Die Massentierhaltung ermöglicht, dass große Mengen Fleisch, Milch, Eier zu günstigen Preisen erzeugt werden können. Sie ist daher in der Welt der Supermärkte und der industriellen Nahrungsfabrikation die vorherrschende Art der »Tierproduktion« und wird auch politisch gefördert, etwa durch Subventionen und Sonderregeln für Futtermittel oder Stallbau. Kritiker finden diese Art von Nahrungsproduktion tierquälerisch. Zugleich ist sie die Ursache für die Ausbreitung zahlreicher Krankheitserreger, denen die Massenställe ideale Bedingungen zur Ausbreitung dienen. Auch der Kampf dagegen etwa mit Hilfe von Antibiotika gefährdet die Gesundheit, weil dadurch Resistenzen gefördert und die Wirksamkeit von Arzneien gefährdet wird. Überdies gilt auch der Verzehr großer Mengen von Fleisch als Auslöser von sogenannten Zivilisationskrankheiten bis hin zur Zuckerkrankheit Diabetes.
Die Verbraucher sind eigentlich gegen Massentierhaltung, wie Umfragen ergeben. Für Supermärkte und Nahrungskonzerne ist diese Art der Tierhaltung jedoch besonders attraktiv, weil sie die billigste Art der Erzeugung tierischer Nahrung in großen Mengen ermöglicht.
Selbst bei Bio geht deshalb der Trend zu immer größeren Einheiten.
Dabei wird die Massentierhaltung in wachsendem Maße zum Gesundheitsrisiko, für Mensch und Tier.
Bei der traditionellen Landwirtschaft war das Tier über Tausende von Jahren keine Ware, sondern ein Mitbewohner, der irgendwann einmal gegessen wurde. Früher gab es auch keine Unterscheidung zwischen Haustier und Nutztier. Die Schweine, die Kühe, die Hühner, sie haben mit den Menschen zusammengelebt, auf engem Raum. Noch heute haben Bauern, richtige, traditionelle Bauern, ein quasi familiäres Verhältnis zu ihren Tieren. Geändert hat sich das mit der Massentierhaltung.
Sie hat die Verbindung zwischen Mensch und Tier gelöst. So wurde es möglich, Tierisches in riesigen Massen zu erzeugen.
Die Tierindustrie hat die traditionellen Formen des Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier gesprengt, die über Jahrtausende gepflegt wurden. Ins Dorf passen die riesigen Anlagen nicht mehr. Deshalb haben sie die Tiere, mit baurechtlichen Sonderregeln, aus der menschlichen Gesellschaft verbannt, an den Rand gedrängt, in riesige Ställe, irgendwo im Wald, an der Autobahn. Ohne Fenster, ohne Tageslicht und frische Luft, ohne Menschen auch, die mit ihnen zusammen sind, werden die zusammengepfercht zu Tausenden, ja Hunderttausenden.
Während Medien und Öffentlichkeit sich noch der Illusion hingeben, Lebensmittel kämen vom Bauern, hat hinter den Kulissen längst ein Systemwandel stattgefunden. Riesige, weltweit operierende Konzerne beherrschen die Produktion, sie sorgen für einen globalen Tsunami, der die Supermärkte mit billigen tierischen Nahrungsmitteln überschwemmt.
Deutsche Geflügelkonzerne dominieren den Weltmarkt für Hühner, die Eier, legen, für Hähnchen, und Puten. Fast alle dieser Tiere stammen aus den Labors und Brutstätten weniger Konzerne. Auch Milchkonzerne sind mittlerweile global operierende Organisationen, mit Nestlé an der Spitze, als größter Molkerei der Welt. Amerikanische und chinesische Giganten sind die Weltmarktführer bei Schweinen.
Die größte Fleisch-Company der Welt sitzt nahe der Soja-Futterquellen in Brasilien, eine Firma namens JBS. Firmengründer José Batista Sobrinho (JBS) hatte 1953 mit fünf Rindern am Tag angefangen. Heute kann der Konzern jeden Tag 72 000 Schweine schlachten, 100 000 Rinder, dazu unglaubliche 13 Millionen Hühner. JBS hat 200 000 Mitarbeiter in 24 Ländern, auf allen fünf Kontinenten, er exportiert in 150 Länder. Die Familie zählt zu den reichsten Brasiliens.
