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Hormone

Hormone können dick machen, oder schlank, sie können jung halten oder alt machen. Die Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle. Hormone sind für die Steuerung zahlreicher Körperfunktionen zuständig. Die Hormone regeln die Herztätigkeit, den Blutdruck, sie lassen den Puls schneller schlagen, den Atmen stocken. Sie regulieren auch die Körpertemperatur, das Wachstum von Kindern, aber auch von Krebszellen. Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses standen lange die Geschlechtshormone. Neuerdings untersuchen Hormonforscher auch die Rolle der Hormone bei der Nahrungsaufnahme, die Entstehung von Übergewicht und die möglichen Wirkungen von Hormonstörern etwa in der Nahrung, die das Zusammenspiel der Hormone gefährden können.

 

Das wirkt sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit aus, auf Geschlechtsentwicklung und Samenqualität etwa, aber auch auf die Nahrungsaufnahme, das Gewicht und die Gesundheit allgemein. Aber auch auf die Gesundheit, die Alterung, sogar die Falten.

 

Der britische Professor Ernest Starling, Physiologe am University College in London, hat dann den Begriff »Hormon« zum ersten Mal 1905 bei einem Vortrag am Royal College of Physicians in London verwendet. Später ging es dann um Hormone wie Insulin, um Wachstumshormone, Anti-Aging-Hormone, Psycho-Hormone. Das Hormon Leptin wurde im Jahre 1994 entdeckt, es war das erste aus der Gruppe, die für Hunger, Appetit und Sättigung zuständig sind.

 

Zwischen Ernährung und hormonellen Aktivitäten gibt es eine Vielzahl von Beziehungen. So kann die Nahrung zum Ausstoß von Stresshormonen führen. Die Nahrung ist für den Körper lebenswichtig, wenn sie ausbleibt, bedeutet das Stress, Stresshormone werden ausgeschüttet – aber auch, wenn die falsche kommt. Denn das ist ja für den Körper ebenfalls potentiell lebensbedrohlich.

 

Der kanadische Stressforscher Stuart Shanker befürchtet zum Beispiel, dass »exzessiver Konsum von Kartoffelchips und Softdrinks die Stressbelastung erhöht«. Auch zu viel Salz löse im Gehirn Alarm aus.

 

»Ernährung beeinflusst Stresshormonspiegel bei Kindern«, meldete auch die Universität Gießen in einer Mitteilung. Denn unausgewogene Ernährung lässt im Körper die Alarmglocken schrillen – in Gestalt von Stresshormonen. Schließlich weiß der Organismus, dass es bei der Ernährung um Leben und Tod geht. Und gefährlich können nicht nur Gifte werden, oder gar kein Essen, sondern auch das falsche.

 

Wenn Kinder Softdrinks kriegen, industrielle Fertigjoghurts, Fertignahrung generell, kann das bei ihnen auf lange Sicht nicht nur zu Dauerstress führen, sondern auch noch zu weiteren Reaktionen im Körper, zu schwachen Knochen etwa und Bluthochdruck.

 

Die »mineralstoffarme Ernährung« und eine »erhöhte Säurebelastung« können »den Stresshormonlevel beeinflussen« schrieben die deutschen Forscher in ihrer Studie in der Fachzeitschrift Kidney International.

 

Je mehr Säure die 200 Kinder in der Studie im Körper hatten, desto mehr Cortisol schwamm auch in ihrem Körper und breitete sich aus, etwa in »Zielgeweben wie der Niere oder den Knochenzellen«, so der Bonner Professor Thomas Remer, der die Studie gemeinsam mit dem Gießener Professor Stefan Wudy geleitet hatte.

 

Zum Stress kann offenbar auch der Zuckerschock führen, der für moderne Kinder normal ist – nicht aber für ihren Körper, der ja in evolutionären Zeiten programmiert wurde, als es puren Zucker noch gar nicht gab. Betroffene Region: das Gehirn.

 

»Zucker kann das Gehirn genauso zerstören wie extremer Stress oder Missbrauch«, meldete eine australische Forschergruppe um Jayanthi Maniam von der University of New South Wales in Sydney.

