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12.05.2022

DR. WATSON News

Nutella & Co: Milliardenprofite auf Kosten von Kindern

Überraschungsei-Skandal: „Ferrero gefährdet die Gesundheit“

Kleine Monster: Was springt da aus dem Überraschungsei?
Screenshot: Ferrero

Es war die wohl umfangreichste Rückrufaktion, die es je gegeben hat. Noch ermitteln Staatsanwälte und Behörden im Ferrero-Skandal mit den Überraschungseiern. Aber sind Salmonellen wirklich die größte Gefahr?



Noch ist sie geschlossen, die Fabrik für Kinderfreuden, aus der täglich zwei Millionen Überraschungseier kamen, vier Millionen Raffaello-Pralinen und fast 18 Millionen Kinder Schoko-Bons. Doch so langsam reicht es den Ferrero-Leuten, sie wollen den Laden endlich wieder aufmachen, auch wenn viele Fragen noch ungeklärt sind, immer noch Staatsanwälte ermitteln, Überwachungsbehörden und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie es zu dem Salmonellenskandal kommen konnte, inklusive weltweitem Rückruf, der vom Ausmaß her alle bisherigen in den Schatten stellte. Über 100 Menschen waren krank geworden, viele mussten ins Hospital, vor allem kleine Kinder unter fünf Jahren.

 

Empörte Reaktionen

 

Der Skandal hatte zu empörten Reaktionen geführt. Verbraucherschützer, aber auch Händler und Lebensmittelaufseher kritisierten die Firma wegen ihres Umgangs mit der Affäre, gesundheitsgefährdender Geheimniskrämerei und Verschleppungstaktik. 

 

Dabei war sie bisher sehr beliebt gewesen, bei Kindern wegen der  Süßprodukte, bei Medien wegen der Werbemilliarden.

 

Der Skandal brachte nun ans Licht, welche Dimensionen ihr Geschäft mit dem Süßen schon angenommen hatte, mit den Überraschungseiern, mit NutellaKinder-SchokoladeMilch-SchnitteHappy Hippo und anderen Kultprodukten. Ein weltweites Business – und eine weltweite Bedrohung, vor allem für Kinder, und damit die Zukunft ganzer Gesellschaften.

 

Politik, Behörden, Lebensmittelwächter sind darauf nur unzureichend vorbereitet.

 

Denn dabei geht es nicht nur um klassische Krankheitserreger wie Salmonellen, die sich binnen kurzem um die ganze Welt verbreiten können. Es geht auch um die Gesundheitsrisiken durch die ganz normalen, von Skandalen unbelasteten Inhaltsstoffe der Ferrero-Erzeugnisse: den Zucker natürlich, die chemischen Zusatzstoffe, und neuartige Problemstoffe, die durch die industrielle Produktion entstehen und auch bei den Gesundheitswächtern etwa der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa schon Besorgnis ausgelöst haben – aber keine weltweiten Rückrufaktionen, weil mit dem herrschende Begriff von Lebensmittelsicherheit die modernen Risiken nicht angemessen zu bekämpfen sind.

 

Sie können deshalb, weitgehend unbelastet von Verantwortung für die Folgen des Konsums ihrer Produkte, ihren Reichtum unbeschwert mehren. Auch Ferrero, scheinbar ein kleines Familienunternehmen aus Italien, das in Wahrheit, unbemerkt von der Öffentlichkeit, längst zu einer Weltmacht des Süßen avanciert ist, den Hauptsitz ganz diskret ins steuergünstige Luxemburg verlegt hat und damit demonstriert, dass es die Gewinne gern privatisiert und Folgekosten, auch für allfällige globale Krankheitswellen, auf andere abwälzt.

 

Ferrero liefert die Droge für Zuckersüchtige in alle Welt, noch in den letzten Winkel, bis ins kleinste Südseedorf, kann damit märchenhafte Gewinne scheffeln – und die armen Länder auf den Folgekosten sitzen lassen, durch explodierende Übergewichtsraten und Diabetesquoten.

 

Ferrero, der Super-Spreader 

 

Dabei war Ferrero war bislang ein großer Sympathieträger, eine Firma, die die Kindheit versüßt, mit Produkten, die für Wohlgefühle sorgen im sogenannten Belohnungszentrum im Gehirn, und auch bei den Meinungsführern in den Medien, bei denen die Kassen klingeln, dank üppiger Reklamegelder: Allein in Deutschland spendierte ihnen Ferrero im März 2022 stolze 64,5 Millionen Euro, im Jahr 2021 insgesamt 688,9 Millionen Euro.

