Müsli kann sehr gesund sein – oder sehr ungesund: Gerade hier kommt es auf den Grad der industriellen Bearbeitung an. Die klassische Form nach dem Rezept des Schweizer Arztes Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867-1939) ist unübertrefflich schmackhaft und gesund, ein Spitzenbeispiel für gesunde traditionelle Ernährung. Ganz anders das industrielle Müsli aus Plastikbecher oder Pappkarton: Es steht ebenfalls ganz oben – allerdings In der Hierarchie des Ungesunden, es gilt als ultra-verarbeitete Nahrung und mithin, nach der NOVA-Klassifikation für Lebensmittel, als potenter Risikofaktor für die großen, global grassierenden Zivilisationskrankheiten.
Es war auf einer Bergwanderung, und passenderweise war es eine Sennerin, die die schlichte Mahlzeit servierte – und damit eine Weltkarriere anstieß. So will es die Legende. Es war ums Jahr 1900, als der Schweizer Arzt und Ernährungsreformer Maximilian Bircher-Benner von jener Bergbäurin dieses „recht seltsame Essen“ bekam, mit dem sich die Almhirten dort schon seit hundert Jahren gestärkt hatten: Das Ur-„Müsli“ war geboren. Leider hatte er den Begriff „Müsli“ nicht schützen lassen, und so sind heute in modernen Supermärkten unter dieser Bezeichnung Produkte im Verkauf, die die Hirten oder Bircher-Benner sicher schnellstens in die nächste Gletscherspalte geworfen hätten.
Bircher-Benner, Gründer des Sanatoriums „Lebendige Kraft“ am Zürichberg, nannte seine Kreation Apfeldiätspeise, und setzte sie seinen Gästen als Vollwertdiät mit frischem Obst vor. Er plädierte vor allem für pflanzliche, ja sogar rohe Kost, und lehnte Konserven und fabrikmäßig erarbeitete Nahrung ab.
Ganz anders die industriellen Produkte der Konzerne, die den Ehrenbegriff „Müsli“ bloß gekapert haben.Bircher-Benner würde vermutlich lieber vom Matterhorn springen, als sich solche „Speisen“ einzuverleiben, Ersatzprodukte, die nach dem modernen Klassifikationsschema der NOVA-Forschungsgruppe in die höchste Risikostufe eingeordnet werden, als ultra-verarbeitete Nahrung, die häufig Ursache sei für die »hohe und zunehmende globale Belastung durch Fettleibigkeit und andere ernährungsbedingte chronische, nicht übertragbare Krankheiten«, wie die NOVA-Forscher sagen.
Die Müslipackungen der Konzerne stecken nicht nur voller Zucker, wahlweise auch Fruktose-Glukose-Sirup, sie werden geschmacksmanipuliert mit industriellem Aroma, sie enthalten auch geballte Chemie, Phosphate zum Beispiel, die das Altern beschleunigen können, oder Zitronensäure, einst ein Naturstoff, heute massenhaft industriell hergestellt, der die Zähne erodieren lässt und Aluminium ins Gehirn transportiert. Dazu Designerstoffe, die es in der Natur gar nicht gibt, wie etwa die ominösen Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, oder die sogenannte modifizierte Stärke, die den Blutzucker steiler in die Höhe treibt als Marzipan, Gummibärchen und Schokoriegel. Und dazu fabrikmäßig hergestellte Vitamine, die die weithin herrschende Übervitaminisierung forcieren.
Die dänische Lebensmittelaufsicht hatte dem Cerealienriesen Kellogg einmal die Zulassung von zwölf Sorten Frühstücksflocken und sechserlei Müsliriegel verweigert: zu viele Vitamine. »Mit diesen Vitamingehalten laufen die Verbraucher Gefahr, sichere Obergrenzen zu überschreiten«, sagte ein Vertreter der zuständigen Behörde.
Meilenweit entfernt von diesen Schwindel-Produkten aus dem Supermarkt ist natürlich das Ur-Müsli von Vollwertpionier Bircher-Benner.
Wichtigste Zutaten waren: Haferflocken und Äpfel. Beide erfahren neuerdings wissenschaftlichen Zuspruch. Haferflocken sollen gut sein gegen Diabetes, fürs Cholesterin, sie stärken die Appetitkontrolle und sind daher gut fürs Abnehmen. Sie strotzen nur so vor gesunden Inhaltsstoffen, darunter nicht nur Kohlenhydrate, Eiweiß, Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren, auch diverse natürliche Vitamine und Mineralstoffe, sogar sogenannte Glucane, die unter anderem das Cholesterin senken sollen.
