Nuss-Nougat-Cremes wie Nutella sind bei vielen Kindern sehr beliebt, bei Ärzten und Ernährungsberaterinnen weniger. Das liegt vor allem an dem hohen Gehalt an Zucker und Fett. Überdies enthalten sie, so hat die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa festgestellt, krebserregende Inhaltsstoffe, die im Verlauf der Produktion entstanden sind.
Bis zu 365.000 Tonnen Nuss-Nougat-Creme jährlich verkauft allein Marktführer Nutella, dafür verarbeitet Hersteller Ferrero nach Angaben der italienischen Handelsagentur 25 Prozent der weltweiten Haselnussernte.
Nuss-Nougat-Cremes sind ultra-verarbeitete Produkte und mithin Teil eines Ernährungssystems, das die Menschen dick und krank macht. Sie gerieten Anfang 2017 auch unter Krebsverdacht: Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa hatte Alarm geschlagen.
Die inkriminierten Stoffe wurden auch in anderen Produkten, vor allem für Kinder, gefunden. Dabei die Vorsitzende des zuständigen Efsa-Gremiums, die norwegische Lebensmittelsicherheitsexpertin Helle Knutsen, wirkte selbst ganz erschrocken: Die Mengen an krebserregenden Substanzen, die größere Kinder und Jugendliche aufnehmen, überstiegen die Toleranzgrenze und seien „potenziell gesundheitsbedenklich“.
Kinder sind heute besonders gefährdet, weil sie, wie keine Generation zuvor, mit Nahrung aus industrieller Produktion aufwachsen. Und die Krebserreger, die die europäischen Lebensmittelwächter jetzt entdeckt haben, werden durch die industrielle Herstellung überhaupt erst geschaffen.
Sie heißen GE (Glycidy-Fettsäureester) sowie 2-MCPD und 3-MCPD (2- und 3-Monochlorpropandiol). Sie stecken in ganz normalen Produkten, die vor allem Kinder lieben. Nicht nur in industrieller Säuglingsnahrung, was die Lebensmittelwächterin „besonders besorgniserregend“ fand, sondern auch in Margarine, Backwaren, vor allem Kuchen – und eben Nuss-Nougat-Cremes.
Es sind, laut Efsa, sogenannte „Prozesskontaminanten“, die beim Herstellungsprozess in der Fabrik, durch die Erhitzung etwa von Palmöl auf über 200 Grad, entstehen.
Erhitzen ist, zum Beispiel beim Kochen, ganz normal. Aber in den Food-Fabriken muss, anders als beim echten Essen zu Hause, praktisch alles erhitzt, alles haltbar gemacht werden, oder passend für den Produktionsprozess. Dabei kommen solche Schadstoffe ins Spiel, die die Gesundheit der Kinder bedrohen.
Nutella-Hersteller Ferrero beteuerte zwar: "Nutella ist ein absolut sicheres Produkt." Und tatsächlich hatte die Stiftung Warentest bei früheren Untersuchungen in Nutella-Gläsern diese Krebsgifte nur in geringen Mengen gefunden. Aber: Einen „sicheren Wert“, bei dem eine Gefährdung ausgeschlossen ist, gibt es nicht, so die EU-Lebensmittelwächter.
Bisher zielte die Kritik vor allem auf den hohen Gehalt an Zucker und Fett.
»Nuss-Nougat-Cremes sind Kalorienbomben«, urteilte streng die Stiftung Warentest. Sie enthielten zwischen 503 und 677 Kilokalorien je 100 Gramm. Die Kinder zwischen vier und 19 Jahren, die daran vor allem Gefallen finden, streichen davon in der Regel etwa 50 Gramm aufs Brot oder Brötchen – das macht pro Nutellabrot etwa 300 Kalorien.
Die Nuss-Nougat-Cremes erhöhen die tägliche Zuckerdosis von Kindern erheblich: Nutella enthält 54,3 Prozent Zucker und 31 Prozent Fett, doch Hersteller Ferrero wirbt nicht mit diesen Hauptinhaltsstoffen, sondern »mit dem Besten aus 1/3 Liter Milch«.
Den gestrengen Warentestern imponiert das nicht: »Das hört sich beeindruckend gesund an. Doch die Zugabe von 30 Gramm Magermilchpulver trägt selbst bei der üppig bemessenen 50-Gramm-Portion zur notwendigen Kalziumversorgung so gut wie nichts bei.« Wer seinen Kindern Milch geben will, soll ihnen Milch geben, meinen die Fachleute.
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Offiziell gelten Zusatzstoffe in industrieller Nahrung als unbedenklich. Wer also nur wenig davon isst und von robuster Konstitution ist, hat nichts zu befürchten. (Bei Allergien allerdings kann ein Milligramm vom Falschen schon tödlich sein.)
Chemisch hergestellte Additive sind, im Gegensatz zu normalen Zutaten wie Blumenkohl, Sahne oder Hähnchenfleisch, keine traditionellen Bestandteile eines Gerichtes oder Lebensmittels. Der Körper hat deshalb keine adäquaten, evolutionär eingeübten Mechanismen zu ihrer Verarbeitung.
