Der Stoff erlebte eine späte und unerwartete Hollywood-Karriere: Clenbuterol ist eigentlich ein Hustenmittel für Mensch und Tier, auch bei Asthma wird es verschrieben – und als Masthilfsmittel eingesetzt, denn es führt zu vermehrter Muskelbildung bei gleichzeitigem Fettabbau. Das erklärt seine Beliebtheit bei Tiermästern wie Bodybuildern – und den Stars in Hollywood, die es kurz „Clen“ nennen, wie einen guten Freund, der ihnen beim Abnehmen hilft. Im Internet kursieren Hitlisten mit den besten Marken und Tipps zur Verwendung der „Magischen Pille“ und zur Beschaffung auf dem Schwarzmarkt – inklusive Warnungen vor Nebenwirkungen: Herzklopfen, Zittern, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Schwindel und Schlimmerem.
In der Doping-Szene war es als »Katrin-Krabbe-Mittel« bekannt, benannt nach der DDR-Sprinterin, die 1991 über 100 und 200 Meter Weltmeisterin wurde. Das Clenbuterol-Medikament wird von dem deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hergestellt und unter dem Namen Spiropent (Szene-Kürzel: »Spiro«) als Asthmamittel verkauft.
Weltweit wird Clenbuterol von Tiermästern eingesetzt – was immer wieder zu Nebenwirkungen bei Fleischfreunden führt: So erkrankten im Jahre 2009 in der chinesischen Provinz Hunan 70 Menschen, weil Schweine mit dem verbotenen Mastbeschleuniger gedopt worden waren.
Der Nahrungsmittel-Multi Nestlé musste in Chile 1998 Babygläschen aus dem Verkehr ziehen – als »Vorsichtsmaßnahme«, wie der Konzern betonte, wegen Verdacht auf Belastung mit Clenbuterol und anderen Masthilfsmitteln. Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern wurde Ende des letzten Jahrhunderts bei Tiermästern und Veterinären häufig Clenbuterol gefunden. Von Belgien aus hatte die damalige Hormonmafia ein internationales illegales Vertriebsnetzwerk gesponnen.
Eine späte Karriere startete das Medikament als Booster für Bodybuilder und als Schlankheitspille für Hollywoodstars. Bei beiden Gruppen ist der Fatburner-Effekt beliebt. »Jeder nimmt Clenbuterol«, behauptete ein Infodienst aus Hollywood.
Victoria Beckham war in den Klatschspalten unter Verdacht, ebenso die Schauspielerin Lindsay Lohan und das »Partygirl« Nicole Richie, die so auffallend dünn wurde. Sie selbst erklärte dies mit hartem Training.
Deutsche Bodybuilder, die damit ihre Muskeln anschwellen lassen, diskutieren indessen auch über die Nebenwirkungen. Bei Überdosierung kann das Mittel zu Herzrasen, Muskelzittern und Kopfschmerzen führen. Bei Menschen mit der Zuckerkrankheit Diabetes droht Koma, Herzkranke können gar an Krämpfen sterben. Bei Kleinkindern könnten Muskelkrämpfe und Herzrhythmusstörungen die Folge sein. Auch psychotische Episoden und Depressionen sind möglich.
Das Mittel war in Europa bis 1997 offiziell zugelassen. Auch seither erfreut es sich in vielen Ländern offenbar ungebrochener Beliebtheit in der Tiermast – und konnte so auch Sportler in Dopingverdacht bringen.
So warnte im April 2011 die deutsche Nationale Anti Doping Agentur (Nada) vor Clenbuterol-Gefahr in China und Mexiko und riet Reisenden zu besonderer Wachsamkeit. In Blutproben von Reisenden waren erhöhte Clenbuterol-Werte gemessen worden. Sie können laut Nada »bei Sportlern als positives Doping-Analyseergebnis gewertet« werden. Als Ursache für die Dopingbelastung werde der »missbräuchliche Einsatz von Clenbuterol als Wachstumsbeschleuniger in der Viehzucht angesehen«.
Schon im Februar des gleichen Jahres hatte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) von Dopingfunden berichtet (»Gefährdung von Athleten durch Clenbuterol-kontaminiertes Fleisch«). Das Institut für Dopinganalytik der Universität Köln hatte 28 Geschäftsreisende nach China-Reisen untersucht. Ergebnis: »In 22 von 28 Fällen wurden positive Dopingkontrollbefunde erhoben, welche auf den Verzehr von mit Clenbuterol kontaminierter Nahrung zurückgeführt« wurden.
Auslöser der Untersuchungen war der Fall des deutschen Tischtennisspielers Dimitrij Ovtcharov gewesen. Nachdem seine A- und B-Proben Spuren von Clenbuterol aufwiesen, wurde der deutsche Nationalspieler im Jahr 2010 gesperrt. Doch der 22-Jährige beteuerte, nicht gedopt zu haben und das Clenbuterol bei einem Turnier in China mit dem Essen aufgenommen zu haben. Der Deutsche Tischtennis Bund sprach den Sportler noch im selben Jahr frei.