 

Mit dem dadurch erkauften Wohlwollen der Medien, auch mit teils aggressiven Methoden, hat die Firma einen erfolgreichen Expansionsfeldzug absolviert und den Chef, Giovanni Ferrero, auf Platz 36 im Ranking der reichsten Menschen auf diesem Planeten befördert, mit einem Vermögen von 36,2 Milliarden US-Dollar. Und alles dank Nutella, dank Kinder-Schokolade und Milch-Schnitte, Happy Hippo und dem Überraschungsei, die jetzt alle in einer Liga spielen dürfen mit Smarties, M&M, Kitkat, Milka, Mars.

 

Ferrero ist, ohne dass es so recht jemand bemerkt hat, ein Global Player geworden, aufgestiegen in die zuckrige Topliga dieser Welt, rangiert unter den Top 10 der größten Süßzeugproduzenten auf Platz 4 hinter Nestlé, 

 

Und ist jetzt natürlich auch gesundheitsmäßig ein Super-Spreader, mit weltweiter Reichweite.

 

"Ferrero gefährdet die Gesundheit"

 

Das zeigte sich bei jener Rückrufaktion in diesem Jahr, vor Ostern, jener Saison also, in der die Medien alljährlich nach Skandalen graben, die Eier betreffend. Dieses Jahr ging es, modernerweise, um die menschengemachte Version, die Überraschungseier von Ferrero, in denen normalerweise kleine Monster stecken und ähnliche Sensationen.

 

Dieses Mal waren es: Salmonellen.

 

Nicht die Medien hatten sie entdeckt, sondern Ferrero selbst, und zwar nicht zu Ostern, sondern schon vor Weihnachten. Das hatte die Firma allerdings erst mal für sich behalten, auch auf die Gefahr hin, dass Kinder unterm Christbaum Überraschungseier naschen und dann krank werden.

 

Die „Informationspolitik von Ferrero gefährdet die Gesundheit von Verbraucher:innen“, empörte sich der Verbraucherzentrale Bundesverband: Es sei ein „Skandal“, dass sie „erst knapp vier Monate nach dem ersten Vorfall von Ferrero nach und nach über das Ausmaß des Problems informiert“ worden sind.

 

Im Januar dann wurde der erste Erkrankungsfall bekannt, in Großbritannien, ausgelöst durch ein Ferrero-Produkt, das am 21. Dezember hergestellt wurde.

 

Und dabei blieb es nicht: Nach und nach gab es immer mehr Opfer, in immer mehr Ländern, meist Kinder unter fünf Jahren. Sie hatten „Milchschokoladeneier mit einem kleinen Spielzeug im Inneren“ genascht, und zwar von „der Firma A“, wie die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa in einem sehr diskret formulierten Report berichtet.

 

Dass es sich bei „Firma A“ um Ferrero handelt, war spätestens nach deren eigener Warnmeldung klar. Es ging um diverse Produkte, darunter die Kinder Überraschung in diversen Ausführungen, um Kinder Schoko-Bons, Kinder Happy Moments, die Kinder Mini Eggs, den Kinder Mix Bunte Mischung, den Kinder Maxi Mix Plüsch. 

 

Angesichts der breiten Palette inkriminierter Ferrero-Produkte kam prompt die Befürchtung auf, dass auch deren beliebteste Leckerei kontaminiert sein könnte: Nutella.

 

Doch da gab es sofort Entwarnung: der beliebte braun-süße Brotaufstrich werde in Deutschland produziert, die kontaminierten Überraschungseier hingegen kamen aus einem Werk in Belgien.

 

Europazentrale der Lebensmittelskandale

 

Belgien. Ausgerechnet. Wieder einmal Belgien. Das kleine, sympathische Land mit der EU-Hauptstadt Brüssel ist auch so etwas wie die Europazentrale der Lebensmittelaffären, war sogar schon mehrfach Ausgangspunkt weltumspannender Dioxinskandale und ist bekannt für seine trägen und oft täterfreundlichen Behörden.

 

Und auch jetzt war das Land wieder Schauplatz und Zentrum des Skandals, hier wurden die Salmonellen bei internen Kontrollen entdeckt, und zwar, wie die Firma in ihrer Pressemitteilung bekanntgab, am 15. Dezember 2021.

