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10.01.2023

DR. WATSON exklusiv

Abnehmen: Die ultimative Strategie

Von guten Vorsätzen, fragwürdigen Staatsaktionen und falschen Verlockungen

Törtchen oder nicht? Wie viel Genuss ist erlaubt beim Abnehmen?
Foto: iStock / Viktor Gladkov

Abspecken ist angesagt. Der natürliche Weg zur besseren Figur – und zwar für immer. Es gibt schließlich auch keine dicken Adler, Löwen, Ameisen. Was ist ihr Geheimnis?



Viele haben schon wieder angefangen, Kalorien zu zählen. Vielleicht könnte es dieses Jahr ja klappen. Endlich schlanker und schöner! Natürlich ist es ein besseres Gefühl, leichter durchs Leben zu gehen. Weg mit dem Speck!

 

Abnehmen ist angesagt. Nicht nur jetzt, in der Zeit der guten Vorsätze, nach all der saisonalen Völlerei. Die Klamotten passen nicht mehr, auf der Waage erscheinen seltsame, erschreckende Zahlen. Und der Spiegel zeigt nicht auch das wahre, eigene Bild. 

 

Abnehmen, am besten dauerhaft und nachhaltig. Das wäre das Ziel.

 

Die ewigen Verlockungen...

 

Viele quälen sich deshalb jahrelang mit Diäten, zählen Kalorien, nagen am Salat, schneiden den Fettrand am Schinken ab, verkneifen sich den Kuchen, trinken Cola light und Red Bull sugarfree, tun Süßstoff in den Cappuccino. Und alles ohne Erfolg. Im besten Fall gibt es ein ewiges Auf und Ab: den sogenannten Jojo-Effekt.

 

Die ewigen Verlockungen, Verführungen... Und der Mensch ist schwach...

 

Immerhin: Die Politik will jetzt helfen. Es geht ja nicht nur um Ästhetik und das individuelle Wohlbefinden. Es geht auch um die öffentliche Gesundheit. Und um viel Geld, um Milliarden, die alle bezahlen müssen, vor allem unsere Kinder.

 

Wer zu viel Kilos mit sich herumschleppt, wird bekanntlich leichter krank, ist anfälliger für die sogenannten Zivilisationskrankheiten, wie sich bei den berühmten „Vorerkrankungen“ in der Corona-Krise gezeigt hat. Und das ist teuer.

 

Schlanker und gesünder 

 

Höchste Zeit also, dass die Politik eingreift.

 

Es soll ein ganz großer Wurf werden, den die deutsche Bundesregierung gerade angekündigt hat, kurz vor Weihnachten, eine ganz neue „Ernährungsstrategie“, die uns schlanker und gesünder machen soll. Durch, jawohl, die „Transformation des Ernährungssystems“.

 

Zugleich allerdings wurde in aller Stille ein anderes, ein millionenteures Projekt zu Grabe getragen, nach fast 20 Jahren, das uns auch schon alle schlanker machen sollte, einst mit großem medialen Getöse gestartet war, angestoßen von einer Ministerin, die sich schwer schockiert gezeigt hatte über all die dicken Kinder, das Elend, die schlimmen Krankheiten!

 

Und sie hat alle zusammengetrommelt, die ihr so in den Sinn gekommen sind, um zu helfen. Doch so richtig glücklich sind sie nicht alle geworden, mit dieser Mitmach-Staatsaktion, der „Plattform Ernährung und Bewegung“.

 

Ärzte wollten nicht mehr mitmachen

 

Bei diesem staatlichen Abnehmunternehmen durften sogar namhafte Hersteller von bewährten Dickmacherprodukten mitwirken: Nestlé, Danone, Coca-Cola, der Nutella-Produzent Ferrero, die Kindergarten-Kochfabrik Apetito.

 

Irgendwann sind allerdings wichtige Akteure unter Protest von der Fahne gegangen, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und die Deutsche Adipositasgesellschaft (DAG).

 

Sie wollten kein „Feigenblatt“ sein, sagten sie gegenüber dem Ärzteblatt, für ein Projekt, mit dem andere Akteure ihre eigenen Interessen verfolgen.

 

Zur umstrittenen "Plattform" fürs Abnehmen gehörte übrigens auch eine Company, die nicht nur uns und unsere Kinder dick macht (Twix, Snickers), sondern auch unsere Haustiere (Chappi, Kitekat): der Mars-Konzern. Zu diesem US-Unternehmen ist damals der junge Staatssekretär der Ministerin übergewechselt, später ging er dann zu Bayer, dem Pharmariesen mit dem nicht ganz blütenweißen Image (Monsanto, Lipobay).

 

Offensichtlich ist auch die Politik nicht gefeit vor Verlockungen und Verführungen. Und auch hier scheint es so etwas wie einen Jojo-Effekt zu geben. Ein stetes Auf und Ab, begleitet von Applaus der regierungstreuen Medien, oder auch von Schweigen.

