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DR. WATSON



Es steckt in Klassikern wie der Maggi-Würze, auch in trendigen Würzprodukten wie der Sriracha Hot Chili Sauce, in Chips, Fertiggerichten, Instantnudeln, und es ist auch pur zu haben, als weißes Pulver: Glutamat. Der sogenannte Geschmacksverstärker, der bei manchen Menschen...

 

STOPP! WER WAS DAGEGEN SAGT, IST EIN RASSIST, DAMIT DAS KLAR IST!

 

So sehen das jedenfalls tonangebende Medien wie die Süddeutsche Zeitung (SZ), der österreichische Standard, der Focus, der US-Kommerzsender CNN, das Wissenschaftsmagazin Spektrum, auch die umstrittene öffentlich-rechtliche Universalexpertin Mai Thi Nguyen-Kim.

 

Es ist der wichtigste Zusatz der globalen Foodindustrie, und der umstrittenste. Weltweit wachsen die Bedenken, bei Konsumenten, Ärzten und Behörden. Im Meinungskrieg um das weiße Pulver geht es aber mittlerweile nicht mehr nur um Risiken und Nebenwirkungen, sondern auch um – Rassismus.

 

Es ist natürlich ein ziemlich geschmackloser Vorwurf, wenn es um die unschuldigen Opfer eines Nahrungszusatzes geht.

 

Er soll, unter anderem, das sogenannte Chinarestaurant-Syndrom auslösen. Und China darf man zwar kritisieren, klar, aber nicht die Zutaten in einem chinesischen Restaurant.

 

So die messerscharfe Logik der Glutamat-Lobby und ihren medialen Followern, etwa dem US-Medienkoch Anthony Bourdain. „Wissen Sie, was das Chinarestaurant-Syndrom verursacht?“ fragte er, und gab selbst die Antwort: "Rassismus."

 

Die Rassismuskeule im Ernährungskrieg

Die Rassismuskeule: Sie sollte zur finalen Wunderwaffe werden im Meinungskrieg um das Geschmacksmittel, das zum Milliardengeschäft geworden ist – und zur globalen Bedrohung.

 

Wie, das erste Opfer war selbst ein Chinese? Der Mann, ein Arzt übrigens, der in einem Wissenschaftsjournal über seine Unverträglichkeitsreaktionen nach Besuchen in solchen Gaststätten berichtet hatte? Er hieß Robert Ho Man Kwok. Seine Existenz leugnen manche Leute gleich ganz, wie etwa die tatsachenresistente Universalexpertin von ARD und ZDF, aber das ist eine andere verrückte Geschichte.

 

Bevor die Fakten völlig aus dem Blick geraten, seien sie hier kurz zusammengefasst: Als Glutamat werden die Salze der Glutaminsäure bezeichnet. Sie sind in Industrienahrung enthalten, als Zusatzstoffe unter den E-Nummern 620 bis 625, in vielen natürlichen Lebensmitteln und auch im menschlichen Körper. Die Stoffgruppe wurde 1866 von dem deutschen Chemiker Heinrich Ritthausen entdeckt. Der Japaner Kikunae Ikeda bemerkte 2008 die geschmacklichen Effekte und startete schon ein Jahr später die kommerzielle Vermarktung, mit einer Firma namens Ajinomoto. Seit 1958 ist der Zusatz in den USA als unbedenklich eingestuft. Die schädlichen Nebenwirkungen wurden jedoch erst danach festgestellt. Im Jahre 2017 kritisierte die oberste Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa, dass aufgrund übermäßigen Verzehrs „bei einigen Bevölkerungsgruppen mit unerwünschten Wirkungen“  zu rechnen sei. 2020 startete Ajinomoto, mittlerweile zum Weltmarktführer emporgestiegen, seine Rassismus-Kampagne, um damit die Kritik an seinem profitablen Produkt „ein für allemal“ zu unterbinden.

 

Ein offenkundig verzweifelter, aber zunächst ziemlich erfolgreicher Versuch, von den lästigen Tatsachen abzulenken und die Auseinandersetzung auf ein neues Schlachtfeld zu verlagern. Vodoo-PR, sozusagen, um die Kritik an der verbreiteten Problemsubstanz mit einem Bannfluch zu belegen. Weg von den medizinischen Fakten, nachweisbaren Reaktionen auf chemische Substanzen, hin zur Moral, zum Mitgefühl für ausgegrenzte Menschen, hier: mit chinesischem Migrationshintergrund.

 

Es ist ja auch immer enger geworden für die Geschmacks-Konzerne. Sie hatten sich lange gegen die Fakten gestemmt, mit massiven Attacken auch professoraler Hilfstruppen versucht, die Gefechtslage zu ihren Gunsten zu verändern, die Lufthoheit über den Esstischen zu erreichen.

 

Ein Pfund Glutamat am Tag unbedenklich?

