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Brot

Brot ist in Mitteleuropa nach wie vor ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Allerdings ist es mittlerweile etwas in die Kritik geraten. Das Backwerk hat sich weit von seinen traditionellen Qualitäten entfernt und damit ganz andere Eigenschaften entwickelt und auch andere Auswirkungen auf den Organismus. Das hat mit dem Mehl zu tun, aber auch mit den gebräuchlichen Backmitteln. Ein deutscher Sonderweg im Ernährungsberaterwesen führt seit langem zum Vollkornbrot, er ist allerdings international umstritten. Als Grundnahrungsmittel Nummer 1 wurde Brot in Deutschland und auch der Schweiz mittlerweile vom Zucker abgelöst.

 

Das Brot, ein Grundnahrungsmittel seit der Steinzeit, wurde seither so hochgezüchtet, dass es sich weit von der Natur entfernt hat. Und damit auch den Körper gewichtsmäßig unter Druck setzt.

 

Der US-Brotkritiker und Mediziner William Davis macht sogar das tägliche Brot für die Gewichtsprobleme der Esser verantwortlich. Grund: Modernes, hochgezüchtetes Weizenmehl (Triticum aestivum) enthält bis zu 70 Prozent Kohlenhydrate, die den Blutzucker in die Höhe treiben, und zehn bis 15 Prozent aus Eiweiß sowie Ballaststoffe.

 

Anders beim »echten Weizen« (Davis), dem Ur-Getreide Einkorn (Triticum monococcum), oder Emmer, auch Zweikorn genannt (Triticum dicoccum). Der habe weniger Kohlenhydrate, aber 28 Prozent Eiweiß.

 

Davis hat einen Selbstversuch unternommen. Ergebnis: Blutzuckeranstieg nach Verzehr von Einkornbrot: von 84 auf 110 Milligramm pro Deziliter. Am nächsten Tag probiert er es mit handelsüblichem US-»Vollkorn«-Weizenbrot: Der Blutzucker stieg von 84 auf 167 Milligramm.

 

Der Versuch kann natürlich keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Aber er weist auf die unterschiedlichen Effekte hin. Denn: »Je höher der Blutzucker nach dem Essen ansteigt, desto höher steigt auch der Insulinspiegel, und desto mehr Fett wird eingelagert.«

 

»Weizen regt den Appetit an«, sagt Davis. Moderner Hochleistungsweizen ist für ihn mithin ein »Appetitverstärker«. Er rät seinen Patienten mit Gewichtsproblemen, ­diesen »stärksten Appetitverstärker zu streichen«. Glücklicherweise gibt es ja auch das Ur-Getreide jetzt wieder zu kaufen: Emmer, Einkorn.

 

Gut fürs Gewicht scheint auch ein anderer Klassiker zu sein: Hafer. Auch er kann die Appetitkontrolle und die Sättigungsgefühlswahrnehmung verbessern. Das ergab eine Studie aus dem Jahr 2013. Hafer ist ein Bestandteil traditioneller Gerichte, im Müsli etwa oder dem Haferbrei »Porridge« bei den Engländern.

 

Auch andere Ur-Getreidearten unterstützen die körpereigenen Regulationsmechanismen: Amaranth beispielsweise, eine Art Azteken-Getreide. Nach einer koreanischen Studie aus dem Jahr 2006 verbessert Amaranth die Zuckerwerte im Blut, wie übrigens auch Buchweizen.

 

Eine wichtige Rolle bei den veränderten Effekten spielen auch die veränderten Rezepturen. Bei vielen Broten ist überraschenderweise Zucker im Spiel. Und spezielle Backmittel, inklusive Enzymen wie der sogenannten Alpha-Amylase.

 

Auch zahlreiche Zusatzstoffe finden in Brot und Brötchen Verwendung: Sorbinsäure (E200), Essigsäure (E260), Milchsäure (E270), Zitronensäure (E330) und Weinsäure (E334). Propionsäure (E280)  war in Deutschland seit 1988 verboten, wurde jedoch 1998 im Zuge der EU-Harmonisierung wieder zugelassen.

 

Mit Hilfe der Phosphate (E339 bis E343) lassen sich Teige leichter verarbeiten, Brot und Kuchen gehen stärker auf und werden größer. Guarkernmehl (E412) wird verwendet, um Brot und Kuchen saftiger zu machen und länger frisch zu halten. In glutenfreien Backwaren aus Hirse, Mais und Reis sind seine Wasserbindeeigenschaften hilfreich. Traganth (E413) ist ein Verdickungsmittel, das auch die Backhitze gut aushält.

 

Mit Gummi Arabicum (E414), das auch in Öko-Lebensmitteln benutzt werden darf, können Kuchen- und Brotteige mehr Wasser binden und werden langsamer hart und trocken. E415 (Xanthan) wird als Verdickungsmittel und Stabilisator sowie zur Wasserbindung in Brot und Kuchenteigen benutzt. Mono- und Diglyceride der Speisefettsäuren (E472) verbessern in manchen Broten die Backeigenschaften. Mit den Emulgatoren E473 (Saccharoseester von Speisefettsäuren) und E474 (Saccharoseglyceride) gehen Kekse, Kuchen, Brot und Brötchen besser auf und werden weicher. Der Emulgator E477 (Propylen-Glycol-Ester von Speisefettsäuren) ist in Deutschland erst seit der EU-weiten Angleichung der Lebensmittelzusatzstoffgesetze im Jahre 1998 erlaubt, unter anderem für Brot, Kuchen, Kekse. Cystein (E920) ist eines der legendärsten Backmittel, einst aus asiatischen Menschenhaaren gewonnen. Der Teig wird durch diesen Zusatzstoff elastischer, Brötchen und Brot werden luftiger und voluminöser.

 

Weißmehlprodukte können offenbar das Risiko für manche Krebsarten erhöhen. Nach einer italienischen Untersuchung mit 3336 Krebspatienten und 3526 Gesunden stieg bei jenen, die besonders viele Weißmehlprodukte wie Brot, aber auch Pasta, Pizza und Reis gegessen hatten, das Risiko für Enddarmkrebs um 30 Prozent, Magen- und Dickdarmkrebs um 50 Prozent, Schilddrüsenkrebs gar um 100 Prozent.

 

Es ist natürlich auch eine Frage der Menge - und der individuellen Konstitution.  Bei manchen Leuten steigt zum Beispiel der Blutzuckerspiegel schneller, wenn sie Weißbrot gegessen haben, bei anderen aber nach Vollkornbrot. Das haben Ernährungswissenschaftler des israelischen Weizmann-Instituts bei Tel Aviv herausgefunden: »Verschiedene Menschen reagieren unterschiedlich auf ein und dasselbe Lebensmittel«, schrieben sie im Fachmagazin Cell Metabolism.

 

Ernährungsberaterinnen raten gleichwohl stets zu Vollkornbrot, was einer fragwürdigen deutschen Tradition entspricht, die in die Nazizeit zurückreicht.

 

Viele kulinarische Kulturen kommen generell mit wenig Brot aus, die indische etwa oder die chinesische. Sie sorgen für die nötigen Nährstoffe durch eine Vielfalt unterschiedlicher Elemente.