 

Neue Staatsaktion gegen die Pfunde

 

Jetzt geht der Kampf in eine neue Runde. Die staatliche „Plattform Ernährung und Bewegung“ ist tot. Es lebe die „Ernährungsstrategie“ der Ampelregierung. Aber natürlich geht es auch hier weiter um „Ernährung und Bewegung“. Schließlich müssten „Ernährung und Bewegung zusammen betrachtet werden“, proklamierte das Ministerium.  Etwa bei der „Entstehung von Übergewicht“.

 

Das ist natürlich Unsinn. Klar: Bewegung ist gesund und macht Spaß. Aber im Kampf gegen die Pfunde? Da bringt all die Joggerei praktisch gar nichts.

 

»Es gibt nicht eine einzige Studie, die zeigt, dass Bewegung allein zu nennenswerter Gewichtsabnahme führt«, sagt der berühmte US-Übergewichtsforscher Professor Robert Lustig.

 

Schon die zugrundeliegende Kalorientheorie ist falsch. Wenn man ihr zufolge ein Kilo Fett loswerden möchte mit einem Brennwert von 5500 Kalorien, dann müsste man entweder 5500 Kalorien weniger essen oder 5500 Kalorien durch mehr Bewegung verbrauchen. Doch eine im Jahr 2011 im Wissenschaftsjournal The Lancet publizierte Studie hat gezeigt: So geht es nicht.

 

Bügeln gegen Kalorien?

 

Um nur ein Kilo Fett mit einem Brennwert von 5500 Kalorien abzubauen, müsste ein 80-Kilo-Mensch neun Stunden lang Fußball spielen (bei einem Kalorienverbrauch von 600 pro Stunde) oder gar 39 Stunden bügeln (Kalorienverbrauch pro Stunde: 140). Wer zwei Kilo abnehmen möchte, muss mithin 18 Stunden Fußball spielen oder 78 Stunden bügeln.

 

Völlig illusorisch also, auf diese Weise nennenswert an Gewicht zu verlieren, meint Lustig: »Das zeigt, dass es sehr schwierig ist, durch Bewegung Gewicht abzubauen, wenn nicht vollständig unmöglich.«

 

Ernährung und Bewegung: Das ist „Coke-Speech“, ein reines Ablenkungsmanöver, inszeniert und orchestriert von US-Brausekonzern. "Energy Balance" heißt das Schlagwort: Das Gleichgewicht von aufgenommenen und verbrauchten Kalorien. Eine einflussreiche Ideologie, die aber wissenschaftlicher Humbug ist.

 

Geldregen von Coca-Cola

 

Dass sich das so durchgesetzt hat, bis hin zur deutschen Bundesregierung, das liegt natürlich daran, dass der Coca-Cola-Konzern sehr viel Geld ausgegeben hat zur Beeinflussung der Wissenschaft und der öffentlichen Meinung, etwa mit dem sogenannten Global Energy Balance Network. Das hatte die New York Times  enthüllt,   daraufhin räumte der US-Brauseriese selbst ein, dafür binnen fünf Jahren über 100 Millionen Dollar spendiert zu haben.

 

Allein für Projekte in Deutschland gab es 7,5 Millionen Euro, die Berliner Charité bekam insgesamt eine Million Euro, etwa für ihre Mitwirkung bei der Cola-Light-Aktion „Hör auf Dein Herz“ mit Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek, der Direktorin des Charité-Institutes für Geschlechterforschung in der Medizin, die als Mitbegründerin der Gendermedizin in Deutschland“ gilt und sich stark für das kunstgesüßte Getränk engagierte

 

Unappetitliche Verbindungen

 

Nach massiven öffentlichen Protesten etwa von Foodwatch wurde die unappetitliche Liaison beendet.

 

Jetzt, in der neuen Runde im Kampf gegen die Pfunde, bei der staatlichen „Ernährungssstrategie“, dürfen die Essens-Aktivisten von Foodwatch sogar selber mitspielen, auch die Ärzteverbände sind wieder an Bord – und Coca-Cola, ebenso wie Nestlé, Danone, Unilever, Dr.Oetker, Ferrero, Haribo, der Kantinenkonzern Apetito, über ihre Lobbyverbände wie dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, dem Bundesverband der Deutschen Ernährungsindustrie, dem Deutschen Tiefkühlinstitut. Sie waren laut Ministerium bei der Auftaktveranstaltung mit dabei und dürfen auch bei der „Erarbeitung von Handlungsfeldern und Maßnahmen“ mitwirken.

 

Es ist mittlerweile ja sehr in Mode, dass bei staatlichen Aktivitäten alle mitmachen dürfen, die sich für ein Thema oder Wirtschaftsgebiet interessieren. Das heißt Stakeholder-Kapitalismus und ist sehr beliebt bei den Multis, schließlich geht es, gerade bei der Ernährung, für sie um Milliarden. Und er ist bequem für die Regierenden, sie ersparen sich viel Ärger durch Lobbyterror von Konzernen, die für ihre Geschäftsinteressen, ihre Profite kämpfen, und jetzt am Tisch sitzen, wenn es um die politischen Entscheidungen geht.

 

Es ist die mittlerweile international dominierende Herrschaftsform, bei der nicht die gewählten Vertreter über die Geschicke des Volkes bestimmen, sondern die Geschäftemacher und andere Interessensgruppen.