Dabei gewannen sie sogar wichtige Schlachten. Legendär beispielsweise war der Einsatz eines ausgewiesenen universitären Frontkämpfers namens Hans Konrad Biesalski, der mit einem gekauften „Konsensusgespräch“ Glutamat für unbedenklich erklärte und so wenigstens eine Zeitlang die Glutamat-Geschäfte absichern konnte. Bis er wieder nachlegen musste, mit einem verschärften „Update“, in dem selbst ein Pfund (!) Glutamat am Tag für unbedenklich erklärt wurde. Und das auch noch von einem leibhaftigen Präsidenten der zuständigen wissenschaftlichen Vereinigung, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Er war sogar der Sprecher dieser Truppe von Glutamat-Extremisten.

 

 

 

Schließlich zog auch noch der lobbygestählte Professor Berthold Koletzko von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) für die Konzerne in den Meinungskampf, gemeinsam mit einer internationalen Einheit von Gleichgesinnten, um im Auftrag der Glutamatindustrie der Europäischen Union einen Schlag zu versetzen. Sie „widersprachen“ der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa, die die Konzerne mit ihrem glutamatkritischen Statement provoziert hatte: Es gebe „keine zwingenden Gründe“ für irgendwelche Einschränkungen im Geschmacksverstärker-Business.   

 

Doch es half alles nichts. Immer wieder traten hochrangige Bedenkenträger auf. Erst in diesem Jahr auch noch die obersten deutschen Lebensmittelwächter vom staatlichen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). In Ihrer Glutamat-Stellungnahme ging es unter anderen um ein brennendes Gefühl im Nacken, Brustschmerzen und Übelkeit, Herzklopfen und Schwächeanfälle: all die Symptome und Unverträglichkeitsreaktionen also, die manche plagen nach der All-You-Can-Eat-Orgie für 12,90 Euro im Asia-Imbiss.

 

Liste der Nebenwirkungen immer länger

Doch damit nicht genug: Es kommt immer mehr dazu. Der Glutamat-Symptomkomplex wird zunehmend umfangreicher. Ärzte und Forscher fördern ständig neue Fakten über gefährlichen Risiken und Nebenwirkungen zutage, die Menschen überall auf diesem Globus treffen.

 

Denn die Substanz hat, als allgegenwärtiger Botenstoff in Organismen, im Übermaß logischerweise weitreichende Nebenwirkungen. Daher ist, so eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit aus diesem Jahr zum Stand der Forschung, „die Verabreichung von Glutamat mit vielen Anomalien verbunden“.

 

Ausdrücklich nennen die Forscher dabei Herz und Nieren, Leber, Milz, den Fett- und den Zuckerstoffwechsel, die Blutgerinnung. Außerdem den Darm, das „Zweite Gehirn“, wo Glutamat ebenfalls ein wichtiger Botenstoff ist.

 

Glutamat kann sogar ins Auge gehen, wie, ebenfalls in diesem Jahr, Versuche mit Hühnern ergaben. Auch bei Menschen könnten extrem hohe Dosen zu Augenschäden führen bis hin zur Erblindung, meinen japanische Wissenschaftler.

 

Bedenkliche Effekte im Gehirn

Besonders bedenklich: Die Folgen im menschlichen Gehirn. Dort dient Glutamat nach neuesten Erkenntnissen als „Hauptneurotransmitter“ und hat „die neurowissenschaftliche Literatur im Sturm erobert“, wie es in einem Fachartikel heißt. Es gilt als Verdächtiger bei Alzheimer und Parkinson, dem Zappelphilipp-Syndrom ADHS, neuerdings auch bei „Stimmungsstörungen“ bis hin zu Depressionen.

 

 

 

In jüngster Zeit kam dann noch das Thema Sex hinzu. Testosteronschwund, Fruchtbarkeitsprobleme, unerfüllter Kinderwunsch. Ein Problem, das immer drängender wird, seit Forscher auf die Gefahr eines drohenden weltweiten Bevölkerungsschwundes hinweisen und dessen möglicherweise dramatische Folgen (siehe DR. WATSON News vom 26. September 2023).

 

So richtig erfolgreich war sie also nicht, die Ablenkungsstrategie der Meinungskrieger vom japanischen Glutamat-Weltmarktführer. Dabei waren die Ajinomoto-Matadore so stolz auf ihren Coup: Einfach den Kampf auf neues Schlachtfeld zu verlegen, die Arena der Moral, in der nicht um Daten und Fakten, sondern um Sprache und Bedeutungen gefochten wird. Und dann auch noch gleich überfallartig ins Machtzentrum des Gegners vorzustoßen.

 

Mit ihrer gezielten Attacke, einer sprachlichen Säuberungsaktion sozusagen, trafen sie dorthin, wo Begriffe und Bedeutungen verwaltet werden. Und überrumpelten ihre gänzlich unvorbereiteten Opfer. Harmlose Leute, deren Aufgabe darin besteht, Wörter zu sammeln und mit Inhalt zu füllen. Als Angriffsziel nur ausgewählt. weil sie gerade dadurch eine ungeahnte Machtfülle besitzen.

 

Es war ein Verlag, der das älteste und laut Eigenwerbung vertrauenswürdigste Wörterbuch des Landes herausbringt und sozusagen das Sprachzentrum bildet der Vereinigten Staaten von Amerika: der „Merriam-Webster“, gewissermaßen der amerikanische Duden. Was dort steht, ist quasi amtlich. Deshalb kamen sie ins Fadenkreuz der PR-Krieger im Sold des japanischen Konzerns. 