Auch der Apfel ist gut für die Cholesterinbalance, er gilt völlig zu recht als universelle Gesundheitsfrucht, unter anderem dank seiner Polyphenole. Eine britische Studie ergab, dass ein Apfel täglich für alle Bürger über 50 pro Jahr im Vereinigten Königreich 8500 Todesfälle durch Herz-Kreislaufleiden verhindern könne. Und er soll sogar als Booster wirken fürs Sexualleben, jedenfalls bei jungen Frauen, so eine italienische Studie mit 731 Probandinnen zwischen 18 und 43.
Neben Haferflocken und Äpfeln waren auch Nüsse sowie Zitronensaft im Ur-Müsli. Und: gezuckerte Kondensmilch. Die entspricht natürlich auch nicht der reinen Vollwert-Lehre, ist aber verzeihlich, geschuldet den Umständen zu jener Zeit, da frische Milch als Risiko für Tuberkulose galt.
Eine Müsli-Modernisierung ist also notwendig, aber eine sanfte, im Geist von Bircher-Benner.
Es gibt ungezählte Rezepte. Haferflocken und Äpfel sind dabei ein Muss. Ansonsten geht es nach persönlicher Vorliebe. Logische Ergänzung im Geiste Bircher-Benners wären zum Beispiel Leinöl und Leinsamen, als Universalmittel für Herz, Augen, Intelligenz, Verdauung und natürlich das Wohlbefinden, Obst liefert diverse Vitamine, Joghurt stärkt bekanntlich die Abwehrkräfte, und Sahne macht schlank, wegen der gesunden Fette, etwa CLA, das Fettzellen killen können soll.
Das Rezept fürs modernisierte Müsli könnte zum Beispiel so aussehen:
Man nehme 500 Gramm Joghurt und 0,1 Liter Sahne und verrühre es gut. Ein, zwei Esslöffel Leinöl und 100 Gramm Haferflocken. Wieder alles gut zusammenrühren. Das hält im Kühlschrank ein paar Tage. Morgens nehme man eine Portion heraus, zerkleinere Obst, und füge es hinzu, Äpfel und Bananen, oder auch, je nach Jahreszeit, Erdbeeren, Kirschen, Mandarinen, vielleicht ein paar Nüsse. Durch das Obst ist es eigentlich süß genug. Wer noch im Süßmodus lebt, kann einen Löffel Vanillezucker dazutun (selbst hergestellt, aus Zucker mit einer Prise Bourbon-Vanillepulver), manche nehmen auch Honig.
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Offiziell gelten Zusatzstoffe in industrieller Nahrung als unbedenklich. Wer also nur wenig davon isst und von robuster Konstitution ist, hat nichts zu befürchten. (Bei Allergien allerdings kann ein Milligramm vom Falschen schon tödlich sein.)
Chemisch hergestellte Additive sind, im Gegensatz zu normalen Zutaten wie Blumenkohl, Sahne oder Hähnchenfleisch, keine traditionellen Bestandteile eines Gerichtes oder Lebensmittels. Der Körper hat deshalb keine adäquaten, evolutionär eingeübten Mechanismen zu ihrer Verarbeitung.
Der Mensch braucht keine Zusatzstoffe. Nur die Industrie braucht sie.
Sie dienen dazu, das industrielle Essen geschmacklich oder farblich aufzuwerten – äußerlich. Buntere Brause, braunere Saucen, haltbarere Nudelsuppen, luftigere Kuchen, Brötchen mit einer Extraportion Brötchenduft, cremigere Quarks mit weniger Fett, Joghurts, in denen jedes Fruchtstückchen stabil an seinem Platz bleibt.
Das Ziel: Industrielles Essen soll attraktiver erscheinen. Und das möglichst lange (Shelf Life). Denn in der Welt der Fabriken und Supermärkte müssen die Nahrungsmittel billig sein und widernatürlich lange halten, was nur mit den Mitteln der Chemie möglich ist.
Viele industrielle Nahrungsmittel kommen nicht ohne Zusatzstoffe aus. Tütensuppen würden schnell schimmeln, Margarine ranzig werden, bei Fruchtjoghurts sich Fruchtzubereitung und Joghurt trennen. Das Fertig-Dressing für den Salat würde sich in die Bestandteile Kräuter, Essig und Öl auflösen.
Die chemischen Stoffe mit den E-Nummern sind für die industrielle Nahrungsproduktion unerlässlich.
Viele wurden eigens konstruiert, maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Food-Fabriken, gleichsam am Reißbrett, als reine Designerstoffe, ohne jedes Vorbild in der Natur. Manche der verwendeten Substanzen kommen auch in der Natur vor – doch durch die Verwendung als Zusätze explodieren die Verzehrsmengen.
