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Klärschlamm

Klärschlamm wird von den meisten Menschen als eklig betrachtet und daher instinktiv abgelehnt. In der Nahrungsindustrie hingegen und auch in der Tiernahrungsbranche wurden die natürlichen Ekelreaktionen überwunden, weil viele Bestandteile des schlammigen Abfalls noch zu Geld zu machen ist und Geld bekanntlich nicht stinkt. Mit Hilfe von industriellem Aroma können Lebensmittelchemiker noch die übelriechendsten Rohstoffe maskieren und damit genießbar machen - für Mensch und Tier.

 

Als Musterbeispiel gilt ein Fleischersatz aus Klärschlamm, der als „Klo-Burger“ in die Geschichte einging.

 

Das Rezept: Man nehme die festen Bestandteile der Klärschlamm-Brühe, ruhig auch das reichlich vorhandene Toilettenpapier, verkoche es bei hohen Temperaturen zu Granulat, mahle es sodann und füge einige Sojaproteine hinzu. Fertig ist »Jinko Nikku«, der neuartiger Fleischersatz.

 

Geschmacklich ließ die Kreation von Mitsuyuki Ikeda, einem Wissenschaftler aus dem japanischen Okayama, noch etwas zu wünschen übrig: Erste Testesser erinnerte sie an alte Hähnchen mit einem leichten Hauch von Fisch. Das ließe sich aber beseitigen, mit ein bisschen Aroma aus den einschlägigen Zuliefer-Fabriken der Nahrungsindustrie.

 

Das Produkt wurde indessen nur den Test-Essern vorgesetzt und kam nie auf den Markt.  Der Klo-Burger sollte lediglich zur Demonstration der Möglichkeiten moderner Lebensmitteltechnologie dienen.

 

Kommerziell erfolgreicher waren jene Klärschlamm-Verwerter, die nicht viel Aufhebens gemacht haben um die Herkunft der Rohstoffe - und das Ekelmaterial einfach in Tiernahrung verwandelt haben.

 

Die belgisch-niederländische Firma Rendac beispielsweise. Sie hat jahrelang Tausende Tonnen Klärschlamm zu Tierfutter verarbeitet.

 

Sie beliefert alle Großen der Branche: Den Whiskas-Konzern Mars (früher Masterfoods), auch Nestlé Purina und Royal Canin.

 

Mittlerweile gehört sie zu einem US-Konzern mit dem schönen Namen Darling Ingredients, über den es in einer Selbstdarstellung heißt:

 

„Darling Ingredients ist der weltweit größte Hersteller von nachhaltigen natürlichen Inhaltsstoffen aus genießbarem und ungenießbarem organischem Restmaterial. Das Unternehmen genießt weltweit Anerkennung als Pionier in der Entsorgung und Verwertung von Reststoffen.“ 

 

Fünftausend Tonnen Klärschlamm verarbeitete Rendac pro Jahr. Die Firma räumte ein, dass die Vorwürfe berechtigt seien. Nach einem Report des belgischen Landwirtschaftsministers sie fünftausend Tonnen Klärschlamm –  sogar Abwässer von Duschen und Toiletten – zu Tierfutter verarbeitet. Das war nicht ungewöhnlich, andere Firmen verfuhren genauso, in Frankreich und auch in Deutschland.

 

Selbst eine öffentliche Einrichtung war damals in den Skandal verwickelt. In der Tierkörperbeseitigungsanlage Plattling, einer Einrichtung mehrerer Kommunen 140 Kilometer nordöstlich von München, wurde Klärschlamm zu Tierfutter verarbeitet.

 

Unter den Augen der bayrischen Staatsregierung. Dass so ein Produktionsverfahren verboten ist, »das haben wir übersehen«, sagte damals die bayrische Regierungsprecherin: »Das ist bedauerlich, aber wahr.«

 

Die Praxis wurde als verabscheuungswürdig abgestellt - als sie an die Öffentlichkeit kam.

 

In der Tierfutterbranche scheint es Ekelgrenzen nicht zu geben.