Auch zwei mexikanische Fußballer rechtfertigten sich mit Verzehr kontaminierten Fleisches. Jesus Corona und Manuel Marin vom Team Cruz Azul waren 2013 positiv auf Clenbuterol getestet worden. Beim sogenannten Gold Cup 2011 in den USA waren sogar fünf Spieler der mexikanischen Nationalmannschaft Clenbuterol-positiv – und bei der U 17-Weltmeisterschaft kurz darauf gab es gar 109 Proben, die positiv auf Clenbuterol getestet wurden – von insgesamt 208.
Unter den sauberen Mannschaften waren die Deutschen, die ihren eigenen Koch und eigene Lebensmittel mitgebracht hatten, und die Mexikaner, die eingedenk der Erfahrungen beim Gold Cup auf fleischlose Kost umgestiegen waren. »Sie haben nur Fisch und vegetarische Speisen gegessen«, sagte Chefmediziner Jiri Dvorak vom Fußball-Weltverband Fifa. Als Ursache sah auch er das kontaminierte Fleisch an: »Es ist kein Doping-Problem, sondern eines der öffentlichen Gesundheit.«
Europäische und nordamerikanische Länder gelten laut Nada-Schreiben im Hinblick auf Clenbuterol eigentlich »als sicher«. Doch im Jahr 2010 rechtfertigte sich auch der spanische Radprofi Alberto Contador mit Fleischverzehr, als er des Dopings überführt wurde – mit Clenbuterol.
Tatsächlich war das Mittel auch hierzulande gebräuchlich: Noch in den neunziger Jahren florierte der illegale Handel auch in Europa, 1992 beispielsweise beschlagnahmte der belgische Zoll zwei Tonnen Clenbuterol auf dem Brüsseler Flughafen. Die Ladung war per Luftfracht aus Indien eingeflogen, in den Frachtpapieren getarnt als »576 Rollen Verbandsgaze, wasseraufnehmend, 90 cm × 90 cm«. Kriminelle Banden, aber auch geschäftstüchtige Tierärzte sorgten damals für die Verteilung des Stoffes an die Landwirtschaft.
Auch in Deutschland waren immer wieder Bauern wegen Vieh-Dopings aufgeflogen. Zentrum der illegalen Aktivitäten der sogenannten Hormonmafia war Belgien, sie schreckte auch vor Mord nicht zurück, etwa am Tierarzt Karel van Noppen, der als unerbittlicher Verfolger aufgetreten war.
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So stehen etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat in Verdacht, zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinsonbeizutragen. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernstörungen führen (ADHS). Auch Migräne kann von Lebensmittelzusätzen ausgelöst werden. Süßstoffe wie Aspartam stehen sogar unter Krebsverdacht. Konservierungsstoffe können den Darm schädigen und das Immunsystem stören. Zitronensäure kann die Zähne angreifen, außerdem schädliche Metalle wie Aluminium ins Gehirn transportieren. Industrielles Aroma kann dick machen. Phosphate können den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten früher auftreten lassen wie Herzleiden, Bluthochdruck, die Knochenschwäche Osteoporose.
Überraschenderweise können sich die Effekte der einzelnen Chemikalien durch die gemeinsame Verabreichung vervielfachen. Das zeigte unter anderem eine Studie der Universität Liverpool mit den zwei Farbstoffen E104 (Chinolingelb) und E133 (Brillantblau), dem Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und der Süßstoff Aspartam (E951).
Das Ergebnis: Die schädliche Wirkung der Zusatzstoffe auf das Gehirn (Neurotoxizität) addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich. Eine Mischung aus dem blauen Farbstoff E133 und Glutamat (E621) etwa bremste das Zellwachstum nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um 15,8 Prozent, sondern um 46,1 Prozent. Eins und eins ist bei Zusatzstoffen also nicht gleich zwei, sondern mitunter auch sechs.
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Die Substanzen, die einst als „Fremdstoffe“ galten und sogar von den Fachleuten als „Gifte“ geschmäht wurden, wurden jetzt nicht nur rehabilitiert, sondern sogar geadelt. Obwohl Verbrauchertäuschung weiter offiziell verboten ist, gelten sie jetzt als „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ (im EU-Fachjargon: Food Improvement Agents). Zur Regelung des Umgangs mit diesen edlen Ingredienzen hat die Europäische Union ein ganzes Quartett aus Vorschriften erlassen, das „Food Improvement Agents Package“ (FIAP), bestehend aus vier Einzelverordnungen zu den unterschiedlichen Typen von Zusätzen.
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