Als Säuglingsnahrung gelten spezielle Lebensmittel für Babys in den ersten Lebensmonaten als Ersatz für Muttermilch. Säuglingsanfangsnahrung, im Handel auch als »Pre« oder »Anfangsnahrung« oder »Erstmilch« bezeichnet, basiert im allgemeinen auf Milch von der Kuh, die durch Zusatz verschiedener Chemikalien und Nährstoffe in ihrer Zusammensetzung verändert wurde. Allerdings bleibt sie gegenüber der Muttermilch minderwertig, sie erhöht das Risiko für Krankheiten, verringert das geistige Leistungsvermögen, die Intelligenz und, so zeigen Studien, sogar das Einkommen im späteren Leben. Auch Behörden raten daher davon ab, außer in medizinisch begründeten Fällen, wenn die Mutter nicht stillen kann.
Die Babynahrungskonzerne stehen immer wieder wegen ihrer illegalen Vermarktungspraktiken in der Kritik, insbesondere den Schweizer Food-Multi Nestlé, weil vor allem in armen Ländern häufig Kinder sterben, weil sie Fläschchenmilch bekommen, die mit verschmutztem Wasser angerührt wird.
Weil auch Mütter einem erhöhten Risiko ausgesetzt werden, wenn sie nicht stillen, rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit insgesamt 820.000 zusätzlichen Todesfällen durch die industrielle Säuglingsnahrung.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die wichtigste Behörde im Lande zur gesundheitlichen Beurteilung von Nahrungsmitteln, sieht »ein höheres Risiko für eine Reihe von Erkrankungen« für »mit industriell hergestellter Säuglingsnahrung ernährte Kinder«.
Selbstverständlich wird bei der Milch aus dem Fläschchen normalerweise kein Kind unmittelbar krank. Auch kann ein Kind das Fläschchen kriegen und trotzdem gesund durchs Leben gehen. Aber: Das Risiko steigt. Bei den großen Zivilisationsleiden, später im Leben. Auch bei den nervigen Alltagskrankheiten, in Kita, Kindergarten, Schule.
So müssen Fläschchenkinder doppelt so häufig ins Krankenhaus. Sie haben bis zu mehr als dreimal so viele Infektionen, unter anderem der unteren Atemwege. Sie haben auch häufiger gefährliche Darmentzündungen. Und öfter Mittelohrentzündungen, auch Schnupfen, sie kriegen erstaunlicherweise sogar öfter eine Blutvergiftung und Harnwegsinfektionen und bakterielle Hirnhautentzündungen.
Kunstmilch-Kinder sind auch häufiger verhaltensauffällig. Das fanden Forscher von den Universitäten Oxford, London, Essex und York um die Professorin Maria Quigley heraus. 10 037 Kinder hatten sie dafür untersucht, ihre Studie erschien im Fachblatt Archives of Disease in Childhood.
Immerhin 16 Prozent der Kunstmilch-Kinder wiesen schon als Fünfjährige Verhaltensstörungen auf, bei den Kindern, die mindestens sechs Monate voll gestillt worden waren, nur 6,5 Prozent. Die Kunstmilch soll sogar das Risiko für Leukämie im Kindesalter erhöhen. Und das Risiko, am plötzlichen Kindstod zu sterben, um ein Drittel.
Die Muttermilch schützt das Kind unter anderem, weil sie ihm zahlreiche Immunstoffe übermittelt, und bis zu 700 verschiedene Bakterienarten.
Deshalb ist es wichtig, diesen Übergabeprozess nicht zu stoppen, meint Noel T. Mueller vom Department of Epidemiology an der Columbia University in New York. Etwa durch Milch aus dem Fläschchen. Die störe die Übergabe von wichtigen und notwendigen Bakterien: »Fläschchenmilch, auch in kleinen Mengen während der Stillzeit gegeben«, kann »die Bakteriengemeinschaften verändern, die sich normalerweise im Darm eines gestillten Säuglings befinden.«
Kinder, die Fläschchenmilch kriegen, haben weniger dieser Kleinstlebewesen vom Typ Bifidobacterium und Lactobacillus, dafür mehr Bactroides fragilis, mehr von den Gattungen Clostridium, Streptococcus, Enterobacteria und Veillonella spp.
Die Fläschchenmilch steht auch im Verdacht bei der ansonsten unerklärlichen Zunahme der „jugendlichen“ („juvenile“) Zuckerkrankheit, dem Diabetes Typ 1. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt um 3 bis 5 Prozent im Jahr.
Die betroffenen Kinder müssen täglich mehrmals Insulin spritzen, jenes Hormon, das dafür sorgt, dass die Energiequelle Zucker (Glukose) vom Körper aufgenommen werden kann. Bei ihnen funktioniert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr, die das Insulin eigentlich produzieren soll.