 

Forscher von der Landwirtschaftlichen Universität im niederländischen Wageningen beispielsweise wollten die Verwertung von Klärschlamm sogar professionalisieren und veröffentlichten ein Buch über die Gewinnung von Geflügelfutter aus Müll („Poultry feed from Waste“).

 

Es ging ihnen nicht nur um Klärschlamm, sondern auch um die Verfütterung von Hühnermist an Hühner, dazu städtischen Müll, Gerbereiabfälle. Die Wissenschaftler empfahlen das alles auch für Schafe, Lämmer, Rinder und Milchkühe. Man dürfe natürlich den Kot nicht pur verfüttern, so rieten sie, aber ein Mist-Anteil von bis zu vierzig Prozent bringe erstaunliche Ergebnisse. Die Qualität der Eier von mistgemästeten Hennen sei höher, sie würden das Futter zudem besser verwerten.

 

Weil aber das Federvieh zumindest die Fähigkeit besitze, »süß, salzig, sauer und bitter zu unterscheiden«, raten die niederländischen Müllverwerter von der renommierten Agraruniversität zur Geschmackskosmetik bei den Futterbeigaben: »Die Akzeptanz der Nahrung, die auf Müll-Produkten basiert, sollte durch die Verwendung von Süßstoffen verbessert werden.« Das Buch ist zum ersten Mal 1994 erschienen. Die Verwendung von Exkrementen als Tierfutter war damals in Europa schon verboten.

 

Das Thema stieß in der Branche aber offenbar auf nachhaltiges Interesse, sodass im Jahr 2000 ein Handbuch für Geflügelfutter aus Müll erschien (»Handbook of Poultry Feed From Waste Processing and Use«). Der Fachinformationsdienst Poultry Science war höchst angetan: Es sei, schrieb er in einer Rezension, ein Buch von »beträchtlichem Wert« für Forschung, Praxis und auch die Ausbildung von Fütterungs-Experten, ein »willkommenes Nachschlagewerk« für »jeden, der sich für das Nährstoffgewinnungs-Potential von Abfall interessiert«. Schließlich sei noch allerlei Abfall völlig ungenutzt.

 

Und er zählte den ganzen Nähr-Müll auf: »Geflügelmist, Schlachtabfälle, Klärschlamm, Gerbereiabwässer, städtischer Müll, Frucht- und Gemüseabfälle.« Aufgabe sei die »Integration und Nutzung dieser Abfälle als akzeptable Futtermittel-Zutat bei der Geflügelproduktion«.

 

»Der Pfui-Teufel-Faktor ist hoch«, gibt Philip Petry zu, der Präsident der amerikanischen Vereinigung der Futtermittel-Kontrolleure (AAFCO). Aber dank der wertvollen Inhaltsstoffe, schwärmt er, sorgten die Hühner-Exkremente im Futter für einen »wirklich guten Protein-Sprung«.

 

Selbst das angesehene Wissenschaftsmagazin New Scientist lobte die Methode in einem Artikel über preiswerte Futtergewinnung, indem »Exkremente aus Hühnerställen« einfach »direkt an das Rindvieh verfüttert« werden. Das Blatt räumte ein: »Das Vieh mit Müll zu füttern, mag unappetitlich sein«, jedoch: »es macht Sinn.«

 

Und daher sind immer wieder Forscher und Firmen in Versuchung, den Klärschlamm in Tierfutter zu verwandeln. In den Niederlanden, bekanntlich führend in fortschrittlichen Agromethoden, hat ein Pilotprojekt begonnen, bei dem in einem „Reaktor“ der Klärschlamm mit Hilfe von Wasserstoff und Sauerstoff in Tierfutter verwandelt werden kann.

 

Immerhin ist den Innovatoren bewusst, dass im Klärschlamm nicht nur Gesundes und Nahrhaftes steckt: "Wir müssen beweisen, dass diese Methode die Übertragung aller potenziellen Krankheitserreger aus dem Klärschlamm verhindert", sagte ein leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am KWR Watercycle Research Institute in Nieuwegein bei Utrecht, das das Projekt koordiniert.