 

Besonders demokratisch ist das nicht, und natürlich nützt es allenfalls den „Stakeholdern“ und weniger den normalen Leuten mit ihren Gewichtsproblemen, wenn die Dickmacher-Konzerne bei staatlichen Abnehm-Strategien mitentscheiden dürfen - ausgerechnet diejenigen also, die vor allem verantwortlich sind für die globale Pandemie des Übergewichts. Und eigentlich sollte man ja nicht die Frösche entscheiden lassen, wenn es um die Trockenlegung des Sumpfes geht.

 

Es gibt keine dicken Adler

 

Dabei ist es eigentlich ganz einfach mit dem Gewicht. In der Natur gibt es keine überschüssigen Kilos. Es gibt keine Adler, die nicht abheben können wegen Wampe, es gibt keine Löwen, die Hüftgold an der Jagd hindert, oder Ameisen, die der Speck schwächt. Alles ist wunderbar geregelt – solange es nicht gestört wird.

 

Kaum etwas hat Mutter Natur, unser Schöpfer oder, je nach Sichtweise, die Evolution so sorgfältig geregelt und mehrfach gesichert: Es gibt auch kaum etwas Bedeutenderes als die Regulierung des Gewichts. Zu viel ist nicht gesund, zu wenig tödlich.

 

Der Körper hat sogar ein eingebautes Maßband, man spürt, wenn es am Bauch spannt, entwickelt Hunger, wenn er Nahrung braucht, und ist satt, wenn er genug hat. Der Organismus führt sogar eine ständige Nährstoffbilanz, entwickelt Appetit auf das, was fehlt, und Überdruss, wenn er genug oder gar zu viel hat.

 

Zur Regulierung dienen zahlreiche Hormone, Botenstoffe, Neurotransmitter. Damit nur ja alles klappt.

 

Doch gerade heute geht einiges schief. Das ausgeklügelte System der Botenstoffe wird massiv gestört durch die Produkte aus den Laboren und Fabriken der Konzerne. Durch moderne industrielle Nahrungsbestandteile, Geschmacksstoffe, Aromen aus der Fabrik, die Nährstoffe vortäuschen, wo keine sind, die Überdosis Zucker, die unnützen Heißhunger auslöst, die Süßstoffe, die zwar keine Kalorien haben, aber irreführende Botschaften versenden, den sogenannten Geschmacksverstärker Glutamat, der das Sättigungshormon Leptin manipuliert. All das stört die natürliche Regulierung und treibt das Gewicht in die Höhe.

 

Wer das alles meidet, ist abnehmstrategisch schon mal auf einem guten Weg.

 

Schlank dank Gourmet-Diät?

 

Auch Löwen, Adler, Ameisen halten sich davon fern.  Sie zählen auch keine Kalorien, meiden Diäten und Ernährungsberaterinnen. Sie machen instinktiv das Richtige. Und genau das garantiert die bedarfsgerechte Versorgung. Gesteuert vom Gehirn, geregelt über Gefühle wie Hunger und Appetit. Auch die Menschen versorgen sich auf diese Weise zielgerichtet und passgenau: Wenn sie einfach essen, was sie möchten, worauf sie Lust haben. Natürlich ungestört durch chemische Manipulationselemente.

 

Kein Wunder, dass die traditionellen Ernährungsweisen deshalb am besten geeignet sind, um das optimale Gewicht zu halten. Sie meiden solche Störfaktoren. Die mediterrane Ernährung etwa hilft nicht nur gegen diverse Krankheiten, sondern ist auch gut für die Figur, wie etwa eine Studie mit mehr als 30.000 Menschen ergab, bei der es unter anderem um den Bauchumfang ging. Natürlich haben auch andere Weltgegenden ihre traditionellen Ernährungsweisen, und ähnliche Vorteile, etwa die traditionelle chinesische Ernährung.

 

Da spielt auch die kulinarische Kultur eine Rolle, die in jenen Weltgegenden hoch entwickelt und im Volk verankert ist – und nicht nur mit Gewicht und Gesundheit zu tun hat, sondern ebenso mit Geschmack und Genuss. Denn je besser das Qualitätsbewusstsein ausgeprägt ist, desto zielgenauer die Versorgung mit Nährstoffen.

 

Manche fordern sogar schon eine „Gourmet-Ernährung“, die genau darauf abzielt: Die Kultivierung der Genusskompetenz, die in vielen Regionen auf diesem Planeten zu einem ganz normalen Bestandteil der Alltagsernährung gehört.

 

In der staatlichen Bundesernährungsstrategie der Berliner Regierung spielt all das jetzt leider nicht die zentrale Rolle. 

 

Aber glücklicherweise sind dieses Mal auch die Gourmet-Strategen von der Genießervereinigung Slowfood mit dabei. Vielleicht können sie sich ja durchsetzen gegen die knapp 100 anderen „Stakeholder“-Kontrahenten, gegen die Nestlés und Unilevers, die Ampel-Minister und ihre Ministeriumsbürokraten, mit einem modifizierten Motto für die Ernährungsstrategie der Zukunft: Mehr Genuss wagen!

 

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