Bisher galt das als Schicksalsschlag. Ursache unklar. Seit längerem aber weisen Mediziner auf eine möglichen Zusammenhang mit der industriellen Säuglingsnahrung hin. Die pulverisierte Milch stammt ja von der Kuh, wird folgerichtig vom Immunsystem des Säuglings als Fremdkörper identifiziert und ins Visier genommen.
Weil aber offenbar ein Molkeneiweiß aus der kuhmilchbasierten Säuglingsnahrung das BSA heißt (Bovines Serumalbumin), offenbar einem »Oberflächeneiweiß« auf den Betazellen der Bauchspeicheldrüse ähnelt, attackieren die Immunkämpfer das eigene Organ.
Die These ist allerdings umstritten. Zwar hatten mehrere Studien ergeben, dass kuhmilchbasierte Muttermilchersatznahrung im Säuglingsalter zur Bildung von Antikörpern führte. Wenn die Proteine darin jedoch zerstört werden, hat das keine wesentlichen Auswirkungen aufs Diabetesrisiko. Das hatte eine große internationale Studie 2018 im einflussreichen Journal of the American Medical Association (JAMA) ergeben.
Allerdings durften leider keine Stillkinder teilnehmen, und Muttermilch schützt erwiesenermaßen vor Typ-1-Diabetes.
Sicher ist: Die industrielle Säuglingsnahrung enthält erheblich mehr Problemstoffe. Die zugesetzten Phosphate beispielsweise, von denen die Säuglinge mehr aufnehmen, als gut für sie ist, wie die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa ermittelt hat. Diese Phosphate können zu Knochenschwäche und Verkalkung führen.
Sie enthält auch erhöhte Mengen von sogenannten Advanced Glycation End Products (AGEs), die das Alter beschleunigen und zu erhöhten Krankheitsrisiken führen sollen. Das zeigten US-Studien. Wenn die Kinder Muttermilch bekamen, war die Belastung der Babys gering. Wenn die Säuglinge aber das Fläschchen mit der industriellen Babymilch bekamen, war die Belastung um das 100- bis 400fache höher.
Kein Wunder: Die Milch aus dem Fläschchen enthält bis zu 670mal so viel AGEs wie Muttermilch. Wenn das Kind von der Muttermilch auf industriell produzierte Fläschchenmilch umsteigt, steigt der AGE-Gehalt im Blut dramatisch an.
Diese Problemstoffe entstehen bei der Erhitzung und natürlich erst recht bei der Pulverisierung der Milch.
Zugleich entstehen offenbar weitere Risikostoffe, wie die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa festgestellt hat. Die Vorsitzende des zuständigen Efsa-Gremiums, die norwegische Lebensmittelsicherheitsexpertin Helle Knutsen, wirkte selbst ganz erschrocken: Die Gefährdung »von Säuglingen, die ausschließlich Säuglingsanfangsnahrung zu sich nehmen«, sei »besonders besorgniserregend«.
Es ging um krebserregende Substanzen, sogenannte „Prozesskontaminanten“, die bei der industriellen Produktion entstehnen. Sie heißen GE (Glycidyl-Fettsäureester) sowie 2-MCPD und 3-MCPD (2- und 3-Monochlorpropandiol).
Kein Wunder, dass die Kinder, wenn sie die Wahl haben, Muttermilch bevorzugen. Sogar, wenn sie zuvor schon an die industrielle Kunstmilch aus dem Fläschchen gewöhnt waren. Das hatten Experimente der französischen Geschmacksforscher Benoist Schaal und Maryse Delauney-El Allami vom European Center for Taste and Smell im burgundischen Dijon gezeigt.
Offenbar wissen die Kinder instinktiv, was gut für sie ist – und was nicht.
Mehr zur Kinderernährung siehe Hans-Ulrich Grimm: Gesundes Essen für unsere Kinder
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Offiziell gelten Zusatzstoffe in industrieller Nahrung als unbedenklich. Wer also nur wenig davon isst und von robuster Konstitution ist, hat nichts zu befürchten. (Bei Allergien allerdings kann ein Milligramm vom Falschen schon tödlich sein.)
Chemisch hergestellte Additive sind, im Gegensatz zu normalen Zutaten wie Blumenkohl, Sahne oder Hähnchenfleisch, keine traditionellen Bestandteile eines Gerichtes oder Lebensmittels. Der Körper hat deshalb keine adäquaten, evolutionär eingeübten Mechanismen zu ihrer Verarbeitung.
Der Mensch braucht keine Zusatzstoffe. Nur die Industrie braucht sie.
Sie dienen dazu, das industrielle Essen geschmacklich oder farblich aufzuwerten – äußerlich. Buntere Brause, braunere Saucen, haltbarere Nudelsuppen, luftigere Kuchen, Brötchen mit einer Extraportion Brötchenduft, cremigere Quarks mit weniger Fett, Joghurts, in denen jedes Fruchtstückchen stabil an seinem Platz bleibt.
