben, als Rindviecher zum Beispiel oder auch Hühner auch Gras fressen dürfen (Grasfütterung). Somit geht das Glück der Menschen offenbar mit dem Glück der Tiere einher.