 

Der wichtigste Akteur dabei: das Stresshormon Cortisol. Der wichtigste Kämpfer im Krisenprogramm des Körpers für Notfälle. Eine Art Wunderdroge für Stresssituationen. Sie sorgt schnell für Energie, ein besseres Konzentrationsvermögen und geringere Schmerzempfindlichkeit.

 

Aber: Unter Dauerausstoß des Stresshormons werden Kinder auch anfälliger für Krankheiten. Denn dann kann die Immunantwort des Körpers unterdrückt werden.

 

Am wichtigsten aber sind sicher die Folgen fürs Gehirn: Die geistige Leistungsfähigkeit kann stark beeinträchtigt werden. Kinder mit extremen Stresserfahrungen haben ein schlechteres Gedächtnis. Und wenn ein Kind dauerhaft unter Stresshormonen steht, fällt es ihm schwer, die Aufmerksamkeit den banalen Dingen des Alltags zuzuwenden. Oft kann es sein Verhalten auch nicht regulieren.

 

Gutes Essen kann ausgleichend wirken. Es kann zum einen dem Stress entgegenwirken, der durch die nährstoffmäßige Schieflage entsteht.

 

Was der Körper braucht, ist echtes Essen. Dann ist der Körper angemessen mit allem versorgt, was er braucht, und muss nicht gleich in Panik geraten, weil etwas fehlt. Echtes Obst und Gemüse brauchen unsere Kinder, meinen die Professoren Wudy und Remer, weil das diejenigen Lebensmittel sind, die »aufgrund ihres Kalium- und Magnesiumgehalts« die Säurebelastung »neutralisieren« und so das Stresshormon bremsen.

 

Es gibt auch Zusammenhänge mit der Nahrung und anderen Hormonen. So kann überraschenderweise die Pubertät vorverlegt werden durch Softdrinks, so eine Studie von Harvard-Forschern um Jenny L. Carwile und den berühmten Ernährungsprofessor Walter Willett im Fachmagazin Human Reproduction.

 

Die Forscher fanden heraus, dass bei Mädchen, die täglich mehr als eineinhalb Portionen süße Softdrinks tranken, die Pubertät im Schnitt 2,7 Monate früher einsetzte als bei jenen, die weniger als zwei solcher Süßgetränke in der Woche konsumierten.

 

Das hängt zusammen mit den Hormon-Effekten der Süßgetränke. Zucker lässt den Insulinspiegel ansteigen: Insulin aber steigert die Produktion von Geschlechtshormonen, und die wiederum haben verfrühte Pubertät zur Folge.

 

Durch die Nahrung können auch die sogenannten Wachstumsfaktoren beeinflusst werden. Das Zuckerverarbeitungshormon Insulin zum Beispiel oder der sogenannte insulinartige Wachstumsfaktor (Insuline-like Growth Factor, kurz IGF). Der kann auch das Wachstum von Krebs fördern.

 

Auch beim Anti-Aging spielen die Hormone eine wichtige Rolle. Insulin kann das Alter beschleunigen. Es hängt natürlich auch von der Dosis ab. Und manche können das Lager wechseln.  Die Wachstumshormone zum Beispiel, im Fachjargon HGH genannt („Human Growth Hormone“) die bei Anti-Aging-Ärzten vor allem in den USA beliebt sind – aber in einigen Fällen auch zu vorzeitigem Exitus gesorgt haben.

 

Denn das Wachstum hat auch seine Schattenseiten. Die »versteckten Kosten der Statur« nennt das der Medizinprofessor Andrzej Bartke von der Southern Illinois University in Springfield bei Chicago. Die Wachstumshormone lassen zwar den Menschen wachsen, jedoch: Je mehr er wächst, desto kürzer ist sein Leben. Das Wachstum und mithin die Hormone, die es anstoßen, seien »negativ mit der Lebenserwartung« assoziiert, sagt Bartke.

 

Wachstumshormone können die Muskeln wachsen lassen, weshalb sie bei Bodybuildern beliebt sind – aber auch die inneren Organe, und so können sie einen kleinen Krebs zum großen Krebs heranwachsen lassen. Sie können aber auch einzelne Körperregionen bizarr vergrößern.

 

Die typischen Folgen zeigten sich am »Beißer«, dem monströsen Gegenspieler von James Bond im Film Moonraker. Richard Kiel, so hieß der 2,20 Meter große Schauspieler, litt an einer sogenannten Akromegalie (nach dem altgriechischen akros, ἄκρος, »äußerst« und megas, μέγας, für »groß«).