 

Doch erst Monate später, im April 2022, schlossen die Behörden das Werk dort, wegen mangelnder Zuverlässigkeit, und weil das Management „nicht in der Lage“ sei, „die Sicherheit ihrer Produkte zu garantieren“, so eine gemeinsame Ermittlungsgruppe des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa in ihrem Bericht.

 

Immerhin hat die örtliche Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Ferrero aufgenommen.

 

Ausweitung der Gefahrenzone

 

Doch da waren die Problemprodukte schon in alle Welt geliefert worden, genauer:  in „mindestens 113 Länder“, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die dazu auch eine eindrucksvolle Liste veröffentlicht hat, damit den Erfolg von Ferreros Expansionsfeldzug dokumentiert – und die Ausweitung der Gefahrenzone für Konsumenten. Denn geliefert wurden den die Naschsachen, vor denen die Firma warnen musste, in folgende Länder: 

 

Albanien

Algerien

Andorra

Äquatorialguinea

Argentinien

Armenien

Aruba

Aserbaidschan

Australien

Belgien

Benin

Bosnien und Herzegowina

Brasilien

Britische Jungferninseln (UK)

Bulgarien

Burkina Faso

China, Komoren

Curaçao

Dänemark

Demokratische Republik Kongo

Deutschland

Dominikanische Republik

Dschibuti

Elfenbeinküste

Estland

Fidschi

Finnland

Frankreich

Französisch-Guayana

Französisch-Polynesien

Gabun

Georgien

Griechenland

Guadeloupe

Guinea

Hongkong

Irland

Island

Israel

Italien

Kaimaninseln

Kambodscha

Kamerun

Kanada

Kasachstan

Katar

Kirgisistan

Kongo

Kosovo

Kroatien

Kuwait

Lettland

Libanon

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

Mali

Malta

Marokko

Martinique

Mauretanien

Mauritius

Mayotte

Mexiko

Moldawien

Monaco

Mongolei

Montenegro

Neukaledonien

Neuseeland

Niederlande

Niger

Norwegen

Oman

Österreich

Paraguay

Polen

Portugal

Republik Korea

Republik Nordmazedonien

Réunion

Ruanda

Rumänien

Russische Föderation

San Marino

Saudi-Arabien

Schweden

Schweiz

Senegal

Serbien

Singapur

Slowakei

Slowenien

Spanien

Surinam

Tadschikistan

Thailand

Togo

Tschechische Republik

Türkei

Turkmenistan

Ukraine

Ungarn

Usbekistan

Vatikanstaat

Vereinigte Arabische Emirate

Vereinigte Staaten von Amerika

Vereinigtes Königreich

Vietnam

Weißrussland

Zentralafrikanische Republik

Zypern

 

Und das waren nur die akut salmonellengefährdeten Reviere. Ferreros Imperium des Süßen aber reicht  noch weiter: Insgesamt füttert die Firma die Kleinen in 170 Ländern auf diesem Planeten mit zuckrigen Leckereien  und ist so, nach eigenen Angaben, „eine globale Realität“, mit fast 1,5 Millionen Tonnen verkaufter Ferrero-Süßprodukte. Das sind die Zahlen, die Branchenstatistiker ermittelt haben. Die Firma selbst, diskret wie sie ist, teilt auf Anfrage von DR. WATSON mit, dass sie sich zum „Produktionsvolumen“ von Nutella und Ferrero im Allgemeinen „traditionell nicht äußern“ möchte.

 

Eine geheimniskrämerische Haltung, die im Hinblick auf die Weltgesundheit höchst problematisch ist, aber von den Behörden, national und international, skandalöserweise toleriert wird.

Weltmacht Nutella: Ferreros Imperium des Süßen - ein Reich mit 170 Ländern. Screenshot: Twitter

Dabei sind die Salmonellen aus dem belgischen Werk wohl nicht einmal die größte Gesundheitsgefahr, die von den Ferrero-Produkten ausgeht.

 

„Die Symptome der Salmonellose sind relativ mild“, urteilt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Statement zum Ferrero-Fall. Zwar drohten akutes Fieber, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen. Und Durchfall, der durchaus auch „blutig sein“ könne, wie „in den meisten Fällen des aktuellen Ausbruchs“ gewesen. Bei manchen Betroffenen, „insbesondere bei Kindern und älteren Patienten“, könne es durch die damit einhergehende Dehydration sogar „lebensbedrohlich werden.“ Normalerweise erholten sich die Patienten allerdings „ohne spezifische Behandlung“, und der Spuk ist laut WHO nach spätestens einer Woche vorbei.