Das Ziel: Industrielles Essen soll attraktiver erscheinen. Und das möglichst lange (Shelf Life). Denn in der Welt der Fabriken und Supermärkte müssen die Nahrungsmittel billig sein und widernatürlich lange halten, was nur mit den Mitteln der Chemie möglich ist.
Viele industrielle Nahrungsmittel kommen nicht ohne Zusatzstoffe aus. Tütensuppen würden schnell schimmeln, Margarine ranzig werden, bei Fruchtjoghurts sich Fruchtzubereitung und Joghurt trennen. Das Fertig-Dressing für den Salat würde sich in die Bestandteile Kräuter, Essig und Öl auflösen.
Die chemischen Stoffe mit den E-Nummern sind für die industrielle Nahrungsproduktion unerlässlich.
Viele wurden eigens konstruiert, maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Food-Fabriken, gleichsam am Reißbrett, als reine Designerstoffe, ohne jedes Vorbild in der Natur. Manche der verwendeten Substanzen kommen auch in der Natur vor – doch durch die Verwendung als Zusätze explodieren die Verzehrsmengen.
Und so werden die chemischen Zusätze im Essen für immer mehr Menschen zum Gesundheitsrisiko. Bei vielen Zusatzstoffen sind ab einer gewissen Menge Nebenwirkungen nachgewiesen – und sie wiegen weit schwerer als vermutet. Vor allem Kinder verzehren von solchen Zusätzen mehr, als ihnen gut tut (ADI).
Es sind Risiken, die der Mensch selbst geschaffen hat. Es sind keine Kontaminationen durch Verunreinigung oder Verderb, sondern absichtlich hinzugefügte Additive.
Die Zusatzstoffe in solchen Nahrungsmitteln dienen nicht den Konsumenten, sondern den Herstellern industrieller Nahrung.
Sie sollen in erster Linie die Haltbarkeitsdauer verlängern und die Kosten senken. Der menschliche Organismus braucht solche Chemikalien nicht. Einen gesundheitlichen Nutzen für die Verbraucher haben sie ebenfalls nicht. Viele der Zusätze können die Gesundheit gefährden.
So stehen etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat in Verdacht, zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinsonbeizutragen. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernstörungen führen (ADHS). Auch Migräne kann von Lebensmittelzusätzen ausgelöst werden. Süßstoffe wie Aspartam stehen sogar unter Krebsverdacht. Konservierungsstoffe können den Darm schädigen und das Immunsystem stören. Zitronensäure kann die Zähne angreifen, außerdem schädliche Metalle wie Aluminium ins Gehirn transportieren. Industrielles Aroma kann dick machen. Phosphate können den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten früher auftreten lassen wie Herzleiden, Bluthochdruck, die Knochenschwäche Osteoporose.
Überraschenderweise können sich die Effekte der einzelnen Chemikalien durch die gemeinsame Verabreichung vervielfachen. Das zeigte unter anderem eine Studie der Universität Liverpool mit den zwei Farbstoffen E104 (Chinolingelb) und E133 (Brillantblau), dem Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und der Süßstoff Aspartam (E951).
Das Ergebnis: Die schädliche Wirkung der Zusatzstoffe auf das Gehirn (Neurotoxizität) addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich. Eine Mischung aus dem blauen Farbstoff E133 und Glutamat (E621) etwa bremste das Zellwachstum nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um 15,8 Prozent, sondern um 46,1 Prozent. Eins und eins ist bei Zusatzstoffen also nicht gleich zwei, sondern mitunter auch sechs.
DR. WATSON betrachtet die neuartigen Zutaten der Nahrung konsequent aus der Perspektive der Verbraucher. Die DR. WATSON Datenbank der Zusatzstoffe informiert nicht nur über die verwendeten Substanzen und ihre gesundheitlichen Folgen, sondern auch über ihre Verbreitung: Schließlich geht es um die individuelle Entscheidung der Konsumenten auf der Basis ihrer ganz persönlichen Vorlieben und Neigungen.
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So waren früher Mediziner und Behörden sehr besorgt über die chemischen „Fremdstoffe“ in der Nahrung, vor allem bei chronischer Aufnahme.
Mittlerweile hat sich die offizielle Haltung geändert.
Die Substanzen, die einst als „Fremdstoffe“ galten und sogar von den Fachleuten als „Gifte“ geschmäht wurden, wurden jetzt nicht nur rehabilitiert, sondern sogar geadelt. Obwohl Verbrauchertäuschung weiter offiziell verboten ist, gelten sie jetzt als „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ (im EU-Fachjargon: Food Improvement Agents). Zur Regelung des Umgangs mit diesen edlen Ingredienzen hat die Europäische Union ein ganzes Quartett aus Vorschriften erlassen, das „Food Improvement Agents Package“ (FIAP), bestehend aus vier Einzelverordnungen zu den unterschiedlichen Typen von Zusätzen.
Die Erkenntnisse über schädliche Effekte dieser „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ allerdings mehren sich.
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