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Hormonstörer

Viele Chemikalien aus der Umwelt und der Nahrung beeinflussen das System der körpereigenen Hormone und bringen die Abläufe durcheinander. Diese sogenannten Hormonstörer (englisch: Endocrine Disruptors) beeinflussen insbesondere das Fortpflanzungssystem. Auch beim Übergewicht stehen die Hormonchemikalien im Verdacht. Mittlerweile mehren sich die Hinweise, auch chronische Leiden wie die Zuckerkrankheit Diabetes könnten durch hormonelle Fehlsteuerung bedingt sein, ebenso eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Gehirn, Störungen im Immunsystem. Auch Schäden im Knochengerüst und bestimmte Krebsarten werden mit hormonellen Veränderungen in Zusammenhang gebracht. Außerdem schnelles Altern und vorzeitiges Ableben. Die Hormonstörer können sogar schon vor der Geburt wirksam werden, beim Baby im Mutterleib.

 

Die Hormonstörer können die Geistesleistung stören, die Neubildung von Hirnzellen behindern und so eine »Gefahr für die Erhaltung der kognitiven Funktion« im späteren Leben bedeuten, schrieb der Mediziner Bernard Weiss von der University of Rochester im US-Bundesstaat New York im Fachblatt Neurotoxicology.

 

Auch die internationale Hormonforschervereinigung („Endocrine Society“) warnt vor den dadurch drohenden „Funktionsstörungen“ im Kopf, „die sich negativ auf das Gehirn und das Verhalten auswirken“ können, zum Beispiel zu einem „verminderten IQ“ führen, und verweisen auf einschlägige Warnungen durch angesehene Institutionen wie das National Toxicology Program der USA, die Vereinten Nationen sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), nach deren Erkenntnissen es 800 solcher Hormonstörer gibt.

 

Sie werden alljährlich millionentonnenfach produziert, unter anderem vom deutschen Chemie-Giganten Bayer und dem US-Multi Dow. Sie finden sich immer wieder in den Nahrungsmitteln der Supermärkte, zum Beispiel in Fischbüchsen, sogar in Olivenöl, in Walnussöl, in den Kronkorken von Bierflaschen, im Käse. Sie stammten aus der Kunststofffolie, in die der Käse eingewickelt war, auch Gefrierbeuteln, Frühstücksbeuteln, Plastik-Milchflaschen, und sogar den Deckeln von Babygläschen.

 

Dazu zählen die Plastikhormone, auch »Weichmacher« genannt, allgegenwärtige Chemikalien wie Tributylzinn (TBT), Bisphenol A (BPA), die sogenannten Phthalate, auch die Pestizide, die immer wieder auf Obst und Gemüse aus nicht-biologischem Anbau nachgewiesen werden.

 

Auch Nahrungszusätze wie der sogenannte Geschmacksverstärker Glutamat oder Aluminium, können die hormonelle Steuerung stören, ferner Farbstoffe und andere Zusatzstoffe, zudem industrielles Aroma.

 

Wissenschaftler glauben, dass das zunehmende Übergewicht in vielen Ländern der Welt weniger eine Folge individuellen Fehlverhaltens sei sondern sozusagen eine »zivilisatorische Vergiftungserscheinung« durch solche Chemikalien aus Nahrung und Umwelt. Sie sorgten dafür, dass das Verhalten gleichsam umgesteuert wird, und zwar schon im Mutterleib.

 

Jerrold J. Heindel vom National Institute of Environmental Health Sciences (NIEHS) in North Carolina glaubt, die Hormonstörer hätten »deutlichen Einfluss auf die menschliche Gesundheit« und seien aussichtsreiche »Kandidaten« als Mitschuldige an der weltweiten Epidemie des Übergewichts.

 

Denn: »Die Fett-Zellen und ihre Vorläufer haben Rezeptoren für Östrogene«. Die Hormonstörer aus dem Supermarkt, die häufig wie weibliche Geschlechtshormone wirken, könnten dort andocken und das Wachstum der Fettzellen verstärken.

 

Betroffen ist die ganze Botenstoff-Gruppe, die die Nahrungsverarbeitung steuert: das Zuckerverarbeitungshormon Insulin, das »Schlankheitshormon« Leptin, das dem Gehirn über die Versorgungslage mit Nährstoffen berichtet, auch die Wachstumshormone, die Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron, Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin, Serotonin.

 

Auch beim Thema Kreidezähne, jener bislang unerklärlichen Beißerschwäche bei Kindern, gerieten die Hormonstörer in Verdacht, das allerdings sei eher „unwahrscheinlich“, meint das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).