 

Nutella am Morgen: Kummer und Sorgen? 

 

Ganz anders die Auswirkungen von Ferreros Tagesgeschäft, das ohne Begleitung und Aufsicht durch die globalen Gesundheitsbehörden stattfindet.

 

Wenn es zum Beispiel jeden Morgen Nutella zum Frühstück gibt, wie bei Millionen von Kindern auf dieser Welt – insgesamt  440.000 Tonnen jährlich, wie die Firma einmal in einem stolzen Jubelartikel wissen ließ. Die Kinder schlucken damit aber auch fast 250.000 Tonnen Zucker. Und es bleibt ja nicht bei bei dieser Quelle: Im Nutella-Alter, also in Kindheit und Schulzeit, ist der Zuckerkonsum am höchsten.   

 

Der wiederum erhöht laut WHO das Risiko für Übergewicht und eine ganze Reihe von Gesundheitsproblemen, die leider nach sieben Tagen keineswegs vorbei sind, Karies beispielsweise, auch Alzheimer, Diabetes, Herzleiden, die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung, sogar manche Krebsarten.

 

Bei den Kollateralschäden an Kindern durch Ferrero-Produkte geht es indessen nicht nur um den Zucker, der natürlich der wichtigste und gesundheitlich bedenklichste Bestandteil ist, mit einem Anteil von 56,3 Prozent etwa in Nutella, und einem Fettanteil von 30,9 Prozent, weshalb das Produkt nach dem Urteil der Verbraucherzentrale Hamburg in Wahrheit eine „Zucker-Fett-Creme“ ist.

 

Durch den industriellen Herstellungsprozess können noch ganz andere gefährliche Schadstoffe entstehen, die von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa sogar als krebserregend eingestuft werden.

 

Zwar hatte Ferrero beteuert: "Nutella ist ein absolut sicheres Produkt." In den Nutella-Gläsern waren die Krebsgifte auch nur in geringen Mengen aufgetaucht: Einen „sicheren Wert“, indessen, bei dem eine Gefährdung ausgeschlossen ist, gebe es nicht, so die EU-Lebensmittelwächter.

 

Es handelte sich um sogenannte „Prozesskontaminanten“, neuartige Schadstoffe also, die erst durch den industriellen Herstellungsprozess entstehen. Etwa bei der Erhitzung des umstrittenen Palmöls, das in Nutella bei den Zutaten mengenmäßig an zweiter Stelle steht.

 

Auch die enthaltene Milch ist in ihrer ungesündesten Form enthalten: als Pulver.

 

Mehr Kalorien als in der Sahnetorte

 

Das gilt natürlich auch für jenes Ferrero-Produkt, das viele Eltern tatsächlich für besonders gesund halten, dank der einschlägigen Werbung („Viel Milch, wenig Kakao“): die Milch-Schnitte, die von der Organisation Foodwatch mit einem Preis für die dreisteste Werbelüge bedacht wurde.

 

So habe die „Milch-Schnitte“ mehr Zucker, mehr Fett und mehr Kalorien als ein Stück Schoko-Sahnetorte, kritisierte eine Foodwatch-Sprecherin: „Die Ferrero-Manager täuschen ihre Kunden nach Strich und Faden, wenn sie ein solches Produkt als sportlich-leichte Zwischenmahlzeit bewerben“. Mit einer so krass irreführenden Werbung trage Ferrero eine erhebliche Mitverantwortung dafür, dass in Deutschland bereits 15 Prozent der Kinder als übergewichtig gelten würden.

 

Als Dickmacher wirkt auch das industrielle Aroma, das zur Geschmacksmanipulation eingesetzt wird, in vielen Ferrero-Produkten,  dem Überraschungsei, dem Kinder Riegel, auch der Milch-Schnitte, in die die Firmeningenieure auch einen der fragwürdigsten Zusätze gepackt haben, die es im chemischen Arsenal der Foodkonzerne gibt: Phosphat, das als Knochenkiller und Herzschädling gilt, zu vorzeitiger Alterung und frühem Tod führen kann.

 

Doch es geht nicht nur um die einzelnen Zusätze:  Die Ferrero-Erzeugnisse gelten insgesamt als gesundheitlich problematisch, gehören als „ultra-verarbeitete“ Produkte in die höchste Risikostufe der Nahrungsmittel.