Das ist der Industriezweig, der dafür sorgt, dass die Menschen mehr Tierisches essen, als ihnen – und den Tieren – gut tut.
38,4 Millionen Legehennen leben allein in Deutschland. Dazu fast 100 Millionen Masthähnchen. 58 Millionen Schweine werden im Jahr in Deutschland geschlachtet. Weltweit lag die Fleischproduktion im Jahr 2011 bei knapp 300 Millionen Tonnen, bis 2050 werden es nach Prognosen 460 Millionen Tonnen sein.
Die „Tierproduktion“ verändert die Umwelt im globalen Maßstab. Millionen Hektar Wald werden in Südamerika gerodet, um Soja anzubauen, als billiges Futter fürs Vieh hierzulande. 80 Prozent der Rodungen im Amazonasgebiet dienten der Neuschaffung von Weideland. 1250 Millionen Tonnen Pflanzenfutter fressen die Schweine und Hühner weltweit pro Jahr.
Und auch, was hinten rauskommt, versaut die Umwelt. Die Gülle führt zu einer bedenklichen Nitratbelastung des Grundwassers. Nach einer EU-Untersuchung lag der Wert an jeder zweiten gemeldeten Messstation über der geltenden Grenze von 50 Milligramm pro Liter. Greenpeace sprach schon von einer „Zeitbombe im Trinkwasser“.
Zunächst leiden die Tiere. Die Hühner, zum Beispiel, häufig unter Herzproblemen. Die Schweine haben es in den Gelenken. Die Puten können schon gar nicht mehr laufen, kippen nach vorn, wegen der überdimensionierten Brust. An Sex ist bei den überzüchteten Rassen ohnehin nicht zu denken, das übernimmt der Besamer.
So hat, meinte die Monatszeitung Le Monde diplomatique, „selbst der Begriff ‚Tier’ seine Gültigkeit verloren: Würstchen werden wie Autos produziert, ausgehend von den Rohstoffen. Dass es sich um lebende und häufig leidende Rohstoffe handelt wird ausgeblendet. De facto sind diese Tiere keine eigenständigen Lebewesen mehr, sondern pure Resultate agrarwissenschaftlicher Forschung. Durch jahrzehntelange Selektion wurden sie so gezüchtet, dass ihre Muskelmasse sich immer schneller entwickelt und sie eine erhöhte Fortpflanzungsleistung erbringen. Im Gegenzug sind ihre Vitalorgane auf ein Minimum reduziert und oft nicht mehr in der Lage, ihre Funktionen zu erfüllen. Die Tiere sind extrem anfällig für Infektionen. Deshalb werden die Mastställe beheizt. Dennoch brechen regelmäßig Krankheiten aus, die dann mit Antibiotika bekämpft werden.“
Je mieser das Leben der Tiere, desto schlechter ist das für die menschliche Gesundheit, sagt Tracey Jones, Direktorin der Vereinigung für Mitgefühl in der globalen Landwirtschaft (Compassion in World Farming): Das „Verlangen nach billigen Hühnern“ drücke die „Preise nach unten“ und treibe die Produzenten an, Hühner zu verwenden, die schneller wachsen, und zugleich die Zahl der Tiere im Stall zu erhöhen.
Diverse Studien zeigten, dass sich besonders in großen Ställen die Salmonellen ausbreiten. Auch der aufstrebende Krankheitserreger Campylpobacter wird durch Massenställe begünstigt. Und aggressive Mikroben wie die EHEC-Bakterien entstehen durch die artwidrige Fütterung der Rinder.
Die Experten sprechen in solchen Fällen von sogenannten »Faktorenkrankheiten«.
Aber auch der massenhafte Konsum von Fleisch und Fleischprodukten kann die Gesundheit gefährden.
Die womöglich größte und bislang völlig unterschätzte Bedrohung der Gesundheit für Menschen liegt in jenen Substanzen, die bisher als besonders segensreich galten: den sogenannten Proteinen, dem „Eiweiß“ in den tierischen Produkten, in Fleisch, Milch, Butter, Käse, und natürlich im Ei.
Manche Forscher betrachten überhöhten Konsum von Eiweiß schon als ein Gesundheitsrisiko wie das Rauchen.