Und so werden die chemischen Zusätze im Essen für immer mehr Menschen zum Gesundheitsrisiko. Bei vielen Zusatzstoffen sind ab einer gewissen Menge Nebenwirkungen nachgewiesen – und sie wiegen weit schwerer als vermutet. Vor allem Kinder verzehren von solchen Zusätzen mehr, als ihnen gut tut (ADI).
Es sind Risiken, die der Mensch selbst geschaffen hat. Es sind keine Kontaminationen durch Verunreinigung oder Verderb, sondern absichtlich hinzugefügte Additive.
Die Zusatzstoffe in solchen Nahrungsmitteln dienen nicht den Konsumenten, sondern den Herstellern industrieller Nahrung.
Sie sollen in erster Linie die Haltbarkeitsdauer verlängern und die Kosten senken. Der menschliche Organismus braucht solche Chemikalien nicht. Einen gesundheitlichen Nutzen für die Verbraucher haben sie ebenfalls nicht. Viele der Zusätze können die Gesundheit gefährden.
So stehen etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat in Verdacht, zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinsonbeizutragen. Farbstoffe können zu Hyperaktivität und Lernstörungen führen (ADHS). Auch Migräne kann von Lebensmittelzusätzen ausgelöst werden. Süßstoffe wie Aspartam stehen sogar unter Krebsverdacht. Konservierungsstoffe können den Darm schädigen und das Immunsystem stören. Zitronensäure kann die Zähne angreifen, außerdem schädliche Metalle wie Aluminium ins Gehirn transportieren. Industrielles Aroma kann dick machen. Phosphate können den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten früher auftreten lassen wie Herzleiden, Bluthochdruck, die Knochenschwäche Osteoporose.
Überraschenderweise können sich die Effekte der einzelnen Chemikalien durch die gemeinsame Verabreichung vervielfachen. Das zeigte unter anderem eine Studie der Universität Liverpool mit den zwei Farbstoffen E104 (Chinolingelb) und E133 (Brillantblau), dem Geschmacksverstärker Glutamat (E621), und der Süßstoff Aspartam (E951).
Das Ergebnis: Die schädliche Wirkung der Zusatzstoffe auf das Gehirn (Neurotoxizität) addierte sich nicht, wie zu erwarten wäre, sondern vervielfachte sich. Eine Mischung aus dem blauen Farbstoff E133 und Glutamat (E621) etwa bremste das Zellwachstum nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um 15,8 Prozent, sondern um 46,1 Prozent. Eins und eins ist bei Zusatzstoffen also nicht gleich zwei, sondern mitunter auch sechs.
DR. WATSON betrachtet die neuartigen Zutaten der Nahrung konsequent aus der Perspektive der Verbraucher. Die DR. WATSON Datenbank der Zusatzstoffe informiert nicht nur über die verwendeten Substanzen und ihre gesundheitlichen Folgen, sondern auch über ihre Verbreitung: Schließlich geht es um die individuelle Entscheidung der Konsumenten auf der Basis ihrer ganz persönlichen Vorlieben und Neigungen.
Das DR. WATSON Team wurde dabei von anerkannten Wissenschaftlern unterstützt und auch juristisch beraten. Die DR. WATSON Datenbank wird regelmäßig aktualisiert und erweitert. DR. WATSON ist unabhängig von fremden Interessen und Institutionen.
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DR. WATSON beschäftigt sich auch mit den Hintergründen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, mit Interessenkonflikten von Wissenschaftlern und Ernährungsberatern, und auch mit Machtfragen, der Lobby, die ganz entscheidend mitbestimmt, was auf den Tisch kommt, was wir zu uns nehmen.
So waren früher Mediziner und Behörden sehr besorgt über die chemischen „Fremdstoffe“ in der Nahrung, vor allem bei chronischer Aufnahme.
Mittlerweile hat sich die offizielle Haltung geändert.
Die Substanzen, die einst als „Fremdstoffe“ galten und sogar von den Fachleuten als „Gifte“ geschmäht wurden, wurden jetzt nicht nur rehabilitiert, sondern sogar geadelt. Obwohl Verbrauchertäuschung weiter offiziell verboten ist, gelten sie jetzt als „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ (im EU-Fachjargon: Food Improvement Agents). Zur Regelung des Umgangs mit diesen edlen Ingredienzen hat die Europäische Union ein ganzes Quartett aus Vorschriften erlassen, das „Food Improvement Agents Package“ (FIAP), bestehend aus vier Einzelverordnungen zu den unterschiedlichen Typen von Zusätzen.
Die Erkenntnisse über schädliche Effekte dieser „Stoffe zur Verbesserung von Lebensmitteln“ allerdings mehren sich.
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