 

Höchste Risikostufe

 

Sie sind die Endstufe eines Verwandlungsprozesses, bei dem unzweifelhaft gesunde Lebensmittel wie Kakao, den sogar der fachkundige deutsche Gesundheitsminister als Vorbeugungselixier schätzt, zu gesundheitsgefährdenden Problemprodukten weiterentwickelt werden.  

 

Ultra-verarbeitete Nahrung, das zeigen medizinische Studien immer deutlicher, sind ein wesentlicher Förderer von Übergewicht und sogenannten Zivilisationskrankheiten, an denen jedes Jahr Millionen von Menschen sterben, von Alzheimer über Herzleiden und Krebs bis zur Zuckerkrankheit Diabetes, und die auch als die berühmten Vorerkrankungen die Corona-Pandemie begünstigten

 

Doch ausgerechnet gegen diese Form von krankheitsfördernder gesundheitsgefährdender Problemnahrung sind die Lebensmittelwächter machtlos. Denn Milch-Schnitte, Nutella, Überraschungseier gelten, wie alle ultra-verarbeiteten Nahrungsmittel, nach den geltenden Gesetzen als „sicher“, obwohl sie für die Weltgesundheit heute eine weit größere Gefahr darstellen als die klassischen Risikofaktoren, als Viren und Bakterien.

 

Experten fordern daher dringend, die antiquierten Vorgaben zur Lebensmittelsicherheit an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. 

 

Vor allem die ärmeren Länder dieser Welt haben unter der Flut dieser Importprodukte zu leiden, ihre Sozialsysteme drohen zu kollabieren unter den Folgen ihres Konsums: ungesundes Übergewicht, Zuckerkrankheit, Herzleiden, Krebs, die mit der Expansion der süßen Imperien ausbreiten. Der australische Diabetologe Paul Zimmet hat n deshalb schon von der „Coca-Kolonisierung“ der Welt gesprochen. Die Metapher zielt  nicht nur auf Cola und andere Softdrinks ab, sondern schließt auch das Produktportfolio des Ferrero-Imperiums ein.

 

Eine Kolonisierung durch Nahrungsmittel: Sie trifft die Opfer im Innersten, entmündigt die Konsumenten, sie  verlieren Kontrolle über ihre Ernährung, ihre Figur und ihre Gesundheit.

 

Kinder am Haken

 

Um sich von solchen fremden Mächten zu befreien, die eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung darstellen, sind manche Länder schon zur Gegenwehr geschritten. Auch gegen Ferrero und seine Überraschungseier, die in Chile Kinder Sorpresa heißen, oder besser: hießen, denn seit dem 27. Juni 2016 sind sie dort verboten.

 

Das Spielzeug, so die offizielle Begründung, diene nur als „Haken“, um die Kleinen zu ködern, für minderwertige Nahrung zu gewinnen. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es Beifall für das Gesetz, es sei „das strengste in der Welt“ und folge den WHO-Empfehlungen.

 

Das Land hatte solche Naschprodukte verboten, in denen Spielzeug enthalten ist  –  nicht wegen möglicher Gefahren durch die kleinen Plastikmonster und ähnliche Figuren. Sondern wegen der essbaren Elemente, mit dem hohen Zuckeranteil, und den Folgen für die Figur der Kinder, die so etwas essen, was beiträgt zu dramatisch steigenden Übergewichtsraten.

 

Auch in Deutschland hatte es einmal einen Vorstoß der Politik gegen Ferreros Überraschungseier gegeben. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages wollte die Kombination aus Nahrungsmitteln mit Spielzeug verbieten – allerdings wegen der kleinen Plastikfiguren und möglicher Gefahren beim Verschlucken. Für die süße Schokomixtur und ihre gesundheitlichen Folgen durch Verschlucken interessierten sich die deutschen Kommissionäre nicht so sehr.

 

Aus dem Verbot fürs Überraschungsei ist hierzulande dann allerdings doch nichts geworden.

 

Es gab einen öffentlichen Proteststurm, die Kinderkommission aus verschiedenen Volksvertreter*innen zeigte Verständnis für «Leckermäuler», schließlich hat die Europäische Union das Überraschungsei „gerettet“, und die Journalisten jubelten.

 

Auf die Ferrero-Freundeskreise in Politik und Medien ist eben Verlass.