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Das ist das neue Paradigma bei der Bewertung: Der Grad der Entfernung von der Natur.

 

Immer mehr Fachleute in aller Welt sehen dies als wesentliches Kriterium bei der Frage nach dem gesundheitlichen Wert der Lebensmittel.

 

Denn es ist ein großer Unterschied, ob ein Erdbeerjoghurt selbst gemacht wird, mit frischen Früchten, oder ob er aus dem Plastikbecher kommt. Oder die Pizza: Da ist die Tiefkühlvariante ein völlig anderes Nahrungsmittel als das traditionelle Vorbild. Auch bei den Vitaminen ist es wichtig, ob sie aus einem Apfel kommen, oder aus der Corn-Flakes-Packung, oder gar als Pille aus der Apotheke, dem Drogeriemarkt oder dem Internet.

 

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Das DR. WATSON Lexikon zeigt die Folgen der industriellen Herstellung von Nahrung – auch für die Gesellschaft, die einen immer größeren Aufwand treiben muss, um die zunehmende Krankheitslast zu bewältigen.

 

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Es geht um uns alle, ganz persönlich, auch um unsere Kinder, deren Zukunft, die ganze Gesellschaft, sogar um die Tiere, die unter der Entfremdung von den natürlichen Grundlagen ebenfalls leiden.

 

Mehr Wissen über diese Veränderungen – und was sie für mich bedeuten: Das DR. WATSON Lexikon liefert die nötigen Informationen – und damit wertvolle Anregungen für den Weg aus der industriellen Ernährungsfalle.

 

DR. WATSON informiert auch über die Auswirkungen von chemischen Zusatzstoffen auf den Organismus, auf die Gesundheit, detalliert und ausführlich in einer eigenen Datenbank.

 

Offiziell gelten sie als unbedenklich. Doch es kommt natürlich auf die verzehrten Mengen an. Die steigen seit Jahrzehnten steil an - und damit auch die Risiken.

 

So stehen etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat in Verdacht, zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson beizutragen. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernstörungen führen (ADHS). Auch Migräne kann von Lebensmittelzusätzen ausgelöst werden. Süßstoffe wie Aspartam stehen sogar unter Krebsverdacht. Konservierungsstoffe können den Darm schädigen und das Immunsystem stören. Zitronensäure kann die Zähne angreifen, außerdem schädliche Metalle wie Aluminium ins Gehirn transportieren. Industrielles Aroma kann dick machen. Phosphate können den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten früher auftreten lassen wie Herzleiden, Bluthochdruck, die Knochenschwäche Osteoporose.

 

Überraschenderweise können sich die Effekte der einzelnen Chemikalien durch die gemeinsame Verabreichung vervielfachen. Das zeigte unter anderem eine Studie der Universität Liverpool mit den zwei Farbstoffen E104 (Chinolingelb) und E133 (Brillantblau), dem Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und der Süßstoff Aspartam (E951).

 

Das Ergebnis: Die schädliche Wirkung der Zusatzstoffe auf das Gehirn (Neurotoxizität) addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich. Eine Mischung aus dem blauen Farbstoff E133 und Glutamat (E621) etwa bremste das Zellwachstum nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um 15,8 Prozent, sondern um 46,1 Prozent. Eins und eins ist bei Zusatzstoffen also nicht gleich zwei, sondern mitunter auch sechs.

 

DR. WATSON informiert natürlich auch über die Alternativen. Über Bio-Lebensmittel, die Vorzüge klassischer Ernährungssysteme mit kleinen Bauern, Gärtnern, Köchen, die traditionelle Ernährung, etwa die mediterrane Kost, die als Königsweg gilt zu einem gesunden und langen Leben.

 

Und DR. WATSON berichtet über Neues und Spannendes aus der Welt der Lebensmittel und der Ernährung, in den DR. WATSON NEWS.