 

Als Angriffswaffe diente diesen: ein Twitter-Video (#RedefineCRS). Darin attackierte eine berühmte TV-Persönlichkeit namens Jeannie Mai die wehrlosen Lexikonleute und schleuderte ihnen den Rassismus-Vorwurf ins Gesicht - verbunden mit einer ultimativen Forderung: Das Stichwort „Chinarestaurant-Syndrom“ sei „rassistisch“ und müsse geändert werden.

 

Ein Twitter-Video als Waffe

Weitere Videos folgten. Die „Mainstream-Medien“ des Landes reagierten auf das R-Wort wie auf Kommando. Sie bellten laut los. Der attackierte Verlag ergab sich kampflos. Und die Krieger vom japanischen Glutamat-Konzern präsentierten stolz ihren Skalp, das Dokument der Unterwerfung: einen neuen Eintrag im Merriam-Webster-Wörterbuch. Darin wurde die Vokabel „Chinarestaurant-Syndrom“ als „veraltet, manchmal beleidigend“ markiert. Also: aussortiert. 

 

Ihre Attacke hatte exakt getroffen. Es war, verkündeten die Ajinomoto-Kämpfer siegesstolz, ein gelungener Befreiungsschlag, mit dem sie „Jahrzehnte fremdenfeindlicher Hysterie über Glutamat rückgängig machten“.

 

Befriedigt zogen sie eine Bilanz ihrer aggressiven Operation an der Sprachfront: „Dank einer durch ein Video ausgelösten viralen Bewegung“ verschafften sie dem Glutamat-Konzern „eine bessere Zukunft in Amerika“.

 

Wenn fortan jegliche Kritik als „rassistisch“ gebrandmarkt wird, sind natürlich alle Meldungen und Berichte über Risiken und Nebenwirkungen tabu, sprachhygienisch unerwünscht. Und zwar unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch sind. So jedenfalls hatte sie sich das wohl vorgestellt.

 

Was sie allerdings übersehen haben: Amerika ist nicht die Welt. Und durch sprachpolizeiliche Maßnahmen in den USA lassen sich die Gesundheitsbedenken von Ärzten rund um den Globus nicht aus dem Weg räumen.

 

Die globale Pandemie der Glutamatfolgen

 Schließlich trifft die Glutamat-Flut die gesamte Weltbevölkerung. Der globale Absatz hat sich seit 1976 verzwanzigfacht, von 262.000 Tonnen auf 5 Millionen Tonnen pro Jahr, bei weiter steigender Tendenz, aktuell 7,9 Prozent jedes Jahr.

 

Überall sind die Menschen mit den Nebenwirkungen konfrontiert: einer Pandemie der Begleiterkrankungen. Daran ändert der mühsam erkämpfte Sprach-Bann rein gar nichts. Vielleicht hat er sogar zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für das Glutamat-Symptombündel gesorgt.

 

Es hat in jüngster Zeit eine regelrechte Flut an Berichten gegeben in den medizinischen Fachjournalen dieser Welt. Über die unerwünschten Nebeneffekte des sogenannten Geschmacksverstärkers berichteten zuletzt Ärzte und Wissenschaftler beispielsweise aus der Türkei, aus ÄgyptenIndien und Indonesien, dem Irak und dem Iran, aus dem JemenNigeria und Pakistan.  

 

Und, unglaublich, aber wahr: Sogar chinesische Wissenschaftler warnten vor Glutamat, und der „Toxizität“ für die Fruchtbarkeit.

 

Die Rassismus-Keule, auf deren Einsatz die japanischen Konzern-Kämpfer so stolz waren, ist nur von mäßiger Schlagkraft, beschränkt auf westliche Medienkreise.

 

Der neue Nahrungs-Kolonialismus

Der Rest der Welt zuckt da offenbar nicht reflexhaft zusammen. Kein Wunder: Überall in den Ländern des „Globalen Südens“ werden die Menschen zu Opfern einer neuen Form von Kolonialismus mit westlicher Konzern-Nahrung. Die Eroberer: Ausgerechnet jene Glutamat-Mächte, die sich den Weg mit der Rassismus-Keule freikämpfen wollten.

 

Maggi, zum Beispiel, zieht eine Glutamatspur quer durch Afrika, sogar die Südsee, Weltmarktführer Ajinomoto hat mit einer Armada von Marken Brasilien erobert und ganz Lateinamerika, Vietnam, Thailand.  Und im Gefolge kamen die zugehörigen Krankheiten.

 

Früher wurden Pocken, Grippe, Masern und Cholera von den Kolonisatoren verbreitet, heute Übergewicht, Diabetes, Herzleiden, Krebs. Und neuerdings auch: Unfruchtbarkeit. An all dem hat der Geschmacksverstärker seinen Anteil.

 

Die Empörung der Antirassisten ist bislang leider ausgeblieben.

 

 

Mehr zum globalen Krieg ums Essen: 

Hans-Ulrich Grimm

Food War