 

Bei dieser Krankheit sind die Wachstumshormone außer Kontrolle geraten, und plötzlich wächst alles, fast ungebremst. Die Füße und die Hände, die Ohren, vielen Männern sogar die Brüste, und auch der Kopf nimmt übergroße Dimensionen an, die Gesichtszüge verändern sich, Nase, Kinn und die Wülste der Augenbrauen schwellen an, sogar der Kiefer kann wachsen, Sprachstörungen sind möglich oder Zahnspangen nötig, wie bei jenen Sportlern, die seit den 1990er-Jahren gedopt ihre Runden liefen, bei den sogenannten »Zahnspangen-Rennen«. Damals kam das Human Growth Hormone (HGH) als Dopingmittel in Mode.

 

Die Hormon-Nutzer leiden auch an zahlreichen Krankheiten: an Typ-2-Diabetes zum Beispiel, der Zuckerkrankheit, oder an Ödemen, also Schwellungen, auch an Gelenkschmerzen, Bluthochdruck, Schlafapnoe, also krankhaften Schnarchattacken, und an einer Vergrößerung von Teilen des Herzens (Kardiomyopathie). Sie haben auch ein höheres Risiko für Krebs, insbesondere des Dickdarms, aber auch an Brust, Prostata, Bauchspeicheldrüse.

 

Gestört werden können die hormonellen Abläufe im Körper auch durch Nahrungsmittel und Zutaten, die wie Hormone wirken, etwa die sogenannten Phytoöstrogene, aber auch durch Elemente der Industriekost wie die sogenannten Plastikhormone

 

Wer viel industrielle Nahrung zu sich nimmt, kriegt natürlich auch mehr davon ab. Diejenigen, die mehr Pizza, Hamburger, Softdrinks zu sich nehmen, haben bis zu 40 Prozent mehr davon im Urin als die Freunde natürlicher Nahrung, wie Ami Zota von der George Washington University herausgefunden hat, bei 8877 Testpersonen, die sie gefragt hat, was sie in den letzten 24 Stunden gegessen hatten. Das Ergebnis wurde veröffentlicht im Fachjournal Environmental Health Perspectives.

 

Dass die Plastikhormone auch alt machen können, haben unter anderem chinesische Forscher herausgefunden. Sie hatten, wie sie  in den Toxicology Letters berichteten, einen unschuldigen Wurm damit konfrontiert, den Modellwurm der Altersforscher: Caenorhabditis elegans.

 

Es ging ihm daraufhin nicht so gut, er wurde immer schwächer und schlapper. »Altersbedingte Verhaltensdegeneration« nannten das die chinesischen Forscher. Und dann starb er vorzeitig: Der Stoff »verkürzte die Lebensdauer«, und zwar »in einer dosisabhängigen Weise«. Das bedeutet: Je mehr davon, desto früher war der Wurm weg.

 

Der bekannteste Störer ist Bisphenol A (BPA), eines der vielen Plastikhormone.

 

 BPA verschlechtert etwa die Insulinwirkung und führt zur sogenannten Insulinresistenz. Die Körperzellen werden dabei zunehmend taub für das Hormon – was zu weiterer Insulinausschüttung führt und schließlich, weil immer mehr vom »Masthormon« im Körper zirkuliert, zu weiterer Gewichtszunahme. Das ergab eine Studie aus Neapel im Online-Fachorgan PlosOne.

 

Das Plastikhormon attackiert sogar die Insulinproduktion ganz direkt, indem es die dafür zuständigen Zellen in der Bauchspeicheldrüse schädigt, wie eine chinesische Studie ergab, die 2013 in der Zeitschrift Cell Death and Disease erschien.

 

Wer seine Hormonbalance erhalten möchte, muss also zunächst diese Störer eliminieren. Je weniger Verpackung die Nahrung umhüllt, desto weniger Plastikhormone gelangen in die Nahrung. Bio ist hormonell betrachtet besser, denn Pestizide wirken ebenfalls als Hormonstörer, und damit ist Naturkost kaum oder gar nicht belastet.  Bei Kinderwunsch beispielsweise kommen Biokonsumenten schneller ans Ziel.