Der Mensch braucht keine Zusatzstoffe. Nur die Industrie braucht sie.
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Das Ziel: Industrielles Essen soll attraktiver erscheinen. Und das möglichst lange (Shelf Life). Denn in der Welt der Fabriken und Supermärkte müssen die Nahrungsmittel billig sein und widernatürlich lange halten, was nur mit den Mitteln der Chemie möglich ist.
Viele industrielle Nahrungsmittel kommen nicht ohne Zusatzstoffe aus. Tütensuppen würden schnell schimmeln, Margarine ranzig werden, bei Fruchtjoghurts sich Fruchtzubereitung und Joghurt trennen. Das Fertig-Dressing für den Salat würde sich in die Bestandteile Kräuter, Essig und Öl auflösen.
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Und so werden die chemischen Zusätze im Essen für immer mehr Menschen zum Gesundheitsrisiko. Bei vielen Zusatzstoffen sind ab einer gewissen Menge Nebenwirkungen nachgewiesen – und sie wiegen weit schwerer als vermutet. Vor allem Kinder verzehren von solchen Zusätzen mehr, als ihnen gut tut (ADI).
Es sind Risiken, die der Mensch selbst geschaffen hat. Es sind keine Kontaminationen durch Verunreinigung oder Verderb, sondern absichtlich hinzugefügte Additive.
Die Zusatzstoffe in solchen Nahrungsmitteln dienen nicht den Konsumenten, sondern den Herstellern industrieller Nahrung.
Sie sollen in erster Linie die Haltbarkeitsdauer verlängern und die Kosten senken. Der menschliche Organismus braucht solche Chemikalien nicht. Einen gesundheitlichen Nutzen für die Verbraucher haben sie ebenfalls nicht. Viele der Zusätze können die Gesundheit gefährden.
So stehen etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat in Verdacht, zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinsonbeizutragen. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernstörungen führen (ADHS). Auch Migräne kann von Lebensmittelzusätzen ausgelöst werden. Süßstoffe wie Aspartam stehen sogar unter Krebsverdacht. Konservierungsstoffe können den Darm schädigen und das Immunsystem stören. Zitronensäure kann die Zähne angreifen, außerdem schädliche Metalle wie Aluminium ins Gehirn transportieren. Industrielles Aroma kann dick machen. Phosphate können den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten früher auftreten lassen wie Herzleiden, Bluthochdruck, die Knochenschwäche Osteoporose.
Überraschenderweise können sich die Effekte der einzelnen Chemikalien durch die gemeinsame Verabreichung vervielfachen. Das zeigte unter anderem eine Studie der Universität Liverpool mit den zwei Farbstoffen E104 (Chinolingelb) und E133 (Brillantblau), dem Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und der Süßstoff Aspartam (E951).
Das Ergebnis: Die schädliche Wirkung der Zusatzstoffe auf das Gehirn (Neurotoxizität) addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich. Eine Mischung aus dem blauen Farbstoff E133 und Glutamat (E621) etwa bremste das Zellwachstum nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um 15,8 Prozent, sondern um 46,1 Prozent. Eins und eins ist bei Zusatzstoffen also nicht gleich zwei, sondern mitunter auch sechs.
DR. WATSON betrachtet die neuartigen Zutaten der Nahrung konsequent aus der Perspektive der Verbraucher. Die DR. WATSON Datenbank der Zusatzstoffe informiert nicht nur über die verwendeten Substanzen und ihre gesundheitlichen Folgen, sondern auch über ihre Verbreitung: Schließlich geht es um die individuelle Entscheidung der Konsumenten auf der Basis ihrer ganz persönlichen Vorlieben und Neigungen.
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DR. WATSON beschäftigt sich auch mit den Hintergründen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, mit Interessenkonflikten von Wissenschaftlern und Ernährungsberatern, und auch mit Machtfragen, der Lobby, die ganz entscheidend mitbestimmt, was auf den Tisch kommt, was wir zu uns nehmen.
So waren früher Mediziner und Behörden sehr besorgt über die chemischen „Fremdstoffe“ in der Nahrung, vor allem bei chronischer Aufnahme.
Mittlerweile hat sich die offizielle Haltung geändert.
Die Substanzen, die einst als „Fremdstoffe“ galten und sogar von den Fachleuten als „Gifte“ geschmäht wurden, wurden jetzt nicht nur rehabilitiert, sondern sogar geadelt. Obwohl Verbrauchertäuschung weiter offiziell verboten ist, gelten sie jetzt als „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ (im EU-Fachjargon: Food Improvement Agents). Zur Regelung des Umgangs mit diesen edlen Ingredienzen hat die Europäische Union ein ganzes Quartett aus Vorschriften erlassen, das „Food Improvement Agents Package“ (FIAP), bestehend aus vier Einzelverordnungen zu den unterschiedlichen Typen von Zusätzen.
Die Erkenntnisse über schädliche Effekte dieser „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ allerdings mehren sich.
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